Der FC Bayern hat offenbar sein Vertragsangebot an Joshua Kimmich zurückgezogen, weil dieser zu lange mit der Unterschrift gezögert hat. Der straffe Kurs mag für den Rekordmeister ungewöhnlich wirken. Aber er handelt richtig.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Wenn stimmt, was die Öffentlichkeit scheibchenweise erfährt, dann wird Joshua Kimmich den FC Bayern verlassen. Der Verein hat, so das Gerücht, das Angebot zur Vertragsverlängerung zurückgezogen, weil ihm die zögerliche Haltung seines Nationalspielers auf den Geist gegangen ist.

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Joshua Kimmichs aktueller Arbeitsvertrag läuft bis zum 30. Juni 2025. Das heisst: Mitten in der Klub-WM in den USA wäre er weg. Wie sich das anfühlt, erleben die Bayern-Fans heute Abend: Ihr Mittelfeldspieler fehlt wegen einer Verletzung im Auswärtsspiel bei Vizemeister VfB Stuttgart.

Optimisten sagen: Dieser formale Akt, das neue Vertragsangebot nicht mehr aufrechtzuerhalten, gehört zum Pokerspiel eines modernen Managements. Pessimisten sind meistens Historiker und wissen: Einen ähnlichen Fall gab’s schon einmal beim FC Bayern in den Nuller Jahren mit Michael Ballack.

Auch er wollte das Maximale aus dem Klub quetschen und musste seine Grenzen erkennen: Die Bayern machten ihm klar, dass niemand grösser als der Verein ist. Ballack wechselte 2006 ablösefrei zum FC Chelsea. Internationalen Erfolg feierte er nie, Bayern erholte sich irgendwann von seinem Abgang.

In einem Punkt irrt sich Kimmich

Jetzt Kimmich. Er wird sich seine Gedanken gemacht haben, dass Jamal Musiala und Alphonso Davies Superverträge bis 2030 erhalten haben, und wollte beim Gehalt auf Augenhöhe bleiben. Er hat ja auch eine gute bis hervorragende Stellung im Team. Aber in einem Punkt irrt er gewaltig.

Musiala und Davies sind 22 bzw. 24 Jahre alt. Wenn sie ihren Vertrag vorzeitig beenden, wird ihr neuer Verein eine gewaltige Ablösesumme zu zahlen haben. Kimmich dagegen ist schon 30. Sein Wiederverkaufswert sinkt mit jedem Vertragsjahr. Bayern kann keine Geschäfte mehr mit ihm machen.

Kimmich spürt jetzt, wie man das aktuelle Lamentieren über zu hohe Gehälter beim FC Bayern zu interpretieren hat: Aufsichtsratsmitglied Karl-Heinz Rummenigge will Schadensbegrenzung bei der Lohnexplosion und Kimmich ist nicht der erste Bayern-Profi, der Zugeständnisse beim Geld machen sollte.

Gut, dass der FC Bayern etwas gegen den Gehälterwahnsinn tut

Auch sein Kapitän Manuel Neuer, schon 38, bekommt nur noch Jahresverträge und spielt quasi auf Abruf. Seinem Weltmeister Thomas Müller machte zuletzt Klub-Patriarch Uli Hoeness klar: Als Ersatzmann bist du zu teuer. Da schwingt unmelancholisch mit: Suche dir einen neuen Job! Mach' was anderes!

Der straffe Kurs mag für den Rekordmeister ungewöhnlich wirken. Er selbst hat ja die Preise mit seiner jahrelangen Kaufwut kaputt gemacht, zumindest in Deutschland. Das ändert aber nichts daran: Der Gehälterwahnsinn im Spitzenfussball muss ein Ende haben. Nur gut, dass die Bayern anfangen.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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