Niklas Süle greift nach zwei durchwachsenen Jahren im Klub und in der Nationalelf wieder an. Förderer Nagelsmann sieht sogar noch deutlich mehr Potential.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
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Ein Mann grosser Worte ist er nicht. Niklas Süle lässt Taten sprechen. Kompromisslos, robust, schnell, dominant. In seinen besten Momenten vereint Süle viel, was einen modernen Verteidiger ausmacht. Lange hatte man das vermisst. Nicht nur beim FC Bayern, sondern auch bei der Nationalelf.

Nach seinem Kreuzbandriss im Oktober 2019 brauchte der frühere Hoffenheimer eine Zeit, um wieder in absolute Topform zu kommen. Für gross gewachsene, muskulöse Spieler wie ihn ist es auf dem Platz immer ein schmaler Grat zwischen wuchtig und schwerfällig. Viel ist deshalb diskutiert worden in München über angebliches Übergewicht oder fehlende Fitness. Nicht immer war das fair. Süle selbst hat sich auch öffentlich immer dagegen gewehrt.

Zwei durchwachsene Jahre beim FC Bayern und im DFB-Team

Fakt ist: Auf 29 Startelfeinsätze in der Bundesligasaison 2018/2019 folgten gerade einmal 22 in den beiden darauffolgenden Jahren. Der unangefochtene Stammplatz war erst einmal weg.

Auch in der Nationalelf musste sich Süle zuletzt bei der EM hinten anstellen. Die Umstellung auf Dreierkette kam seinem Spiel nicht undbedingt entgegen. Eine bis dato ziemlich linear verlaufene Karriere hat so trotz riesiger Erfolge inklusive Champions-League-Titel unter Hansi Flick den ersten leichten Knick bekommen.

Nun geht es jedoch sichtbar wieder bergauf. Mit Julian Nagelsmann steht ein Förderer aus früheren Hoffenheimer Zeiten an der Seitenlinie, der ganz offensichtlich weiss, wie man Süle zu packen bekommt. Nagelsmann hatte grossen Anteil daran, dass schon in der Jugend aus dem früheren 10er zunächst ein 6er und schliesslich ein Innenverteidiger wurde. "Ein Spieler muss, wenn er aufsteht, die Entscheidung treffen: 'Will ich heute ins Bett gehen und besser sein als heute früh, als ich aufgestanden bin?' Und diese Entscheidung hat er in den letzten Wochen richtig getroffen", sagte Nagelsmann kürzlich vielsagend über Süle und prophezeite zudem, dass dieser - wenn alles normal läuft - in drei, vier Monaten nicht mehr wiederzuerkennen sein wird. Im positivsten Sinne.

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Süle soll mehr Spielmacher-Qualitäten zeigen

Vor allem mit dem Ball hat Süle noch viel mehr Potential. Mit David Alaba und Jerome Boateng haben zwei Spieler den FC Bayern verlassen, die in den vergangenen Jahren enorme Anteil am Spielaufbau hatten. Alaba mit seinen vertikalen Flachpässen und unterstützenden Läufen aus der Tiefe. Und Boateng mit seinem bekannten langen Diagonalball auf den linken Flügel. Beides Stilelemente, die derzeit fehlen.

Verteidigerkollege Dayot Upamecano hat zwar einen ordentlichen Start in München hingelegt, ist mit dem Ball aber noch kein Spielmachertyp. Lucas Hernandez kann das schon eher, muss aber weiter erst seinen Rhythmus finden. Eine Lücke also, in die Süle durchaus stossen kann.

Nagelsmann vertraute ihm zuletzt auch auf der spielintensiveren Rechtsverteidiger-Position. Gegen Frankfurt am Wochenende war Süle der stärkste in der Kette. Dass Nagelsmann ihn vorzeitig vom Feld nahm und nicht den an diesem Abend wackeligen Upamecano, rächte sich wenig später mit dem entscheidenden Gegentreffer durch Frankfurts Filip Kostic.

Wie geht es 2022 für Süle weiter?

Auch bei DFB-Coach Hansi Flick steht Süle inzwischen wieder hoch im Kurs. Zusammen mit dem zuletzt enorm verbesserten Antonio Rüdiger bildet er in der laufenden WM-Qualifikation ein für gegnerische Abwehrreihen ziemlich furchteinflössendes, weil kompromissloses Duo. Null Gegentore gegen zugegeben deutlich unterlegene Gegner aus Island, Armenien und Liechtenstein waren ein vielversprechender Auftakt. Diese Serie wollen die beiden nun gegen Rumänien und Nordmazedonien fortsetzen.

Süle ist also wieder wichtig. Bei Flick und erst recht bei Nagelsmann. Und trotzdem ist es unklar, wie es nach dem kommenden Sommer 2022 weitergeht, wenn sein Vertrag beim FC Bayern ausläuft. Mit den Vertragsverlängerungen von Joshua Kimmich und Leon Goretzka hat der FC Bayern Schlüsselpositionen langfristig besetzt. Beide sollen den Klub in eine Zeit nach Manuel Neuer, Thomas Müller und Robert Lewandowski führen. Einen solchen Stellenwert hat Süle nicht. Spielt er weiter wie in den letzten Wochen, hat er jedes Recht, ein zweistelliges Millionengehalt pro Jahr zu fordern. Das entspricht dann seinem Marktwert. Ob der FC Bayern auch bereit ist, diesen Preis zu zahlen, bleibt abzuwarten.

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Chelsea-Star Antonio Rüdiger wurde zuletzt mit einem möglichen Wechsel zum FC Bayern in Verbindung gebracht. Nimmt sein Zusammenspiel mit Niklas Süle im DFB-Team dabei eine Rolle ein? Vorschaubild: imago images/NurPhoto/Giuseppe Maffia © ProSiebenSat.1

Mit Upamecano und Hernandez stehen in der Abwehr bereits Grossverdiener unter Vertrag. Gerüchte um ein Münchner Interesse an Süles Nationalmannschaftskollegen Rüdiger und Matthias Ginter halten sich hartnäckig. Und da wäre ja auch noch Weltmeister Benjamin Pavard, der schon so lange auf der rechten Abwehrseite aushilft, dass mancher bereits vergessen haben mag, dass er eigentlich durchaus auch im Zentrum zu Hause ist.

Süle kann sich die Situation derzeit recht entspannt anschauen. Mit Trainer Nagelsmann hat er beim FC Bayern einen grossen Fürsprecher an seiner Seite. Und so lange kann er sich auf das konzentrieren, was ihm am meisten liegt. Die ehrliche Arbeit auf dem Platz. Der Rest kommt dann ganz von alleine.

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