Angelo Stiller wurde beim FC Bayern München ausgebildet, allerdings nicht ausreichend gefördert. Der Mittelfeldspieler verliess den Verein und entwickelte sich zum deutschen Nationalspieler. Dem FC Bayern "zerreisst" dies "ein bisschen das Herz".

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Es dürfte bei den Verantwortlichen des FC Bayern München ein ungutes Gefühl ausgelöst haben, als Angelo Stiller am Montagabend gegen die Niederlande (1:0) sein Startelf-Debüt für die deutsche Nationalmannschaft gab. Ausgerechnet in der Münchner Allianz Arena bekamen sie vor Augen geführt, was für ein grosses Talent sie vor gut drei Jahren ziehen liessen. Denn heute ist der Mittelfeldspieler beim VfB Stuttgart aktiv.

Jochen Sauer, der Nachwuchsleiter des FC Bayern, sagte bereits Ende des vergangenen Jahres im Interview mit "t-online": "So etwas wie mit Angelo Stiller sollte uns nicht mehr passieren." Was genau er damit meinte: "Angelo hat alle Jugendmannschaften am Campus bis zur Dritten Liga durchlaufen und ist dann ohne Entschädigung nach Hoffenheim gegangen, von dort für fünf oder sechs Millionen Euro weiter nach Stuttgart, wo er sich weiter sehr, sehr gut entwickelt. Da hätten wir die Früchte unserer Ausbildungsarbeit besser ernten müssen."

Mit neun Jahren dem Bayern-Nachwuchs beigetreten

Stiller ist beim FC Bayern praktisch aufgewachsen. Bereits im Alter von neun Jahren trat er der Nachwuchsabteilung des deutschen Rekordmeisters bei. "Ich habe zuvor beim TSV Milbertshofen gespielt", erzählte Stiller im Jahr 2021 im Gespräch mit unserer Redaktion. "Dann kamen Scouts auf meine Eltern zu und haben mich zum Probetraining eingeladen. Wir haben dann noch ein Jahr gewartet, bis ich den Schritt zum FC Bayern gemacht habe."

In München entwickelte sich Stiller zum Top-Talent und durchlief mehrere Nachwuchs-Nationalmannschaften. In der Rückrunde der Spielzeit 2019/2020 wurde er zum Stammspieler der Zweiten Mannschaft und feierte die Meisterschaft in der Dritten Liga.

Auch bei den Profis klopfte Stiller an. Im Sommer 2018, als wegen der Weltmeisterschaft viele Nationalspieler fehlten, trainierte er erstmals bei der 1. Mannschaft mit. Ein Jahr später reiste er mit den Profis des FC Bayern in die USA und wurden bei den Testspielen gegen den FC Arsenal und den AC Mailand eingewechselt.

Über seine Eindrücke sagte Stiller damals: "Es ist natürlich ein ganz anderes Niveau mit nur Nationalspielern auf dem Platz. Das Tempo ist schon enorm, man muss immer 100-prozentig konzentriert sein. Jeder Fehler wird eiskalt bestraft. Andererseits gehören Fehler natürlich dazu. Man muss einfach alles geben."

Fatale Fehleinschätzung: Flick und Gerland hatten Zweifel an Stiller

Das Problem war allerdings, dass das Talent von Stiller innerhalb des Vereins unterschiedlich eingeschätzt wurde. Laut einem Bericht der "Sport Bild" wollten Nachwuchs-Chef Jochen Sauer, der ehemalige Leiter der Scoutingabteilung Marco Neppe und der damalige Sportvorstand Hasan Salihamidzic Stiller im Verein halten. Doch der damalige Cheftrainer Hansi Flick und Assistent sowie Nachwuchs-Experte Hermann Gerland entschieden sich dagegen.

Stiller sagte später: "Das war schon wie ein Schlag ins Gesicht, muss ich sagen. Ich habe damit gerechnet, dass ich die Chance oben bekomme und mittrainieren kann. Am letzten Tag habe ich dann von der Presse erfahren, dass Spieler verpflichtet wurden, die auf meiner Position spielen."

Zum grossen Förderer von Stiller wurde ausgerechnet jemand, der ihn bereits beim FC Bayern trainierte: Sebastian Hoeness, der Neffe von Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeness. Sebastian Hoeness war bei der U19 und der Zweiten Mannschaft des FC Bayern der Trainer von Stiller und wechselte im Sommer 2020 zur TSG Hoffenheim.

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Ablösefreier Abgang – heute ist Stiller 28 Millionen Euro wert

Als sich im Sommer 2021 abzeichnete, dass Stiller beim FC Bayern keine Zukunft haben würde, holte er ihn ablösefrei nach Hoffenheim. 2023 übernahm Hoeness den VfB Stuttgart und liess erneut Stiller verpflichten – in diesem Fall für eine Ablöse von rund 5,5 Millionen Euro. Heute wird der Marktwert von Stiller bei "transfermarkt.de" auf 28 Millionen Euro geschätzt – Tendenz steigend.

Für den FC Bayern ist der Weggang von Stiller nicht nur ein finanzielles Fiasko. Als gebürtiger Münchner, der im Verein ausgebildet wurde, hätte er zu einer Identifikationsfigur werden und in die Fussstapfen von Thomas Müller treten können. Sein ehemaliger Jugendtrainer Holger Seitz sagte daher im Interview mit "Sky": "Er ist Münchner. Ihn im Dress des VfB Stuttgart zu sehen, zerreisst mir ein bisschen das Herz. Das muss ich ehrlich sagen."

Auch spielerisch wäre Stiller für den FC Bayern eine Bereicherung gewesen. Er dirigiert das Spiel des VfB Stuttgart, hat eine hohe Ball- und Passsicherheit, verfügt zudem über ein gutes Defensivverhalten.

Sebastian Hoeness und Angelo Stiller
Sebastian Hoeness und Angelo Stiller arbeiteten bereits beim FC Bayern zusammen. © imago images/MIS

Möglicherweise hätte sich der FC Bayern im Sommer die rund 51 Millionen Euro Ablöse für den derzeitigen Reservisten Joao Palhinha sparen können, wäre Stiller in München geblieben. Dieses Versäumnis lässt sich kaum noch wettmachen. Wenn überhaupt, wäre das sehr kostspielig.

Kein Interesse an einer Rückkehr nach München

Der Vertrag von Stiller beim VfB Stuttgart gilt noch bis Sommer 2027. Möchte der Tabellenführer der Bundesliga ihn zurückholen, wäre eine hohe Ablöse fällig. Das Problem ist allerdings: Er will gar nicht zurück nach München.

Als Stiller nach dem Länderspiel gefragt wurde, ob er sich eine Rückkehr vorstellen könnte, antwortete er gegenüber "Sky": "Nö! Ich fühle mich beim VfB Stuttgart aktuell sehr wohl. Ich verstehe die Frage, aber im Moment gibt es für mich keinen Grund, über einen Abschied vom VfB nachzudenken."

Möglicherweise ist auch ein Hauch Verbitterung dabei, weil der FC Bayern früher nicht an ihn glaubte. Die Causa Stiller bleibt damit einer der grössten Bayern-Fehler der vergangenen Jahre.

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