Die Tuchel-Bayern: Elf Monate mit regelmässigen Aussetzern

Nach einem 1:2 des FC Bayern in Leverkusen übernimmt Thomas Tuchel im März 2023 mitten in der Saison in München als Trainer. Knapp elf Monate später läutete ein desaströses 0:3 des deutschen Serienmeisters im Topspiel am selben Ort gegen Bayer 04 Leverkusen eine mögliche Zeitenwende in der Fussball-Bundesliga ein. Auf fünf Punkte ist der Bayern-Rückstand auf den zu diesem Zeitpunkt nach 21 Spieltagen noch ungeschlagenen Tabellenführer angewachsen. Und er wächst umgehend weiter an.

Das 2:3 beim VfL Bochum folgt auf den bei Lazio Rom in der Champions League (0:1) missglückten Versuch, nach der Leverkusen-Pleite das Ruder herumzureissen. Die Niederlage an der Ruhr ist die dritte in einem Pflichtspiel in Serie. Das hat es seit 2015 nicht gegeben. Dem FC Bayern fehlen zwölf Spieltage vor Saisonende acht Punkte auf Leverkusen. In der Mannschaft brodelt es. Die Unzufriedenheit und Ratlosigkeit der Spieler zeigt sich noch während der Partie.

Tuchel ist angesichts der Situation nicht zu halten. Der Klub bestätigt drei Tage nach der Pleite in Bochum, sich nach der Saison 2023/24 vom Meistertrainer der Saison 2022/23 zu trennen.

Der Druck auf Klub und Tuchel ist zu gewaltig geworden. Die kurze Amtszeit des Julian-Nagelsmann-Nachfolgers ist schon vor der Niederlage in Bochum geprägt von immer wiederkehrenden Aussetzern und mehreren verspielten Titeln.

Nach einem umjubelten 4:2-Heimsieg in der Bundesliga gegen Borussia Dortmund bei seinem Debüt auf der Bayern-Bank, muss Tuchel schon in Spiel zwei den ersten Titel abschreiben. Im DFB-Pokal gewinnt der SC Freiburg in der Allianz Arena durch ein Tor von Lucas Höler (r.) in der Nachspielzeit mit 2:1 und zieht ins Halbfinale ein. "Es ist natürlich eine grosse Enttäuschung", kommentiert Tuchel.

Tuchel ist nach dem Viertelfinal-Hinspiel "schockverliebt" in seine Mannschaft. Wie jetzt? Nach einem 0:3 gegen Manchester City? Das vorzeitige Königsklassen-Aus gegen den späteren Titelgewinner mit Ex-Coach Pep Guardiola folgt eine Woche später beim 1:1 in München.

Am vorletzten Bundesliga-Spieltag der Saison 2022/23 scheint der elfte Meistertitel am Stück nach einem 1:3 gegen Leipzig Utopie zu sein. "Wenn man so weit unter dem eigenen Level spielt, ist es schwierig, Spiele zu gewinnen", meint Tuchel. Jamal Musialas spätes Siegtor zum 2:1 in Köln beschert den Münchnern eine Woche später dann aber doch wieder die Schale, weil Borussia Dortmund mit einem 2:2 daheim gegen Mainz auf der Zielgeraden folgenschwer patzt.

Schon wieder Leipzig. Im Hype um den tags zuvor verpflichteten 100-Millionen-Mann Harry Kane ist der DFB-Pokalsieger mit dem dreifachen Torschützen Dani Olmo im Supercup der Party-Crasher in der Münchner Arena und gewinnt glatt mit 3:0. "Die Diskrepanz zwischen der Form, der Stimmung und dem, was wir auf den Platz bekommen, ist gross", befindet Tuchel.

Was für eine Blamage! Marcel Gaus trifft für den Drittligisten 1. FC Saarbrücken tief in der Nachspielzeit zum 2:1. Dabei führen die grossen Bayern im Ludwigspark durch Thomas Müller. Die Münchner Chance aufs Triple ist früh in der Saison dahin.

Der Auftritt bei Eintracht Frankfurt kommt einer sportlichen Bankrotterklärung gleich. Nach 36 Minuten steht es am Main bereits 0:3, nach 90 Minuten ist an diesem 14. Spieltag die höchste Bayern-Niederlage unter Tuchel perfekt. "Die gesamte Mannschaftsleistung war ungenügend - und da zähle ich mich mit dazu", sagt Tuchel anschliessend.

Der nächste Bayern-Aussetzer folgt daheim - und das nach einem Kurz-Trainingslager in Portugal, das Tuchel zuvor als rundum positiv bewertet hat. Der Ex-Münchner Mitchell Weiser lässt die Gäste aus Bremen jubeln. Bayern-Chef Jan-Christian Dreesen spricht Klartext nach dem 0:1: "Wir haben die ersten 70 Minuten einfach langweiligen Fussball gespielt."

Im Topspiel in der BayArena ist vom berühmten Münchner "Mia san mia" nichts zu sehen. Spitzenreiter Leverkusen macht beim 3:0 einen Riesenschritt zum ersten Meistertitel. Tuchels taktische und personelle Massnahmen schlagen fehl, helfen dem eigenen Team nicht. Dazu versagen die aufgestellten Akteure. Tuchel muss Bayer-Coach Xabi Alonso gratulieren. Dazu gibt's vom Bayern-Coach Durchhalteparolen: "Wir werden erst aufgeben zu jagen, wenn es rechnerisch entschieden ist. Wir haben letztes Jahr bewiesen, was passieren kann." (dpa/lh/hau)