Am Montag platzte Osman Cankaya der Kragen. In ungewohnter Schärfe feuerte der Sportliche Leiter des 1. FC Nürnberg eine Stellungnahme raus, die weder Rücksicht auf die Umgangsformen beim Deutschen Fussball-Bund (DFB) nahm noch Rücksicht auf die Geschlechterfrage.
Der Chef der Clubfrauen verschickte seine Presseerklärung um 19.20 Uhr und ging damit bewusst das Risiko ein, dass Sport1 seine Worte während der Live-Übertragung aus der Frauen-Bundesliga (Bayern München gegen SC Freiburg) thematisiert und die Debatte anheizt.
Cankaya sah keine andere Wahl. Jeder Satz von ihm klingt wie eine Anklage:
Die deutschen Schiedsrichterinnen zu schlecht für die Frauen-Bundesliga?
Der Auslöser lag zwei Tage zurück. Beim 0:4 in Bremen, so Cankaya, sei es "einmal mehr in dieser Saison zu einer gravierenden Fehlentscheidung des Schiedsrichterinnen-Gespanns" gekommen. Schiedsrichterin dieser Partie ist Nadine Westerhoff aus Wanne-Eickel gewesen.
Was Cankayas Wutausbruch so bedeutend macht: So offen wie er hat in jüngster Zeit niemand die Qualitätsfrage beim Frauenfussball gestellt. Und Bundesliga-Manager wissen: Kritik am Schiedsrichterwesen nimmt der DFB persönlich.
Die Attacke trifft den Verband zum ungünstigen Zeitpunkt. Mit Panini-Album und Patenprogramm möchte der DFB Schiedsrichter-Nachwuchs anwerben und für den Dienst an der Pfeife begeistern. 53.000 Fussballschiedsrichter gibt's in Deutschland. Davon sind nur zwei Prozent Frauen.
Und die pfeifen, wenn sie die Kriterien erfüllen, meistens Spiele von Frauen - bis zur Frauen-Bundesliga hinauf, wo sie ohne Videobeweis auskommen müssen. In die Männer-Bundesliga hat's nur eine geschafft: Bibi Steinhaus. Dennoch wird in Deutschland selten die Qualitätsfrage gestellt. Aus gutem Grund.
Das Risiko eines Shitstorms ist gross. Das weiss Cankaya und wählte den Weg trotzdem. Mit seiner Kritik ist er nicht alleine. In der Woche zuvor hatte Axel Hellmann, Vorstand bei Eintracht Frankfurt, mehr Professionalisierung in der Frauen-Bundesliga gefordert und die Abspaltung vom DFB nicht ausgeschlossen.
Hellmann wörtlich: "Aus der Klubperspektive bin ich mit dem Entwicklungsstand des Frauenfussballs nicht zufrieden", so der 52-Jährige in der Frankfurter Rundschau: "Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht immer Sand in die Augen streuen und uns beweihräuchern, obwohl wir nicht wirklich gut sind."
Nach dem blamablen WM-Aus der Nationalmannschaft in Australien und dem vorzeitigen Scheitern der beiden Spitzenteams VfL Wolfsburg und Bayern München in der Champions League steht der Frauenfussball auf dem Prüfstand. Mehr Professionalisierung: Man muss die Dinge so offen ansprechen dürfen.
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Über den Autor
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