Die Zeit von Marco Neppe beim FC Bayern neigt sich dem Ende entgegen. Es ist ein Abschied, der sich bereits seit Monaten abgezeichnet hat. Die Gründe für das Neppe-Aus in München.

Eine Analyse
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In seiner knapp zehnjährigen Zeit beim FC Bayern hielt sich Marco Neppe stets bedeckt und im Hintergrund, auch Interviews gab der "Schattenmann" nur selten. Der Technische Direktor des deutschen Rekordmeisters überliess lieber anderen Entscheidungsträgern die grosse Bühne.

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Dabei war Neppe massgeblich am Erfolg des Vereins in den vergangenen Jahren beteiligt. Denn oft war es der 37-Jährige, der als Kaderplaner für erfolgreich getätigte Transfers verantwortlich war.

Neppe-Vertrag beim FC Bayern soll aufgelöst werden

Doch das ist Vergangenheit. Neppe, der 2014 vom damaligen Technischen Direktor Michael Reschke nach München gelotst wurde, steht vor seinem Abschied beim FC Bayern. Wie "Sport Bild" und "Sky" übereinstimmend berichten, sollen sich beide Seiten auf eine Auflösung des Vertrags geeinigt haben.

Offiziell ist das Neppe-Aus zwar noch nicht, die Entwicklung war jedoch bereits seit Monaten abzusehen. Denn spätestens nach der Trennung von Sportvorstand Hasan Salihamidzic im vergangenen Mai war klar, dass es früher oder später auch den engen Brazzo-Vertrauten Neppe treffen würde.

Neppe half beim Kane-Transfer entscheidend mit

Direkt vom 37-Jährigen trennen konnten (oder wollten) sich die Verantwortlichen an der Säbener Strasse allerdings nicht. Dafür war Neppe, der auch Teil der neu gegründeten Transfer-Taskforce war, noch zu sehr in die laufenden Transferverhandlungen eingebunden. So war es der Technische Direktor, der im Sommer letztendlich entscheidend dabei mitgeholfen hatte, die Transfers von Stürmerstar Harry Kane und Abwehrchef Min-jae Kim einzutüten.

Marco Neppe (l.) und Hasan Salihamidzic
Marco Neppe (l.) und Hasan Salihamidzic waren beim FC Bayern enge Vertraute. © IMAGO/ULMER Pressebildagentur

Doch mit der Zeit nahm Neppes Einfluss im Bayern-Kosmos ab. Und spätestens seit September, als Christoph Freund als neuer Sportdirektor beim Rekordmeister anfing, soll Neppe in Sachen Transfers nur noch eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Beim Winter-Transfer von Eric Dier war der 37-Jährige demnach überhaupt nicht mehr beteiligt, vielmehr war es Freund alleine, der den Deal abwickelte.

Stattdessen beschränkte sich Neppes Aufgabengebiet seit Freunds Beginn beim FC Bayern vielmehr auf das Scouting - die Aufgabe, mit der er einst in München startete.

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Bericht: Bruch zwischen Neppe und Bossen wegen Spieler

Einem "Sky"-Bericht zufolge soll Neppe zu einigen der Bayern-Granden auch nicht mehr das beste Verhältnis haben. Vor allem Bayern-Patron Uli Hoeness und Ex-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge sollen dem 37-Jährigen teils kritisch gegenüberstehen.

Dem Bericht zufolge soll die Personalie Josip Stanisic im vergangenen Sommer für einen Bruch zwischen Neppe und der Bayern-Führung gesorgt haben. Neppe sprach sich gegen eine Freigabe des Verteidigers aus, einige Mitglieder des Transferausschusses um Hoeness, Rummenigge, Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen und Trainer Thomas Tuchel sahen das allerdings anders.

Das Ende ist bekannt: Stanisic wurde an Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen verliehen, ein adäquater Ersatz in der Verteidigung konnte im Sommer nicht mehr verpflichtet werden, wodurch sich die Personalprobleme in der Münchner Abwehr verstärkten.

Neppe geht - und Eberl soll kommen

Für Neppe scheint beim FC Bayern kein Platz mehr zu sein. Die Lage verschärft sich in wenigen Wochen zusätzlich, wenn Max Eberl als Sportvorstand in München anfangen soll. Es sind Eberl und Freund, die in Zukunft die sportliche Richtung beim Rekordmeister bestimmen sollen.

Marco Neppe, Joshua Kimmich und Leon Goretzka.
Marco Neppe (M.) und Joshua Kimmich (l.) sollen ein gutes Verhältnis haben. Auch mit Leon Goretzka soll sich Bayerns Kaderplaner gut verstehen. © IMAGO/Langer

In seiner Zeit beim FC Bayern war Neppe der Mann für etliche Top-Transfers: So half er in seiner Anfangszeit dabei mit, Joshua Kimmich nach München zu holen. Mit dem Mittelfeld-Star pflegt der 37-Jährige ein sehr enges Verhältnis, Kimmich dürfte über das kommende Neppe-Aus also wohl eher weniger erfreut sein.

Daneben waren es auch Reschke und Neppe, die Kingsley Coman 2015 zunächst ausgeliehen hatten und später fest verpflichteten. In München entwickelte sich der Franzose mit den Jahren zu einem der Topstars des Klubs.

Neppe holte Musiala und Davies nach München

Ebenfalls auf Neppes Konto geht unter anderem die Verpflichtung von Jamal Musiala, der 2019 für 200.000 Euro Ablöse von der Chelsea-Jugend in den Bayern-Nachwuchs wechselte. Zudem ist Musiala-Kumpel Alphonso Davies ein "Neppe-Transfer": Im Januar 2019 wechselte der bis dahin weitgehend unbekannte Kanadier zum FC Bayern, wo er sich schnell zum Leistungsträger und Stammspieler entwickelte.

Doch Neppe musste in Sachen Transfers auch einige Misserfolge hinnehmen. So war er die treibende Kraft bei den Wechseln von beispielsweise Marc Roca, Omar Richards oder auch Daley Blind, die allesamt wenig erfolgreich waren.

Zieht es Neppe nun in die Premier League?

Die Bilanz zeigt dennoch: Mit Neppe verlieren die Bayern einen Kaderplaner mit grosser Kompetenz. Wie sich das neu zusammengestellte Team aus Freund und Eberl auf dem Transfermarkt schlagen wird, wird sich erst noch zeigen - zum ersten Mal wohl im kommenden Sommer.

Neppe jedenfalls ist weiterhin gefragt, Berichten zufolge soll Tottenham bereits Interesse an den Diensten des unaufgeregten "Schattenmanns" haben. Die grosse Bühne würde er aber wohl auch dort anderen überlassen.

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