Die Mitgliederversammlung bei Hannover 96 endet mit einem Machtwechsel und einer bitteren Niederlage des bisherigen Vereinspräsidenten Martin Kind. Alle Aufsichtsratsposten gingen an die Gegner Kinds. Sein Amt als Geschäftsführer will der 74-Jährige allerdings behalten. Das könnte küftig zum Problem werden.
Als das Wahlergebnis verkündet wurde, jubelte und sang die Opposition bei Hannover 96 wie in der Fankurve im Stadion. Die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung dieses tief gespaltenen Vereins endete am Samstagabend mit einem Machtwechsel.
Die Gegner von Martin Kind setzten sich nach rund viereinhalb Stunden deutlich gegen die Befürworter des bisherigen Präsidenten durch. Denn alle fünf Kandidaten der Oppositionsgruppe "Pro Verein 1896" inklusive des früheren 96-Kapitäns Carsten Linke wurden in den neuen fünfköpfigen Aufsichtsrat gewählt. Mit dieser absoluten Mehrheit können die Kind-Gegner nun den Nachfolger des langjährigen Vereinschefs einsetzen. Neuer 96-Präsident soll der frühere Fanbeauftragte und bisherige Aufsichtsrat Sebastian Kramer werden.
"Der Unmut im Verein ist über Jahre gewachsen. Deshalb war es für uns leichter, zu mobilisieren", sagte Linke. "Ich hoffe, dass wir jetzt gemeinsam wieder an einem Strang ziehen können."
"Wir wollen nichts überstürzen"
Das wird allerdings nicht einfach, denn Kind ist nach fast 22 Jahren nur freiwillig aus dem Amt des Vereinspräsidenten geschieden. Der 74-Jährige ist nach wie vor Geschäftsführer der ausgegliederten Profifussball-Abteilung Hannover 96 GmbH und Co. KGaA sowie Mehrheitseigner jener Gesellschaft, der diese KGaA gehört. In Zukunft muss nun die Profifussball-Gesellschaft von Kind mit einem Mutterverein zusammenarbeiten, der ausschliesslich von Kind-Gegnern geführt wird und ausserdem so viel Einfluss wie möglich auf die Bundesliga-Mannschaft zurückgewinnen will.
"Ich werde mich heute nicht positionieren", sagte Kind. "Wir wollen jetzt nichts überstürzen und alles in Ruhe und Gelassenheit angehen. Es war immer klar, dass die Szene gut organisiert ist und gut mobilisiert." In seiner Rede während der Versammlung warnte er aber auch: "Aus meiner Sicht ist das Zwei-Säulen-Modell ein Erfolgsmodell. Hier der Profifussball, dort der Amateursport. Wer dieses Modell infrage stellt, der gefährdet das ganze Haus Hannover 96 insgesamt."
Regiert von oben herab
Im Laufe der Jahre ist vor allem bei den organisierten Fans ein grosser Unmut über Kind gewachsen. Die Hauptvorwürfe: Er regiere den Verein von oben herab, er ignoriere Meinungen der Mitglieder und gebe vor allem niemanden einen Einblick in entscheidende Dinge wie den Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel.
Das ist das mit Abstand brisanteste Thema bei 96. Denn dieser Antrag liegt seit Monaten beim Ständigen Schiedsgericht der Lizenzligen. Sollte Kind diese Ausnahmegenehmigung bekommen, hätte der Verein 96 endgültig keinen Zugriff auf die Fussball-Profis von 96 mehr. Deshalb will die neue Vereinsführung nun auch prüfen, ob sie den Antrag eventuell sogar wieder zurückziehen kann. "Das ist schwer zu beurteilen", sagte der designierte Präsident Kramer. "Wir sind an diesem Prozess nicht beteiligt gewesen und werden jetzt versuchen, Informationen von der DFL und dem Schiedsgericht zu bekommen."
Eine schwierige Aufgabe übernommen
Gerade weil es um Reizthemen wie die Mitbestimmung der Mitglieder und die 50+1-Regel ging, waren die Anhänger der Opposition bei dieser Versammlung deutlich in der Mehrheit. Zunächst wurde sowohl der bisherige Vorstand um Martin Kind als auch der bisherige Aufsichtsrat für das vergangene Jahr nicht entlastet. Danach fielen bei den Aufsichtsratswahlen alle fünf Kandidaten des Pro-Kind-Lagers durch. Selbst Karsten Surmann erhielt als Kapitän der Pokalsieger-Mannschaft von 1992 nur 678 von rund 2000 möglichen Stimmen.
Die meisten erhielt Carsten Linke mit 1444 Stimmen. "Wir freuen uns für den heutigen Abend. Aber wir haben heute keinen Pokal gewonnen. Wir haben eine schwierige Aufgabe übernommen", sagte der 53-Jährige. (dpa/best)
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