Der FC Bayern München möchte am Samstag gegen den SV Werder Bremen (18:30 Uhr, live auf Sky) einen weiteren Schritt Richtung Meisterschaft machen, hat aber Borussia Dortmund im Nacken. Sky-Experte Didi Hamann spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Saisonendspurt, kritisiert die Arbeit von Thomas Tuchel, nimmt dafür aber Oliver Kahn in Schutz.
Herr Hamann, der FC Bayern München hat beim 2:0 gegen Hertha BSC zwar nicht überzeugt, aber den 1. Tabellenplatz zurückerobert. War das der entscheidende Schritt zur Deutschen Meisterschaft?
Wie bewerten Sie die Arbeit von Trainer
Nein, wir müssen den Trainer mit in die Verantwortung nehmen. Und bisher ist festzustellen, dass der FC Bayern nicht nur ergebnistechnisch enttäuscht, sondern auch durch die Art und Weise, wie sie Fussball spielen. Wir müssen abwarten, was in den nächsten Wochen passiert. Die Führung hat sich das mit Sicherheit anders vorgestellt.
Es bestehen grosse Zweifel daran, dass Thomas Müller unter Thomas Tuchel eine grosse Rolle spielen wird. Ich habe verstanden, dass er im Champions-League-Hinspiel gegen Manchester City nicht in der Startelf stand. Im Rückspiel, als der FC Bayern einen Drei-Tore-Rückstand aufholen musste, verstand ich das aber weniger. Dass er am vergangenen Wochenende selbst gegen den Tabellen-Letzten Hertha BSC nicht gespielt hat – obwohl man weiss, dass man 80 von 90 Minuten in der Nähe des gegnerischen Tors verbringt – verstehe ich ebenfalls nicht. Zumal man weiss, dass Müller mit seiner unorthodoxen Spielweise Tore vorbereiten und machen kann. Die Zukunft von Müller unter Tuchel dürfte schwer werden.
Laut Informationen der Sport Bild wären
Ja. Es wäre natürlich unfair, jetzt Gnabry herauszupicken und ihm vorzuwerfen, speziell er hätte sich unter Wert verkauft. Denn das haben die meisten Spieler des FC Bayern auch. Gnabry ist ein hochtalentierter Spieler und hat in den letzten Jahren immer zweistellig getroffen. Aber gelegentlich muss man frisches Blut in eine Mannschaft bringen.
Das heisst?
Die stabilsten Spieler waren zuletzt
Sie können sich also nicht vorstellen, dass Mané noch eine Zukunft beim FC Bayern hat?
Dafür sind zu viele Dinge passiert. Und um gut zu spielen, braucht man den Respekt der Mitspieler. Das muss man sich erarbeiten. Wenn man einen Mitspieler (Leroy Sané, Anm.d.Red.) nach einem Spiel tätlich angreift, einige Wochen zuvor auch den damaligen Trainer Julian Nagelsmann verbal angreift, ist es sehr schwer, so jemanden wieder in den Mannschaftsbund einzubinden. Die mannschaftliche Geschlossenheit ist sehr wichtig. Du brauchst das vielleicht nicht zwingend, um mit dem FC Bayern Deutscher Meister zu werden. Das sehen wir ja gerade. Aber du brauchst die mannschaftliche Geschlossenheit, um die grossen Mannschaften in Europa zu besiegen. Es würde mich schwer wundern, wenn Mané in der kommenden Saison noch in München ist.
Nicht nur die Spieler des FC Bayern stehen in der Kritik, sondern auch die Verantwortlichen. Gehen Sie davon aus, dass Vereinsboss
Ein Wechsel ist natürlich denkbar. Aber ich würde mir wünschen, dass man das versucht durchzuziehen. Ansonsten würde das im Umkehrschluss heissen: Wenn du nicht Meister wirst, fliegt der Vorstand! Es ist nicht selbstverständlich, dass man jedes Jahr Meister wird. Auch wenn sie natürlich die besten Voraussetzungen haben. Man muss den Leuten die Chance geben, das geradezurücken. Und eines muss ich noch zu Oliver Kahn sagen…
Bitte…
Wenn ihm vorgeworfen wird, dass er zu wenig empathisch ist und zu wenig auf die Leute zugeht, muss ich sagen: Das hat man doch vorher gewusst! So war er bereits als Spieler. Er wurde damals verehrt, weil er so gut war – und nicht, weil er so volksnah war. Du kannst dem Mann nicht vorwerfen, dass er im Alter von 53 Jahren nun keine Kehrtwende mehr macht. Daher verstehe ich die Vorwürfe nicht.
Zurück zum Meisterschaftskampf: Der Verfolger Borussia Dortmund hat am vergangenen Spieltag mit dem 1:1 gegen den VfL Bochum die Tabellenführung verspielt. Zeigt sich daran, dass der BVB mit dem Druck noch nicht umgehen kann? Schliesslich hat eine mögliche Meisterschaft für Dortmund eine ganz andere Dimension als für den Serien-Meister FC Bayern…
Ja natürlich. Wenn man sich in dieser Position befindet, sind die letzten sechs, sieben Spiele alles Finalspiele. So muss man das angehen, um gegebenenfalls alle Spiele zu gewinnen. Sie haben jetzt mehrfach die Tabellenführung verspielt. Das ist kein gutes Zeichen. Denn sollten sie noch einmal die Tabellenführung übernehmen, wird das in deren Köpfen drin sein.
Der FC Bayern München trifft am Samstagabend beim SV Werder Bremen an, Borussia Dortmund empfängt einen Tag später den VfL Wolfsburg. In welchem Spiel ist die Stolpergefahr grösser?
Die Gefahr ist in beiden Spielen vorhanden. Die Wolfsburger haben zuletzt gezeigt, dass sie immer wieder Ausschläge nach oben haben. Sie sind unter Trainer Niko Kovac im Moment richtig stabil. Und die Bremer haben das ebenfalls schon bewiesen. Ich denke, dass sie den Klassenerhalt nahezu sicher haben. Dennoch könnten sie einen Punkt sicherlich gut gebrauchen. Die Bremer haben aus den 1990er Jahren eine Rivalität mit dem FC Bayern und werden es denen schwer machen.
Vielleicht muss Dortmund gar nicht alle Spiele gewinnen, um Meister zu werden. Bayern muss nach Bremen und nach Köln, hat ausserdem noch ein Spiel gegen RB Leipzig. Sie könnten noch einige Punkte liegenlassen.
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