Nach Xabi Alonso und Julian Nagelsmann kassiert der FC Bayern nun auch von Ralf Rangnick eine Absage. Die Kandidatenliste von Sportvorstand Max Eberl wird immer kürzer. Es stellt sich die Frage: Warum will niemand zu Bayern?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Schleicher sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Nachricht kam am Donnerstagmorgen überraschend: Ralf Rangnick bleibt Trainer der österreichischen Nationalmannschaft – und sagt damit gleichzeitig dem FC Bayern ab.

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Ralf Rangnick
Der FC Bayern wollte Ralf Rangnick als Tuchel-Nachfolger, der bleibt jedoch lieber Coach der österreichischen Nationalmannschaft. © IMAGO/Ulrich Hufnagel

Überraschend deshalb, weil in den vergangenen Tagen vieles darauf hindeutete, dass Rangnick der Nachfolger von Thomas Tuchel werden würde. Vereinspräsident Herbert Hainer zeigte sich am Dienstagabend nach dem 2:2 gegen Real Madrid durchaus optimistisch: "Wir sind mit Ralf in guten Gesprächen", sagte Hainer da unter anderem in der Mixed Zone.

Doch daraus wird jetzt nichts – die Rangnick-Absage ist der nächste Trainer-Korb, den der deutsche Rekordmeister kassiert. Bereits zuvor sagte Wunschkandidat Xabi Alonso ab, der lieber bei Meister Bayer Leverkusen bleibt. Danach scheiterte eine Rückholaktion von Julian Nagelsmann. Der Bundestrainer verlängerte seinen Vertrag beim Deutschen Fussball-Bund (DFB) bis 2026.

Ex-Profis haben Verständnis für Rangnicks Absage

"Das ist vielleicht die Absage, die Bayern München am meisten wehtut", bemerkte Ex-Bayern-Star Lothar Matthäus gegenüber der "Bild"-Zeitung zur Entscheidung Rangnicks.

Sky-Kolumnist Didi Hamann äusserte sein Verständnis für den Schwaben: "Ich verstehe ihn, denn er hätte in Österreich viel aufgegeben." Und Hamanns einstiger Teamkollege Markus Babbel sagte ebenfalls bei Sky: "Ich hätte mich eher gewundert, wenn er es gemacht hätte. Er passt ja eigentlich nicht zum FC Bayern."

Wer aber passt? Die Kandidatenliste von Sportvorstand Max Eberl wird kürzer und kürzer. Und so langsam stellt sich die Frage: Warum will niemand (mehr) zum FC Bayern? Eine Ursachensuche:

Unruhe im Verein und öffentliche Streitereien

Die ruhigen Zeiten an der Säbener Strasse sind vorbei, zuletzt präsentierte sich der deutsche Rekordmeister wieder in altbekannter "FC Hollywood"-Manier. Immer wieder standen Nebenkriegsschauplätze im Fokus, das Spiel auf dem Fussballplatz rückte dabei vermehrt in den Hintergrund.

Jüngstes Beispiel: Der öffentlich ausgetragene Zoff zwischen Trainer Tuchel und Ehrenpräsident Uli Hoeness, dessen Wort beim FC Bayern trotz seines Rückzugs vor einigen Jahren noch immer höchstes Gewicht hat.

Hoeness kritisierte bei einer Podiumsdiskussion der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die aus seiner Sicht mangelnde Nachwuchsarbeit Tuchels. Der wiederum konterte prompt in einem Interview vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt (2:1). Er fühle sich "ein bisschen in seiner Trainerehre verletzt", sagte ein sichtlich angefressener Tuchel, der vor allem den Zeitpunkt der Äusserungen kritisierte. Wenige Tage nach dem Vorfall spielte Bayern im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid (2:2).

Hoeness legte indes nochmal nach und kündigte im "kicker" vielsagend an, "wild entschlossen zu sein, meine Meinung wieder deutlicher zu machen". Öffentlich ausgetragene Streitereien mit dem Bayern-Patron vom Tegernsee? Das dürfte so manchen Trainerkandidaten mit Sicherheit abgeschreckt haben.

Wohl auch Rangnick, bei dem "Sport1" zufolge Skepsis bezüglich der Aussendarstellung des FC Bayern geherrscht haben soll. Nachdem sich beide Seiten noch am Montag einig waren, soll der ÖFB-Trainer den Münchnern dann am Mittwochabend abgesagt, und die Bayern-Bosse damit kalt erwischt haben.

Kein gutes Gefühl: Notlösung statt Wunschkandidat

Ein recht banaler Grund, dem man angesichts der aktuellen Gemengelage dennoch Beachtung schenken sollte: Auch wenn der nächste Bayern-Trainer vom Verein gross angepriesen werden wird, bleibt er durch die Absagen von Alonso, Nagelsmann und Rangnick auf dem Papier dennoch nur mindestens die vierte Wahl.

Der neue Trainer, wer auch immer es wird, verkommt so langsam aber sicher zur Notlösung, ein sonderlich gutes Gefühl gibt das dem Tuchel-Nachfolger wohl nicht.

Hier hat sich die Bayern-Führung möglicherweise selbst ein Bein gestellt. Denn durch die öffentlich getätigten Aussagen in Bezug auf die Wunschkandidaten haben sich die Bosse – wie man nun sieht – keinen Gefallen getan.

Schlechte Kombination: Grosser Druck – und kaum Zeit

Der Champions-League-Titel ist in dieser Saison noch möglich, ob es für die Münchner ins Finale von Wembley geht, wird sich am kommenden Mittwoch in Madrid im Halbfinal-Rückspiel zeigen.

Meisterschaft und DFB-Pokal sind jedoch dahin: Leverkusen krönte sich bereits am 29. Spieltag zum Deutschen Meister, so gross ist der Punktevorsprung auf den FC Bayern inzwischen angewachsen. Und im Pokal war nach einer blamablen Vorstellung gegen Saarbrücken bereits in der zweiten Runde Schluss.

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Der Druck für den Tuchel-Nachfolger wird damit nicht geringer, im Gegenteil. Meistertitel und Pokalsieg sind ohnehin der Anspruch des FC Bayern – und das in jeder Saison. Durch die vergeigten Titel in dieser Spielzeit steigt der Druck nochmal gewaltig an.

Gleichzeitig bekommt man als Trainer des FC Bayern verhältnismässig wenig Zeit, um das eigene Spielkonzept durchzusetzen und möglicherweise sogar etwas Neues zu entwickeln. Stattdessen steht schnell eine Trennung im Raum, wenn es mal nicht optimal laufen sollte.

Das machte die jüngere Vergangenheit mehr als deutlich: Nagelsmann beispielsweise wurde im März 2023 entlassen – und das, obwohl er mit seiner Mannschaft noch in allen drei Wettbewerben vertreten war.

Grosser Druck bei gleichzeitig sehr wenig Zeit: Eine Kombination, auf die sich möglicherweise nicht jeder Trainer einlassen möchte.

Schlechtes Timing bei der Trainersuche

Was auch zur Wahrheit gehört: Bei der aktuellen Trainersuche der Bayern stimmte das Timing häufig nicht – völlig unabhängig von möglichen Störfaktoren im Verein.

Für die 1A-Lösung Alonso wäre ein Engagement in München möglicherweise noch etwas zu früh gekommen. Zumindest lässt sich seine Entscheidung, noch mindestens eine Saison in Leverkusen zu bleiben, so interpretieren. Der Spanier möchte nichts überstürzen und seine Trainerkarriere Schritt für Schritt vorantreiben. Eine Entscheidung, die sich für ihn am Ende positiv auswirken könnte – für den FC Bayern in diesem Sommer jedoch zum grossen Nachteil wird.

Noch schlechter ist das Timing wohl bei Nagelsmann und Rangnick, die aktuell beide Trainer einer Nationalmannschaft sind. Wäre einer der beiden Bayern-Coach geworden, hätte es eine Doppelaufgabe gegeben: Denn neben der im Juni startenden Fussball-EM in Deutschland hätte gleichzeitig auch der gross angekündigte Umbruch beim FC Bayern vorangetrieben werden müssen.

Ein Szenario, bei dem Nagelsmann bzw. Rangnick wohl nur hätten verlieren können. Denn beide Aufgaben gleichwertig zu erfüllen, scheint angesichts der Grösse und Wichtigkeit ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

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