Die Geschichte der Trainerwechsel ist so alt wie die Bundesliga - bis heute sind die Effekte aber umstritten. Auch in der aktuellen Saison gibt es wieder einige Wechsel. Aber bringen die wirklich etwas?

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In dieser Saison haben sie sich noch einigermassen zurückgehalten in der Bundesliga. Lediglich sieben Trainerwechsel sind drei Spieltage vor Schluss notiert, in Augsburg, Köln, Berlin, Wolfsburg, Bochum gab es je eine Veränderung auf der Trainerbank, in Mainz sogar schon deren zwei.

Im Sommer sind dann noch die Abschiede von Christian Streich in Freiburg und von Thomas Tuchel beim FC Bayern angekündigt, wobei nur Tuchels Scheiden von den Münchenern sportliche Gründe hat. Streich hat nach dann rund zwölf Jahren als Bundesliga-Trainer aus freien Stücken seinen (vorläufigen) Rückzug gewählt.

Mit dem Abgang des 58-Jährigen schliesst sich dann nicht nur in Freiburg ein Kreis: Streich war einer der Protagonisten der Saison 2011/12, als in der Bundesliga inklusive diverser Interimslösungen gleich 15 Mal der Trainer getauscht wurde. Damals folgte unter anderem Streich auf Marcus Sorg - ein Wechsel, der sich bezahlt gemacht hat.

Trainerwechsel: Unterschiedliche Studienlage

Die Geschichte der Trainerwechsel in der Liga ist so alt wie die Bundesliga selbst. Herbert Widmayer war im Oktober 1963 der erste, der seinen Platz räumen musste. Der 1. FC Nürnberg hatte just 0:5 zu Hause gegen Kaiserslautern verloren, Nürnberger Fans bespuckten daraufhin den Übungsleiter, einige verbrannten ihre Fahnen. Da war die Bundesliga kaum zwei Monate alt.

Bis heute hat sich der Glaube an einen positiven Effekt, an den plötzlichen Aufschwung und dem einsetzenden sportlichen Erfolg hartnäckig gehalten - wissenschaftliche verifiziert wurde diese Annahme aber nur bedingt. Die Studienlage ist diffus, einige Untersuchungen bestätigen nach einem Trainerwechsel "positive Effekte", andere sehen darin keine signifikante Veränderung, die im Verhältnis besonders zu den finanziellen Aufwendungen steht, die jeder Wechsel mit sich bringt.

"Ungefähr die Hälfte der existierenden Studien zu dem Thema belegen einen positiven Effekt durch einen Trainerwechsel innerhalb einer Saison, aber die andere Hälfte eben nicht", sagt Sebastian Zart, Sportwissenschaftler an der TU Kaiserslautern, dem BR. Zart und sein Kollege Arne Güllich analysierten knapp 4.000 Spiele und 150 Trainerwechsel in der Bundesliga, der Primera Division und der Premier League und gewichteten die untersuchten Partien anhand der aktuellen Gegnerstärke innerhalb einer Saison.

Ein "spontaner Leistungsanstieg" sei zu verzeichnen und neben dem kurzfristigen Effekt seien auch mittel- bis langfristig Verbesserungen zu erkennen, wenn ein Klub auf einen neuen Trainer setzt. "Der positive Einfluss war bis zu 16 Spieltage nach dem Trainerwechsel gegeben", sagte Zart. Eine frühere Studie aus dem Jahr 2011 behauptet indes das Gegenteil: Nach der Analyse von 150 Trainerentlassungen stand damals im Journal "Plos One" die Erkenntnis: Ein Trainerwechsel hat keinen Effekt.

Einige Verbesserungen in dieser Saison

Relativ leicht und vor allen Dingen valide nachweisbar sind die konkreten Ergebnisse, etwa in dieser Saison. Vor dem drittletzten Spieltag haben sich vier Trainerwechsel in der Liga als zielführend erwiesen: Der VfL Wolfsburg ist mit Ralph Hasenhüttl um zwei Plätze auf Rang zwölf geklettert und wohl raus aus dem Abstiegskampf. Nenad Bjelica hat den FC Union damals auf Platz 18 übernommen und ist aktuell Vierzehnter - aber noch längst nicht aller Sorgen ledig. Und beim FC Augsburg hat Jess Thorup die Mannschaft von Rang 15 auf Platz acht und damit dicht an die Europapokal-Plätze geführt.

Eine Art Sonderfall ist Bo Henriksen in Mainz: Der ist zwar "nur" einen Platz besser notiert als bei seinem Amtsantritt im Februar, hat aber einen völlig neuen Geist implementiert, die Lethargie bei der Mannschaft und den Fans gelöst und dem darbenden Klub wieder neues Leben eingehaucht. Aber auch da ist der Ausgang trotz aller Euphorie noch offen, derzeit belegt Mainz noch immer den Relegationsrang.

Mainz musste zuvor allerdings auch schon erkennen, dass ein Trainerwechsel ins Leere laufen kann: Der FSV ist der einzige Klub, der in dieser Saison bereits seinen dritten Cheftrainer unterhält. Der Effekt des Wechsels von Bo Svensson zu Jan Siewert war schnell verpufft, Siewert musste nach nur 48 Tagen im Amt schon wieder gehen.

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Ziemlich viel Zockerei

Der Faktor Glück dürfte bei jedem Trainerwechsel eine entscheidende Rolle spielen. Die Klubs wägen in der Regel lange genug ab, vergleichen Profile und Konzepte, wollen da so wenig wie möglich dem Zufall überlassen.

Und doch ist der Erfolg jeder Massnahme gekoppelt an weiche Faktoren: Wie kommen der neue Trainer und die Mannschaft zurecht? Entsteht sofort eine Symbiose? Bringt der Neue die wichtigsten Spieler der Kabine hinter sich und seine Idee? Gelingt der Start mit einem oder mehreren Erfolgserlebnissen? Das erinnert dann doch ein bisschen an das Zockermotto "Neues Spiel, neues Glück".

Dass sich ein Verein und ein Trainer jahre- oder sogar jahrzehntelang einander verschreiben, war schon immer die Ausnahme. Frank Schmidt ist qua seiner Geburt ein Heidenheimer, er hat zusammen mit Holger Sannwald den 1. FC Heidenheim gewissermassen erfunden.

In Bremen oder Freiburg, wo sie sich zu Recht wegen der Ägide von Otto Rehhagel oder Thomas Schaaf, von Volker Finke oder nun Christian Streich loben, herrschte rund um diese Langzeit-Engagements auch ein bisweilen heilloses Chaos. Werder und der SC Freiburg verschlissen so viele oder so wenige Trainer wie die Konkurrenz, bestehen bleiben bis heute aber die Bilder von den besonders treuen Klubs und Trainern.

Unterschiedliche Effekte in dieser Saison

In der aktuellen Bundesliga-Saison wird der Kölner Trainerwechsel von Steffen Baumgart zu Timo Schulz wohl nicht mehr den gewünschten Effekt entfalten. Die Kölner stehen trotz des Tauschs vor dem erneuten Abstieg in die 2. Liga, während Ex-Coach Baumgart, mittlerweile beim Hamburger SV unter Vertrag, den Sprung in die Bundesliga wohl verpasst.

Darmstadt 98 hat sich indes klar gegen das Element des Trainerwechsels entscheiden und nun mag es einige Beobachter geben, die das im Nachhinein zum Fehler erklären. Wie gut so ein gravierender sportlicher Einschnitt funktionieren kann, haben nicht zuletzt Xabi Alonso in Leverkusen und Sebastian Hoeness in Stuttgart bewiesen.

Alonso hatte die Werkself einst auf Platz 17 übernommen und steht vor dem möglichen Triple, Meister ist er schon. Hoeness ist seit ziemlich genau 13 Monaten im Amt, hat den VfB von Platz 18 in die Champions League geführt - mit einem Kader, der jenen der Konkurrenz aus dem oberen Tabellenbereich deutlich unterlegen ist.

Beide waren auch beim FC Bayern auf der Liste. Aber beide werden - aus nachvollziehbaren Gründen - in der neuen Saison nicht beim Rekordmeister arbeiten - deren Suche nach einem neuen Trainer geht also weiter. Vielleicht hat der Neue dann ja auch das Quäntchen Glück, das es für einen erfolgreichen Wechsel braucht.

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