• Einmal Chaos mit allem: Hertha BSC hat sich schon wieder in eine brandgefährliche Lage manövriert.
  • Wie es in Berlin nun ohne Michael Preetz weitergeht und welche Rolle Jürgen Klinsmann dabei spielt.
Eine Analyse

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Das Ende war unwürdig, wie so vieles unwürdig ist in den letzten Wochen, Monaten, Jahren bei Hertha BSC. Insofern war der Umgang mit Bruno Labbadia, ketzerisch formuliert, wenigstens stringent.

Konsterniert stand er da und beantwortet brav Fragen, auf die es keine Antworten geben kann. Und dann konfrontierte ihn Sky-Moderator Sebastian Hellmann mit der Eilmeldung, Labbadia - sein Gesprächspartner in diesen Sekunden - sei schon entlassen. Er wisse nur noch nichts davon. Wie auch? Das 1:4 gegen Werder Bremen war noch keine 20 Minuten her.

Labbadia erfährt von seiner Kündigung während eines Interviews

Also erfuhr Labbadia live im Fernsehen von seiner Demission, die ihm eigentlich einer seiner Vorgesetzten hätte überbringen müssen - und kein Journalist. Aber so läuft das eben manchmal bei der Hertha.

Ein paar Stunden später war es dann so weit, die offizielle Bestätigung des Rauswurfs trudelte in den Redaktionen der Republik ein und mit ihr auch der Hinweis darauf, dass die Berliner neben ihrem Cheftrainer und dessen Gefolgschaft auch Sportvorstand Michael Preetz vor die Tür setzen.

Mitten in der Saison wechselt ein Bundesligist nun also sein Trainerteam und die sportliche Führung auf einen Streich aus. Auch das ist eher eine ungewöhnliche, andere würden behaupten: eine spektakuläre Massnahme. Berlin zieht mal wieder die Notbremse, wie so oft in jüngerer Vergangenheit.

Wie konnte es so weit kommen? Was ist jetzt zu tun? Und hätte die Hertha doch mal lieber auf Jürgen Klinsmann hören sollen? Eine Einordnung.

Der Kreis schliesst sich

Im Frühjahr 2019 hat Michael Preetz den angeblichen Neubeginn angekündigt: Cheftrainer Pal Dardai würde nach viereinhalb Jahren im Amt aufhören und Platz machen für Ante Covic, der die Hertha mit einer neuen Art des Fussballs in eine goldene Zukunft führen sollte.

Ein bisschen so, wie es Borussia Mönchengladbach mit Dieter Hecking gemacht hatte und mit Marco Rose. Allerdings ging der schöne Plan in Berlin komplett schief. Anderthalb Jahre später ist Rose in Gladbach nicht nur immer noch Trainer, sondern hat die Mannschaft in der Spitzengruppe der Liga etabliert und ins Achtelfinale der Champions League geführt - während die Hertha im selben Zeitraum vier Cheftrainer verschlissen hat und mittendrin steckt im Abstiegskampf der Bundesliga.

Preetz setzte die Liste seiner zum Teil schlimmen Fehlgriffe nahtlos fort, schon in früheren Jahren lag er mit unter anderem Michael Skibbe oder Otto Rehhagel völlig daneben. Nur erhöhte sich nun das Tempo der Fehlentscheidungen.

Also steht die Hertha nun wieder am Anfang, mit Dardai sowie Co-Trainer Zecke Neuendorf marschieren die alten Bekannten durch die Hintertür wieder auf die Bühne und übernehmen den Laden. Die letzten 18 Monate waren sportlich also für die Katz‘, dafür wurde jede Menge Geld verbrannt.

Welche Schuld trägt Bruno Labbadia?

Rund 150 Millionen Euro wurden in den letzten beiden Jahren für neue Spieler ausgegeben, das Transfersaldo steht bei zirka 100 Millionen Euro minus. Für diese mächtigen Investitionen bekommt Geldgeber Lars Windhorst derzeit Tabellenplatz 14 als Zwischenresultat, der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt zwei Punkte.

Im besten Fall endet die Saison irgendwo im hinteren Mittelfeld, die internationalen Plätze sind jedenfalls kaum mehr erreichbar. Im schlechtesten Fall hängt die Hertha aber bis zum Schluss unten drin und fürchtet den dritten Abstieg innerhalb elf Jahren.

In dieser Gemengelage muss der Trainer in den Blickpunkt rücken. Labbadia kann für sich proklamieren, in einer ungünstigen Phase in Berlin angeheuert zu haben. Er musste die Mannschaft im letzten Frühjahr nach der Corona-Pause stabilisieren und hat das geschafft.

Labbadia konnte Neuaufbau der Truppe nicht meistern

Am Neuaufbau der Truppe ist Labbadia aber dann doch recht kläglich gescheitert. Die Hertha wollte mit dem aggressiven Verhalten auf dem Transfermarkt den Umbruch um jeden Preis und übersah dabei doch glatt, dass eine vorher funktionierende Achse nicht so einfach in ein paar Wochen ersetzt werden kann.

Labbadia wusste um diese grosse Herausforderung, er konnte sie aber nicht meistern. Stattdessen sind die von ihm angeleiteten Spieler nie zu einer Mannschaft zusammengewachsen, es blieben immer kleine oder grosse Ich-AGs.

Labbadia hat es nicht geschafft, eine Hierarchie zu bauen, ein Grundgerüst; und daraus einige Spieler mit wichtigen Aufgaben zu betrauen. Deshalb gibt sich die Hertha wie ein willfähriger Haufen, der beim kleinsten Widerstand in die Knie geht. Einen Anführer sucht man vergebens, eine Hackordnung gibt es nicht. Das ist - neben einigen inhaltlichen Problemen - das grösste Versäumnis des Trainers.

Labbadia mag ein Bauernopfer sein, völlig schuldlos ist er an der sportlichen Lage aber natürlich nicht.

Ein Vierteljahrhundert Preetz - und nun?

25 Jahre lang war Michael Preetz das Gesicht der Hertha. Damit waren zwei Dinge immer klar: Preetz hat alle und alles überlebt, er war ein sehr mächtiger Mann in einem hektischen Klub.

Er war zeitgleich aber auch das Sinnbild für das Berliner Mittelmass, das die Hertha doch schon längst gerne hinter sich gelassen hätte. Ausser grossen Sprüchen und ein paar kernigen Marketing-Claims war da aber nichts. "Die Zukunft gehört Berlin"? Toll zu Papier gebracht, wahnsinnig schlecht umgesetzt.

Preetz hat zwei Abstiege zu verantworten, die haben eine Menge Geld gekostet. Und wenn alle um ihn und Präsident Werner Gegenbauer herum auch gehen mussten - Preetz hat sich bis zuletzt gehalten.

Er hat sich wohl nicht umsonst immer gerne mit ehemaligen Mitspielern und Herthanern umgeben, sie ins Amt befördert und dadurch eine gewisse Loyalität zurückbekommen. Einflüsse von aussen gab es auf sportlicher Ebene so gut wie gar keine mehr. Und wenn, wie im Fall von Jürgen Klinsmann, führten die schon sehr schnell zu heftigsten Kontroversen.

Nun wird die Hertha einen anderen Weg beschreiten, ohne Preetz in vorderster Linie. Aber irgendwie bleibt sich der Klub ja auch bei der Demission seines bekanntesten Gesichts treu: Die neue Troika besteht aus Dardai, Neuendorf und dem neuen Schwergewicht Arne Friedrich. Mehr blau-weisse Färbung geht nicht.

Hatte Klinsmann am Ende doch recht?

Was war das für ein Gezeter vor ziemlich genau einem Jahr? Jürgen Klinsmanns Alleingang, sein Verschwinden quasi über Nacht, die losgetretene Schlammschlacht, die gegenseitigen Anschuldigungen, die legendäre Pressekonferenz: Die Hertha bot bewegendes Theater.

Preetz stand damals am Pranger, scharf und teilweise auch unter der Gürtellinie attackiert von Klinsmann, der sich als ehemaliger Aufsichtsrat und später als Cheftrainer in dessen Hoheitsgebiete einmischte, Vertragsverhandlungen mit Spielern führte und spätestens nach der Pressekonferenz von Gegenbauer und Preetz - aber ohne ihn selbst - als Buhmann auserkoren war.

Klinsmann und Windhorst verkörperten das neue Berlin, Preetz und Gegenbauer waren die alte Garde. Und die hatte sich in sportlichen Belangen klar durchgesetzt.

Mit rund einem Jahr Abstand erscheinen viele der Klinsmann-Anklagen gerade in Richtung der Führungskompetenz seines Widersachers Preetz aber in einem neuen Licht.

Was kommt auf Carsten Schmidt zu?

Und was Klinsmann damals nicht schaffte, nämlich alte Seilschaften zu kappen und den Klub in eine andere Richtung zu lenken, das übernimmt nun Carsten Schmidt

Auch der kommt von ausserhalb, bringt keine Erfahrungen als Spieler oder Trainer oder Funktionär mit, sondern verantwortete jahrelang die Geschicke des Pay-TV-Senders Sky. Der Mann ist Kummer gewohnt und er weiss, wie ein angeschlagenes Unternehmen durch wilde Zeiten zu steuern ist.

Schmidt bestätigt mit seiner Arbeit aktuell alle jene Dinge, die Klinsmann damals angeprangert hatte und die der selbst in Angriff nehmen wollte: Die Struktur der Hertha wird im Hintergrund schon bald umgebaut, Schmidt geht mit einer unter dem Projektnamen "Goldelse" verklausulierten Mitarbeiterbefragung an die Wurzeln.

Arbeitsprozesse und Strukturen sollen hinterfragt und womöglich aufgebrochen werden, vielleicht sogar das Organigramm des Klubs.

An der Basis sollen sich Dinge verändern, das hatte damals auch Klinsmann so ähnlich formuliert. Mit den bestehenden Prozessen und dem Personal liesse sich auch mit noch mehr Geld kein Staat machen. Klinsmann beging damals den Fehler, zu nassforsch und aggressiv zu Werke zu gehen, das kostete ihm den Job. Aber im Grunde hatte er wohl mit vielem recht. Nur setzen das nun andere um.


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