Der FC Bayern München hat den kleinsten Kader der Bundesliga. Thomas Tuchel bezeichnet dies als ein Problem. Seine Vorgesetzten Jan-Christian Dreesen und Herbert Hainer sehen das offenbar anders. Die Experten Stefan Effenberg und Lothar Matthäus haben eine klare Meinung zu der Unstimmigkeit.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Oliver Jensen sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der FC Bayern gab auf dem Transfermarkt ein unglückliches Bild ab. Die Verteidiger Benjamin Pavard (Inter Mailand) und Josip Stanisic (Bayer Leverkusen, Leihe) wurden kurz vor Transferschluss ebenso abgegeben wie Mittelfeldspieler Ryan Gravenberch (FC Liverpool).

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Es gelang allerdings nicht, passenden Ersatz zu verpflichten. Der Transfer von Mittelfeldspieler Joao Palhinha (FC Fulham) scheiterte in den letzten Minuten. Auch ein neuer Verteidiger kam nicht hinzu. Die Folge: Der FC Bayern hat mit lediglich 23 Spielern den kleinsten Kader der Bundesliga. Abwehr-Talent Tarek Buchmann und insgesamt vier Torhüter sind hier bereits miteingerechnet.

Zum Vergleich: Der potenzielle Meisterschaftskonkurrent Borussia Dortmund hat 30 Spieler im Kader.

Thomas Tuchel hat zu wenig Verteidiger: "Das ist auf Kante genäht"

Trainer Thomas Tuchel macht kein Geheimnis daraus, wie sehr ihn der personelle Engpass in einigen Mannschaftsteilen stört. "Ich zweifele nicht an der Leistungsfähigkeit des Kaders. Aber wir haben mit Benjamin Pavard jemanden verloren, der zwei Positionen spielen kann. Das können wir für ein Spiel auffangen, aber das zieht ein paar Konsequenzen nach sich. Wir haben im Moment sechs gelernte Defensivspieler für eine Viererkette. Das ist auf Kante genäht", sagte er bei "Sky".

Ähnlich problematisch ist die Situation im defensiven Mittelfeld, weil in Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Konrad Laimer lediglich drei Spieler für zwei Positionen zur Verfügung stehen. Linksverteidiger Raphael Guerreiro könnte zwar ebenfalls im Zentrum agieren, ist aber nach seinem Muskelbündelriss noch nicht wieder einsatzfähig. Zudem würde er als Option in der Defensive fehlen, wenn er im Zentrum spielt.

Weitere Verletzungsprobleme, die bei der Mehrfachbelastung mit Champions League und DFB-Pokal durchaus auftreten könnten, wären kaum zu kompensieren. "Wir brauchen Glück", sagt Tuchel.

Dreesen fordert von Tuchel: "Er muss jetzt kreativer sein"

Vereinsboss Jan-Christian Dreesen sieht die Situation offenbar weniger dramatisch und sagte bei "Sky" in Richtung Tuchel: "Er muss jetzt etwas kreativer sein. Das ist sein Job." Der Vorstandsvorsitzende erinnerte daran, "dass wir oftmals in diesen Situationen bei Verletzungen oder Nicht-Anwesenheit von Spielern auch schon grosse Talente hervorgebracht haben. Alphonso Davies ist ein Beispiel, als David Alaba verletzt war. Vielleicht ist es auch eine Chance für junge Talente."

Auch Präsident Herbert Hainer sieht offenbar kein grosses Problem. Im "Sport1 Doppelpass" erklärte er: "Natürlich ist es ideal, auf jeder Position zwei oder drei Spieler zu haben. Aber Klasse ist besser als Masse. Wir wollten auf keinen Fall wieder jemanden kaufen, der nur ein Backup ist. Wir wollten nur Spieler kaufen, die uns wirklich weiterbringen."

Zudem würden die Abgänge laut Hainer nicht gross fehlen: "Marcel Sabitzer hat nicht für uns gespielt und war in den letzten sechs Monaten ausgeliehen. Sadio Mane hat nicht viel gespielt. Und Lucas Hernandez war sehr häufig verletzt. Wir hatten (in der vergangenen Saison) zwar die Anzahl der Spieler, aber sie hatten nicht die Minuten auf dem Platz."

Effenberg sieht eine Gefahr, Matthäus kritisiert Aussendarstellung

Ex-Bayern-Spieler Stefan Effenberg hingegen kann die Sorgen von Tuchel nachvollziehen und sagte in derselben Sendung: "Du hast bis Weihnachten elf englische Wochen. Dazu kommen zwei Abstellperioden für die Nationalmannschaft. Das ist eine extrem hohe Belastung und hat immer die Gefahr, dass ein Spieler verletzt wiederkommt oder nicht die Fitness hat."

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Sky-Experte Lothar Matthäus sieht das ähnlich. "Der Bayern-Trainer hat 16, 17 Spieler, auf die er sich absolut verlassen kann. Aber wenn die Belastung grösser wird, die englischen Wochen kommen, die Gegner stärker sind, kann Tuchel nicht so rotieren oder einen Konkurrenzkampf entfachen, wie er ihn für die ganz grossen Ziele gerne hätte", schreibt der frühere Bayern-Spieler in seiner Sky-Kolumne.

Doch nicht nur die Kadergrösse sei ein Problem, sondern auch die Unstimmigkeit innerhalb des Vereins. Matthäus kritisiert, "dass die Bayern diese Diskussion wieder mal öffentlich austragen. Woche für Woche äusserten sich der Trainer, der Vorstandsvorsitzende, Uli Hoeness oder die Spieler zu diesem Thema."

Matthäus sieht hier einen Fehler des Vereins: "In jeder Pressekonferenz wurde das Thema ewig zugelassen, weil vom Verein kein Punkt gesetzt wurde. Das diskutiert man intern und verrät nach aussen, dass man zufrieden sei, aber die Augen weiter aufhält. Fertig. Das war zu viel."

Verwendete Quellen:

  • Sport 1 Doppelpass (03.09.2023)
  • sport.sky.de: Matthäus kritisiert Bayerns Umgang mit "Holding Six" & Goretzka
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