Harry Kane vom FC Bayern München würde gerne später als Kicker in der NFL aktiv werden. Der frühere deutsche Kicker Ralf Kleinmann, der zeitweise in der NFL unter Vertrag stand, schätzt die Chancen von Kane im American Football realistisch ein.
Harry Kane hat einen besonderen Traum. Der Stürmer des FC Bayern München würde gerne eine zweite Karriere im American Football hinlegen und als Kicker in der NFL spielen.
"Das ist zumindest etwas, was ich im Hinterkopf habe", sagte er in einem Interview mit der "Sports Illustraded". "Wenn es auf das Ende meiner Karriere im Fussball zugeht, werde ich mir das vielleicht etwas genauer ansehen und anfangen, ein bisschen zu üben. Es in zwei verschiedenen Sportarten – Fussball und Football – auf das höchste Level zu schaffen, wäre etwas ganz Besonderes."
Dies scheint keine Schnapsidee zu sein. Der 30-Jährige ist ein grosser Fan der NFL und hat schon öfter erwähnt, in dem amerikanischen Sport aktiv werden zu wollen.
Dazu muss man wissen: Ein Kicker muss sich im American Football nicht unbedingt ins Getümmel stürzen und harte Zweikämpfe bestreiten. Die Aufgabe besteht "nur" darin, den eiförmigen Ball durch die Torstangen zu schiessen und somit ein Field Goal oder einen Extrapunkt zu erzielen.
Mögliches Vorbild: Brandon Aubrey von den Dallas Cowboys
Dass Kicker aus der NFL eine Vergangenheit im Fussball haben, ist keine Seltenheit. Brandon Aubrey beispielsweise, der bei den Dallas Cowboys unter Vertrag steht und zu den besten Spielern seines Fachs zählt, war in Nordamerika zunächst Fussballprofi.
Als er vom Toronto FC und Bethlehem Steel FC aussortiert wurde, wechselte er zum Football. Nach zwei Spielzeiten in der unterklassigen United States Football League bekam er seine Chance in der NFL – und nutzte diese. Könnte
Ralf Kleinmann kann sich Kane in der NFL vorstellen
Ralf Kleinmann kann dies gut einschätzen. Der heute 53-Jährige zählt zu den besten deutschen Kickern aller Zeiten, gewann mit Frankfurt Galaxy dreimal den World Bowl und stand zeitweise sogar in der NFL bei den Tampa Bay Buccaneers unter Vertrag.
"Grundsätzlich könnte ich mir das vorstellen", sagt Kleinmann im Gespräch mit unserer Redaktion über die Ambitionen von Kane. "Es gab ja bereits ehemalige Fussballprofis wie Manfred Burgsmüller oder Ingo Anderbrügge, die in der damaligen NFL Europa als Kicker aktiv waren. Technisch sind die Anforderungen im Football etwas anders als im Fussball. Aber wenn man im Fussball ausgebildet wurde, macht es den Einstieg einfacher. Was im Kicking an technischen Voraussetzungen gefordert ist, kann man dann auf jeden Fall lernen."
Kicken ist "zu 85 Prozent Kopfsache"
Woran sich ein Fussballspieler im American Football allerdings gewöhnen müsse, sei die völlig andere Spielsituation. "Man hat elf Leute gegenüberstehen, die alle versuchen, den Kick zu blocken. Früher sagte man, die Verteidiger wollen dem Kicker ans Fell. Das hat sich mittlerweile aber ein bisschen geändert, weil die Defense-Spieler heutzutage auf den Ball gehen und nicht auf den Kicker", erklärt Kleinmann.
"Mir hat früher ein Kicking-Coach gesagt, Kicken ist zu 85 Prozent Kopfsache. Aber ich denke, einen Menschen wie Harry Kane werden die Zuschauer und der Druck nicht aus der Fassung bringen. Wenn er dazu in der Lage ist, einen Elfmeter bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft zu verwandeln, dann bringt der Mann die erforderliche Ruhe mit."
Nach einem Kickoff müsste Harry Kane vielleicht ins Tackling gehen
Schwieriger wird es, wenn Kane (wie die meisten Kicker in der NFL) auch die Kickoffs machen soll. Zur Erklärung: Zu Beginn des Spiels beziehungsweise der zweiten Hälfte sowie nach einem Touchdown und Field Goal schiesst ein Kicker den Ball weit in die gegnerische Hälfte, wo ein Returner den Ball fängt und so weit wie möglich zurückträgt. Meistens sind die zehn Mitspieler des Kickers dazu in der Lage, den Ballträger zu stoppen. Gelingt das allerdings nicht, ist der Kicker als letzter Mann gefordert.
"Dann könnte es passieren, dass ein Harry Kane seinen Körper reinschmeissen muss", sagt Kleinmann. Dieses Risiko sei allerdings überschaubar: "Über 80 Prozent der Kickoffs landen hinter dem Feld, sodass es gar nicht erst zum Return kommt. Einen so weiten Schuss traue ich Harry Kane zu. Ausserdem gibt es auch Teams, bei denen der Punter (ebenfalls ein Schuss-Spezialist, Anm. d. Red.) die Kickoffs übernimmt."
Insgesamt hält Kleinmann einen späteren Berufswechsel des englischen Stürmers für möglich: "Er hat einen guten Schuss und ist ja auch kein kleiner Fussballer, da steckt ein kräftiger Körper hinter dem Wumms im Bein. Ich könnte mir das gut vorstellen."
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Football-Trikot von Kane wäre in England wohl ein Verkaufsschlager
Hinzu kommt, dass auch die NFL im Rahmen ihrer Internationalisierung Interesse daran haben dürfte, einen englischen Mega-Star wie Kane in die USA zu locken.
"Das war ja auch der Grund dafür, warum früher Spieler wie Burgsmüller, Anderbrügge oder Axel Kruse in der NFL Europe spielten. Das hatte marketingtechnische Gründe", erklärt Kleinmann. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass ein NFL-Trikot von Harry Kane in England sehr gut verkauft werden würde."
Verwendete Quellen:
- Interview mit Ralf Kleinmann, ehemaliger deutscher Footballspieler
- Sports Illustraded (2/2024): This is Harry
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