Zwischen Julian Draxler und dem VfL Wolfsburg knirscht es gewaltig. Der Nationalspieler wird die Niedersachsen womöglich schon im Winter verlassen. Damit hätte er zwar endlich seinen Willen erreicht, aber gewonnen hat in dieser Zwangsehe keiner.
Mit dem "Bild"-Interview hatte sich
Aber die Wolfsburger Klubspitze schob dem Ganzen einen Riegel vor: Draxler blieb beim VfL, gezwungenermassen. Bei den Fans der Wölfe ist der Nationalspieler seitdem untendurch.
Das konnte man am vergangenen Samstag deutlich sehen – und vor allem hören. Draxler sass bei Wolfsburgs 2:3-Niederlage gegen Hertha BSC erstmals in der Saison bis zur 78. Spielminute nur auf der Bank.
Und als er eingewechselt wurde, pfiff ihn das Publikum gellend aus. "Was das mit einem Menschen macht, brauche ich niemandem zu erzählen", gab sich der Profi im Anschluss brüskiert: "Förderlich ist es sicher nicht."
Keine Rückendeckung von Ismael und Allofs
Im Nachgang des Spiels mochte sich beim VfL niemand so recht auf Draxlers Seite schlagen. Auch wenn dieser seine Nichtberücksichtigung für die Startelf gegen Berlin musterschülerhaft mit den branchenüblichen Satzbausteinen kommentierte: "Das muss ich akzeptieren. Der Trainer ist nicht in der Bringschuld, mir das zu erklären."
Rein sportlich sei die Entscheidung nachzuvollziehen, gab Draxler zu Protokoll, mehr wollte er dazu nicht sagen.
VfL-Trainer Valerien Ismael liess sich davon nicht erweichen. Auf die Pfiffe gegen Draxler angesprochen, sagte er: "Es ist immer unschön, wenn ein Spieler vom eigenen Publikum ausgepfiffen wird. Aber man muss auch die Fans verstehen. Ich glaube, dass der Spieler sich selbst in diese Situation gebracht hat."
Draxlers folgenschweres Interview
Ismael zielt auf Draxlers bemerkenswertes Interview in diesem Sommer in der "Bild-Zeitung" an. Darin hatte der Jungstar selbstbewusst über einen Wechsel zu einem europäischen Top-Klub gesprochen, obwohl er erst kurz zuvor für 35 Millionen Euro von Schalke nach Wolfsburg gewechselt war.
"Bei mir ist es so, dass ich mich nach der EM gegenüber Trainer Dieter Hecking klar geäussert habe, dass ich den VfL Wolfsburg verlassen möchte. Der Trainer weiss seit drei Wochen Bescheid", so Draxler damals und legte nach: "Es war klar, dass der VfL Wolfsburg für mich damals eine gute Perspektive, aber auch ein Sprungbrett sein sollte."
Das mag nun immer noch stimmen, allerdings befindet sich im Becken unter dem Brett schon lange kein Wasser mehr.
Sogar Manager Klaus Allofs stellte sich nicht mehr schützend vor Draxler, sondern ging in die Offensive. "Jeder Einzelne muss alles dafür tun, dass die Fans das Gefühl haben: Ich bin bereit, ich bin fit und signalisiere, dass ich alles für den Klub machen will", kommentierte er das Geschehene: "Von Julian kommen diese Signale nicht."
Wechselt Draxler schon im Winter?
Das Verhältnis zwischen Spieler und Klub scheint vollständig zerrüttet. Es gilt nunmehr als wahrscheinlich, dass Draxler den VfL Wolfsburg bei der nächstbesten Gelegenheit verlassen wird, womöglich schon im Winter. Er selbst betonte mit Blick auf seine Zukunft noch einmal: "Ich habe im Sommer gesagt, wie ich dazu stehe."
Trainer Ismael hatte bereits angedeutet, er werde nach der Hinrunde Spieler aussortieren, die nicht voll mitziehen, um im Bundesliga-Abstiegskampf bestehen zu können. Dass er damit auch, oder vor allem Julian Draxler meinte, ist angesichts der sich zuspitzenden Lage offensichtlich.
Es wird eine Trennung in Unfrieden werden – wieder mal. Schon Draxlers Abschied von seinem Ausbildungsverein FC Schalke 04 im Sommer 2015 verlief nicht ohne Reibung.
Fans werden Draxler in schlechter Erinnerung behalten
Der sportliche Verlust für den VfL wäre auch bei einem schnellen Abgang im Winter überschaubar: Draxlers Leistungen liessen zuletzt arg zu wünschen übrig.
In der laufenden Saison bestritt er in der Bundesliga elf Spiele; auf sein Konto gehen weder Tore noch Vorlagen. In der Vorsaison waren es in 21 Bundesliga-Spielen immerhin fünf Tore und sechs Vorlagen gewesen.
Aber nachtragen werden die Wolfsburger Fans Julian Draxler vor allem jenes Interview, in dem er so nachdrücklich zum Ausdruck brachte, dass er schleunigst weg wolle von ihrem Verein und aus ihrer Stadt.
Selbst im Business Profifussball, das für Dinge wie Vereinstreue längst kaum mehr Platz lässt, wäre er gut beraten gewesen, seine Äusserungen besser abzuwägen.
Ein Streit ohne Gewinner
Schon am kommenden Wochenende wird Julian Draxler das Spiel des VfL gegen den FC Bayern München wahrscheinlich von der Tribüne aus verfolgen.
Die "Wolfsburger Allgemeine Zeitung" ging sogar noch einen Schritt weiter als sie schrieb: "Es ist im Grunde nicht mehr vorstellbar, dass Draxler jemals wieder für den VfL aufläuft."
Gewonnen hat unterm Strich keine der beiden Parteien. Nicht der VfL Wolfsburg, der für Draxler vor anderthalb Jahren die interne Rekordsumme von 36 Millionen Euro bezahlt hat, in der Hoffnung, dafür einen Führungsspieler zu bekommen.
Und nicht Julian Draxler, für den die vergangenen Wochen und Monate alles andere waren als Werbung in eigener Sache.
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