• Als der Macher des FC Bayern München gilt landauf, landab Uli Hoeness.
  • Dies ist aber nur die halbe Wahrheit, jene seit 1979.
  • Damals wurde Hoeness Manager des FC Bayern. Nach München geholt aber hat ihn seinerzeit Robert Schwan.
  • Schwan machte als einer der ersten Manager der Bundesliga-Geschichte aus dem FC Bayern einen Weltverein und eine Marke.

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Fussballfans, selbst jene des FC Bayern München, sind überfragt, wenn es um die Frage geht: Wer war eigentlich der Vorgänger von Uli Hoeness auf dem Posten des Managers? Er hiess Robert Schwan, geboren am 20. November 1921 in Würzburg.

Die Ära des einstigen Versicherungsdirektors an der Säbener Strasse dauerte von 1964 bis 1977. Sie steht für den Aufstieg des Klubs in die Bundesliga, zum Weltverein und zum Gerippe der Weltmeistermannschaft von 1974. Sie steht über die Grenzen der Stadt und des Freistaats hinaus aber auch für eine bis dahin in der jungen Bundesliga nicht gekannte Dimension der Vermarktung des Fussballs und seiner Stars.

In seinem Buch "Gute Freunde - Die wahre Geschichte des FC Bayern München" formulierte es Thomas Hüetlin 2006 wie folgt: "Mit Maier, Beckenbauer und Müller hatte Neudecker (Wilhelm, seit 1962 Präsident des FC Bayern München, Anm. d. Red.) das Gerüst der goldenen Mannschaft des FC Bayern geschaffen. Was er jetzt brauchte, war ein Mann, der das Fussballgeschäft modernisierte. Einer, der den Club nicht mehr wie einen Sportverein leitete, sondern wie eine Firma." Es war Schwans Jobbeschreibung. Unter ihm verliess der FC Bayern die provinzielle Bühne.

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Robert Schwans erstes Gehalt bei den Bayern: 2.500 Euro monatlich

Am 1. August 1966, ein Jahr nach dem Aufstieg aus der damals zweitklassigen Regionalliga Süd in die Bundesliga, wurde der bis dahin ehrenamtlich für den Klub tätige Schwan dessen "hauptamtlich angestellter technischer Direktor" und somit gemeinsam mit seinem Kollegen Helmut Grashoff vom Mit-Aufsteiger Borussia Mönchengladbach der erste Manager eines Bundesligaklubs. Schwans erstes Monatsgehalt: 5.000 DM, umgerechnet etwa 2.500 Euro.

In der Folge bewies Schwan, wie Hüetlin schreibt, den "Instinkt dafür, dass ein Spektakel, welches Tausende von Zuschauern in einem Stadion in Raserei versetzte, eine grossartige Geldvermehrungsmaschine sein könnte".

Und diese Geldvermehrung war nötig, je mehr Gehalt und Prämien die Stars der Bayern zu kassieren verlangten. Das ging gleich in Schwans erstem Jahr als fest angestellter Manager los. "Die Prämien für die Pokalsiege 1966 und 1967 und den Triumph im Europacup rissen grosse Lücken in den Etat des Vereins, der ohnehin fast ständig ums Überleben kämpfte", schilderte 2019 Hans Woller in seinem Buch "Gerd Müller - oder Wie das grosse Geld in den Fussball kam".

Um den Betrieb am Laufen zu halten, reichten die Einnahmen aus den Heimspielen - damals noch die Haupteinnahmequelle der Klubs - nicht aus. Die Mannschaft des FC Bayern musste pro Saison immer mehr sogenannter Privatspiele abreissen, also Freundschaftsspiele. Deren Zahl stieg Anfang der 70er Jahre für die Stammkräfte auf mehr als 100. Nach dem WM-Titel für sieben Bayern-Spieler im eigenen Land stieg zur Saison 1974/75 die Antrittsgage des Klubs auf 100.000 Mark (umgerechnet cirka 50.000 Euro) pro Partie.

Die Tingelei über die Dörfer, gerne direkt am Tag nach Auftritten in der Bundesliga, schlauchte. Seitens der ausgelaugten Spieler stieg die Wut auf den Manager, der ob seiner Macht und seines wachsenden Einflusses jedem unter ihm arbeitenden Bayern-Trainer auch in die Aufstellung hineinredete.

Zudem war dem internen Frieden auch die Konstellation nicht zuträglich, dass Schwan neben dem Ruhm des FC Bayern auch jenen des Ausnahmespielers Franz Beckenbauer mehrte. Dieser war aber nur durch lukrative Nebeneinkünfte davon abzuhalten, einer Offerte aus dem zahlungskräftigen Ausland (Italien, Spanien) zu erliegen und seine Heimatstadt zu verlassen.

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Schwan holt für Beckenbauer 50.000 Euro fürs Frisieren heraus

Als Beckenbauers Stern während der WM 1966 auch international zu leuchten begann, klopfte ein Hersteller für Frisiercreme bei dem Jungstar an. Er sollte für einen Werbevertrag 1.000 DM, umgerechnet ungefähr 500 Euro, bekommen. Beckenbauer wollte bereits unterschreiben, ging mit dem Angebot aber zu Schwan. Dem verschlug es beinahe die Sprache. Schwan forderte das Hundertfache der angebotenen Summe für Beckenbauer - und der bekam sie.

Als Beckenbauer nach der Saison 1976/77 vor den Schlagzeilen der Boulevardpresse und seinen Steuerschulden zu Cosmos New York in die USA floh, hatte den Millionen-Deal natürlich Schwan eingefädelt - und kassierte seitens des FC Bayern seine fristlose Kündigung.

"Des 'Kaisers' Aufstieg zur hoch dotierten Marke und zum vielfachen Millionär", schrieb Woller, "war sein (Schwans, Anm. d. Red.) Werk. Schwan zog die Werbeaufträge an Land, er handelte die Verträge aus, und er bugsierte Beckenbauer in die richtigen gesellschaftlichen Kreise".

Ohne Schwan hätte es weder den legendären Suppenauslöffler Beckenbauer noch dessen Ohrwurm "Gute Freunde kann niemand trennen" gegeben. Dieses Lied wird bis heute von den Bayern-Fans bei beinahe jedem Heimspiel angestimmt.

Bayerns Fans rufen Schwan hinterher: "Hängt ihn!"

Diese Fans aber jagten Schwan - seinen Verdiensten um den Verein zum Trotz - im April 1977 vom Hof. "Hängt ihn!", skandierten einige von ihnen anlässlich eines Trainings.

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Schwan, schreibt Hüetlin, habe es genossen, "gefürchtet zu werden. Wie es sich für einen machtbewussten Gentleman gehört, hatte er nicht einen Butler, sondern viele". Der ehemalige Obstverkäufer vom Münchner Viktualienmarkt habe junge Spieler seine Aktentasche tragen lassen, "dazu den Trenchcoat am ausgestreckten Arm, damit das gute Stück keine Falten bekam. Auch um seine Pfeife kümmerte er sich nur selten selbst".

Nach Schwans Entlassung besetzte der FC Bayern den Posten des technischen Direktors oder Managers zwei Jahre lang nicht. Dann trat in der Endphase der Saison 1978/79 der erst 27-jährige Hoeness seinen Dienst an.

Zu diesem Zeitpunkt lag die letzte Meisterschaft des FC Bayern fünf Jahre zurück, eine heutzutage nicht mehr vorstellbare Durststrecke. Kurz nach Hoeness' Dienstantritt mussten die Roten trotz eines 2:1-Siegs beim Hamburger SV, den damals Hoeness' ehemaliger Nationalmannschaftskollege Günter Netzer managte, dem HSV zu dessen erster Meisterschaft seit 19 Jahren gratulieren.

Zudem drückten die Bayern, deren Führung es über Jahre mit der Begleichung der Steuerlast nicht so genau genommen hatte, 3,5 Millionen DM Schulden, umgerechnet etwa 1,75 Millionen Euro. Das kam damals einem Bankrott gleich.

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Als Manager ist Hoeness bereits nach einem Jahr Deutscher Meister

Hoeness, den Schwan als 18-jähriges Riesentalent davon überzeugt hatte, aus den ihm zahlreich vorliegenden Angeboten jenes des FC Bayern zu wählen, hob schon 1980 den Klub zurück auf den nationalen Thron und begann erfolgreich dessen finanzielle Gesundung. Waghalsiges unterlässt der Klub auf dem Transfermarkt bis heute.

Nach und nach geriet Schwans Wirken hinter Hoeness' Herrschaft in Vergessenheit. Doch ohne Schwan gäbe es heute weder den FC Bayern in seiner gegenwärtigen Bedeutung und seinem Selbstverständnis noch Manager, die ihre Vereine und die Bundesliga über Zuschauereinnahmen hinaus vermarkteten.

Verwendete Quellen:

  • Havemann, Nils: Samstags um halb 4 - Die Geschichte der Bundesliga (2013)
  • Hüetlin, Thomas: Gute Freunde - Die wahre Geschichte des FC Bayern München (2006)
  • Muras Udo & Strasser, Patrick: Gerd Müller - Der Bomber der Nation (2015)
  • Woller, Hans: Gerd Müller - oder Wie das grosse Geld in den Fussball kam (2019)
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