Didi Hamann spricht im Interview mit unserer Redaktion über das Pokal-Aus des FC Bayern München gegen den 1. FC Saarbrücken, die grosse Schwachstelle des Rekordmeisters und das Top-Spiel am Samstag gegen Borussia Dortmund (18:30 Uhr, live auf Sky).

Ein Interview

Herr Hamann, wie haben Sie das Pokal-Aus des FC Bayern München aufgenommen?

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Hamann: Das war sehr überraschend. Damit hatte ich auch nicht gerechnet, obwohl sie in den letzten Wochen nicht gut gespielt haben.

Auffällig war, dass Saarbrücken mehrfach im Spiel gute Chancen für schnelle Konter hatte. Sind die Bayern-Spieler vielleicht nicht mit der richtigen Einstellung in das Spiel gegangen?

Das Problem ist die defensive Anfälligkeit. Das zieht sich bereits durch die komplette Saison und hat sie gestern das Weiterkommen gekostet. Dadurch fällt es den Bayern schwer, über 90 Minuten oder zumindest über längere Zeit Kontrolle im Spiel zu haben.

Sie haben als Spieler des FC Bayern München einst selbst miterlebt, wie sich ein frühes Pokal-Aus gegen einen unterklassigen Gegner anfühlt. Sie verloren 1994 gleich in der 1. Runde gegen TSV Vestenbergsgreuth. Sehen Sie da Parallelen?

Nicht unbedingt, denn wir waren damals längst nicht so dominant wie der FC Bayern heute und sind nicht elfmal in Folge Deutscher Meister geworden. Wir hatten damals viele junge Spieler, sodass es öfter Schwankungen in unserem Spiel gegeben hat. Damals war nicht in Stein gemeisselt, dass wir jedes Jahr Deutscher Meister werden. Und Vestenbergsgreuth war damals in der 3. Liga oben dabei. Trotzdem sollte so etwas nicht passieren, aber es lässt sich nicht mit heute vergleichen.

Zurück zur Gegenwart: Sie haben schon vor dem Pokalspiel kritisiert, dass sich der FC Bayern spielerisch nicht weiterentwickelt hat. Sehen Sie neben der defensiven Anfälligkeit noch weitere Probleme?

Die defensive Anfälligkeit ist das Hauptproblem und führt dazu, dass sie selbst gegen einen Drittligisten zu viele Chancen zulassen. Seitdem Tuchel Trainer ist, haben sie es nicht geschafft, für eine defensive Stabilität zu sorgen.

Der FC Bayern hat seit Sommer 2021 für die Innenverteidiger Dayot Upamecano, Matthijs de Ligt und Min-jae Kim rund 160 Millionen Euro an Ablösen bezahlt. Wie ist es zu erklären, dass die Defensive trotzdem so anfällig ist?

Für die Innenverteidiger ist es natürlich schwer, wenn oft zwei, drei oder sogar vier Leute auf dich zulaufen, weil die defensive Absicherung nicht da ist. Deshalb würde ich die Innenverteidiger – auch wenn Kim bislang nur mittelmässig spielt – ein stückweit in den Schutz nehmen. Sie bräuchten einen Mittelfeldspieler, der das Wort defensiver Mittelfeldspieler verdient - der also vor der Abwehr steht und der Mannschaft Balance gibt. Balance ist etwas, was die Bayern seit Monaten nicht im Spiel haben. Und ohne Balance wird es schwierig, Spiele zu kontrollieren.

"Ob Tuchel das sagen sollte, ist eine andere Frage"

Das heisst, der FC Bayern hätte die von Thomas Tuchel vielfach geforderte "Holding Six" gut gebrauchen können.

Ja, aber wenn du einen solchen Spieler nicht bekommst, dann musst du schauen, dass ein anderer Spieler diese Rolle einnimmt. Das hat der Trainer nicht geschafft.

Tuchel hat gestern nach dem Pokal-Aus gesagt, er hätte keine schlaue Erklärung für die Niederlage. Ähnliches hat er in der Vergangenheit schon öfter gesagt. Ist das ehrlich oder besorgniserregend?

Ehrlich ist es wahrscheinlich schon. Aber ob er das sagen sollte, ist eine andere Frage.

Empfinden Sie Thomas Tuchel als dünnhäutig? Er hat in der vergangenen Woche auch auf Ihre Kritik sehr empfindlich reagiert.

Nein, dass er seine Mannschaft verteidigt, ist sein gutes Recht und finde ich völlig in Ordnung. Mir geht es nicht um Tuchel, mir geht es um die Sache. Und ich stelle eben fest, dass er es in sieben Monaten nicht geschafft hat, der Mannschaft eine defensive Stabilität zu geben. Die Frage wird sein, ob er das bis zum Winter hinbekommt.

Der FC Bayern muss nun am Samstag gegen Borussia Dortmund auf den gesperrten Joshua Kimmich verzichten. De Ligt fehlt verletzungsbedingt. Die Einsatzfähigkeit von Upamecano und Goretzka ist ebenfalls nicht sicher. Sind das schlechte Vorzeichen für den FC Bayern?

Absolut, das ist nicht einfach. Nichtsdestotrotz werden elf Nationalspieler für den FC Bayern auf dem Platz stehen. Du musst halt schauen, dass du mit den vorhandenen Spielern geschlossen auftrittst. Aber diese Geschlossenheit haben sie in den letzten Monaten nicht gezeigt. Daher bin ich gespannt, wie sie auftreten.

Sprechen wir über den Gegner des FC Bayern: Wie schätzen Sie Borussia Dortmund ein?

Ordentlich. Sie machen momentan einen gefestigteren Eindruck als der FC Bayern und hatten das starke Resultat in der Champions League bei Newcastle. Die Vorzeichen könnten wahrscheinlich nicht besser sein. Das ist eine riesige Chance für Dortmund, den FC Bayern am Samstag zu schlagen. Aber wir wissen natürlich auch, dass die Bayern in einer solchen Situation immer am gefährlichsten sind.

Wie lautet Ihr Tipp?

2:2.

Wie schätzen Sie die beiden Sturmreihen im Vergleich ein? Harry Kane hat für den FC Bayern bereits zwölf Bundesliga-Tore erzielt, während bei Dortmund kein Spieler mehr als vier Bundesligatreffer erzielt hat…

Die Bayern haben natürlich herausragende Einzelspieler. Die Spiele, die sie gewonnen haben, haben sie oft durch ihre individuelle Klasse gewonnen. Von daher hat der FC Bayern in der Offensive die Nase vorne.

Welche Rolle spielen die beiden grossen Identifikationsfiguren – Marco Reus von Borussia Dortmund und Thomas Müller vom FC Bayern?

Reus macht das momentan wunderbar. Dass ihm die Kapitänsbinde abgenommen wurde, scheint ihm von einer Last befreit zu haben. Müller macht das auch gut, wenn er spielt. Die Frage wird eben nur sein, wie viel Zeit er bekommt. Aufgrund der Personalsituation könnte es sein, dass er am Samstag beginnt. Aber Reus hat sportlich in der Mannschaft wahrscheinlich mehr Gewicht, weil er öfter spielt.

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Zur Person:

  • Dietmar "Didi Hamann" (Jahrgang 1973) spielte von 1993 bis 1998 für den FC Bayern München, wechselte daraufhin nach England und war für Newcastle United, den FC Liverpool, Manchester City und Milton Keynes Dons aktiv, ehe er im Jahre 2011 seine Laufbahn beendete. Heute ist er als Experte bei Sky tätig.
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