Hat der FC Bayern München mehr als 50 Millionen Euro für einen Spieler bezahlt, den der Verein überhaupt nicht brauchen kann? Joao Palhinha scheint über die Rolle eines Ergänzungsspielers nicht hinauszukommen. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern.

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Vom Charakter her ist Joao Palhinha kein Spieler, der sich in den Vordergrund drängt. Dies zeigte sich gleich am ersten Spieltag der Bundesliga-Saison, als er die kompletten 90 Minuten gegen den VfL Wolfsburg auf der Bank sass und dennoch den späten Siegtreffer durch Serge Gnabry euphorisch bejubelte.

"Das ist meine Mentalität. In so einem Moment spielt es keine Rolle, ob ich spiele oder draussen sitze. Wir sind ein Team", sagt er in einem aktuellen Interview auf "fcbayern.com".

Als unsere Redaktion ihn im September darauf ansprach, ob er wegen der mangelnden Einsatzzeiten enttäuscht sei, blieb er ebenfalls gelassen und antwortete: "Das ist wahrscheinlich der beste Verein der Welt. Ich habe also keinen Grund, enttäuscht zu sein. Das ist ein Teil des Prozesses. Ich muss mich weiter verbessern. Aber ich vertrete hier einen sehr grossen Verein. Daher habe ich allen Grund, um stolz zu sein."

Die grosse Frage ist allerdings, ob sich die Gefühlslage bald ändert. Der defensive Mittelfeldspieler ist die Rolle des Stammspielers gewohnt. Bei seinen Ex-Vereinen FC Fulham und Sporting Lissabon war er für die Startelf gesetzt. Auch bei der Nationalmannschaft von Portugal steht Palhinha meist in der Anfangsformation. Ausgerechnet beim FC Bayern München, der für ihn im Sommer rund 52 Millionen Euro Ablöse gezahlt hat, ist die Situation eine andere.

Acht Pflichtspiele, nur einmal in der Startelf

In den bisherigen acht Pflichtspielen stand der 29-Jährige nur einmal in der Startelf – und zwar beim 6:1 gegen Holstein Kiel. Viermal wurde er eingewechselt, dreimal verbrachte er die kompletten 90 Minuten auf der Ersatzbank. Er dürfte die Hoffnung haben, dass er nach der Niederlage in der Champions League gegen Aston Villa nun für das Spiel gegen Eintracht Frankfurt (Sonntag, 17:30 Uhr) in die Startelf rotiert.

Dennoch ist es offensichtlich, dass Joshua Kimmich und Aleksandar Pavlovic im defensiven Mittelfeld für Trainer Vincent Kompany erste Wahl sind, während Palhinha maximal ein Ergänzungsspieler zu sein scheint. Max Eberl lobt, wie der Neuzugang mit seiner Situation umgeht. "Er akzeptiert alles", sagte der Sportvorstand. Er sei sich sicher, dass Palhinha noch "extrem wichtig für uns wird. Es kommen Formkrisen, es kommen Sperren. Wir brauchen Joao."

Palhinha ist davon überzeugt, seiner Mannschaft helfen zu können. "Entscheidend ist, dass man in seinem Inneren fühlt, welchen Beitrag man auf dem Platz leisten kann, um als Team erfolgreich zu sein. Jeder hat seine Aufgabe", sagt er. "Es gibt Spieler, die Chancen herausspielen und Tore schiessen, das werde ich natürlich auch versuchen. Aber man braucht auch Spieler, die verhindern, dass der Gegner ein Tor schiesst. Mein Job ist es, für die nötige Balance zu sorgen."

Vom Spielerprofil her dürfte Palhinha vor allem gegen Top-Gegner in der Champions League wertvoll sein. Trifft der FC Bayern zum Beispiel auf den FC Barcelona (23. Oktober) oder Paris Saint-Germain (26. November), könnte er mit seiner Zweikampfstärke vor der Abwehr als Abräumer dienen. Um die internationalen Top-Stars in Schach zu halten, sollte Palhinha allerdings im Spielrhythmus sein. Genau dies fehlt ihm momentan.

Matthäus und Hamann bewerten Palhinha-Transfer skeptisch

Der frühere Bayern-Spieler und heutige Sky-Experte Lothar Matthäus deutete bereits im September an, dass der Palhinha-Transfer ein Missverständnis gewesen sein könnte. "Die Verpflichtung von Palhinha kam, bevor Kompany beim FC Bayern war. Wenn Kompany schon da gewesen wäre und Palhinha noch nicht unterschrieben hätte, hätte er vielleicht keinen fünften Mittelfeldspieler auf dieser Position gebraucht."

Auch Sky-Experte Didi Hamann stellt den Transfer von Palhinha in Zweifel und schreibt in seiner Kolumne auf "sport.sky.de": "Wenn man so einen Mann vor der Saison holt, dann gehe ich davon aus, dass er ein Teil der Achse ist. Davon ist er im Moment weit entfernt. Er hat aktuell keine Möglichkeit, ein Teil der Achse zu werden, weil er nicht spielt."

Die internen Konkurrenten wären im Vorteil, denn man dürfe nicht vergessen, "dass Joshua Kimmich jetzt der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft ist und es im Moment ordentlich macht. Und die Bayern haben mit Aleksandar Pavlovic einen der besten jungen zentralen Mittelfeldspieler Europas im Kader. Er ist der Spieler, der in München hoffentlich die nächsten acht oder zehn Jahre spielen wird. Die Konkurrenz ist also gross."

Daher stelle sich laut Hamann die Frage: "Hätte man Palhinha überhaupt holen müssen?"

Palhinha will "ein grosser Spieler für diesen Verein werden"

Ebenfalls fraglich ist, wie Palhinha mit dieser Situation dauerhaft umgehen würde. Zunächst sieht er sich selber noch in der Bringschuld. "Bayern wollte mich zweimal verpflichten, und jetzt ist es an mir, Verantwortung für den Verein zu übernehmen, ein grosser Spieler für diesen Verein zu werden", sagt er.

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"Ich mache mir keine Gedanken darüber, wie viel Geld der Club für mich ausgegeben hat oder welche Erwartungen sich daraus ergeben. Mein Fokus liegt darauf, was ich auf dem Platz leisten kann. Ich bin jetzt hier und werde alles geben, in jedem Training, in jedem Spiel. So habe ich das in meiner Karriere immer gehalten."

Palhinha wäre nicht der erste Spieler beim FC Bayern, der viel Geld gekostet hat und sich trotzdem nie dauerhaft durchsetzen kann. Corentin Tolisso (41,5 Millionen Euro Ablöse), Sadio Mane (32 Millionen Euro) oder Medhi Benatia (28 Millionen Euro) sind weitere Beispiele gewesen.

Palhinha wäre allerdings das teuerste Missverständnis, sollte sich an seiner Situation dauerhaft nichts ändern.

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