Franz Beckenbauer: im Ruhestand. Uli Hoeness: unentschlossen. Matthias Sammer: zurückgetreten. Der FC Bayern München wird derzeit von Karl-Heinz Rummenigge geführt. Dem ist die One-Man-Show theoretisch zuzutrauen - in der Praxis gibt es aber auch Bedenken.

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"Mon Dieu, Rümmenisch!", soll Staatschef Francois Mitterand rausgerutscht sein, als er den deutschen Spieler mit der Nummer 11 an der Seitenlinie stehen sah. Im legendären Halbfinale von Mitterands Franzosen gegen Deutschland bei der WM 1982 musste Karl-Heinz Rummenigge bis zur Verlängerung auf der Bank sitzen, Deutschlands einziger Weltstar war bereits angeschlagen zum Turnier angereist und nur noch eine Art Edeljoker.

Die Franzosen sahen schon wie der sichere Sieger aus, als Rummenigge endlich ins Spiel kam - und mit seinem Anschlusstreffer entscheidend daran beteiligt war, dass die Partie gedreht wurde. Die Angst der Franzosen vor Rummenigge als Angreifer und seiner Strahlkraft für das deutsche Team war also nicht unbegründet. Und so war das wohl schon immer: Als Spieler versetzte Rummenigge gegnerische Abwehrreihen und sogar Staatsoberhäupter in helle Aufruhr. Und heute: Führt Rummenigge quasi im Alleingang einen der grössten Klubs der Welt an.

Den FC Bayern München kann man sich als ein organisch gewachsenes Biotop vorstellen, angeleitet von Spitzenkräften auf allen Ebenen und jeder Menge Stallgeruch. Die Bayern-Familie kümmert sich und sie lässt keinen so schnell fallen. Bisher war das aber immer so, dass die Verantwortung auf mehreren Schultern verteilt war und ein jeder in seinem Bereich seine Kernkompetenzen ausleben durfte.

Dreigestirn Beckenbauer-Hoeness-Rummenigge

Die Bayern der 90er- und 2000er-Jahre, das war das Dreigestirn aus Beckenbauer-Hoeness-Rummenigge. Franz Beckenbauer als Präsident, sehr viel Lichtgestalt, ein bisschen Hobby-Herrscher, ein bisschen Plaudertasche, der nette Onkel. Uli Hoeness als Manager die Abteilung Attacke, nimmersatter Tausendsassa, einer der aneckt und austeilt und nie zufrieden ist.

Und Rummenigge als der Mann für den Aussendienst. Nach Stationen in Italien und der Schweiz als Aktiver, als Mitglied und später Chef der G14 beziehungsweise der ECA - der Interessenvertretung der europäischen Profivereine - hat Rummenigges internationales Netzwerk die Bayern in Sachen Marketing und Internationalisierung in den Zirkel der ganz Grossen hineinkatapultiert.

Diese Zeiten sind nun aber vorbei. Und derzeit scheint es so, als würde es bei den Bayern bei einer One-Man-Show bleiben. Beckenbauers Rückzug aus dem Geschäft war der Anfang. Es folgte Hoeness' Haftstrafe und das dauerhafte Zögern in der Frage nach dessen Zukunft im Klub. Derzeit kümmert sich der ehemalige Übervater weiter um die Neuausrichtung der Nachwuchsabteilung und damit weit entfernt vom grellen Licht der Profis.

Mit dem gesundheitsbedingten Rückzug von Sportvorstand Matthias Sammer verliert der FC Bayern ein weiteres markantes Gesicht. Dass wenige Tage zuvor auch noch Mediendirektor Markus Hörwick, seit 35 Jahren im Amt, seinen sofortigen Rückzug bekannt gab, passt da schon ins Bild - wenngleich Hörwick mit dem operativen Geschäft nichts zu tun hatte.

Rummenigge an allen Fronten

In der Vorstandschaft der FC Bayern AG bleiben: Jan-Christian Dreesen (Finanzen und Controlling), Andreas Jung (Sponsoring und Merchandising) und Jörg Wacker (Internationalisierung und Strategie) - und eben Rummenigge als Vorstandsvorsitzender. Und Alleinherrscher.

Rummenigge kämpft an allen Fronten: Er treibt die Internationalisierung weiter vehement voran, ist das Gesicht des Klubs in den internationalen Gremien, streitet um TV-Gelder, ersetzt Hoeness auch als Abteilung Attacke und bestimmt zusammen mit Kaderplaner Michael Reschke jeden einzelnen Transfer.

Als Carlo Ancelotti anfangs der Woche vorgestellt wurde, erzählte Rummenigge nicht ohne Stolz, dass die Verhandlungen mit dem Italiener keine fünf Minuten gedauert hätten. Als die Bayern damals Pep Guardiola überzeugen mussten, waren mehrere Termine in New York fällig, die stets von Hoeness forciert und letztlich auch federführend abgehalten wurden.

Guardiola war Hoeness' Wahl, Ancelotti ist Rummenigges Wahl. Beide kennen sich aus ihrer aktiven Zeit, der eine spielte bei Inter, der andere bei Milan. Beide funken auf einer Wellenlänge, die Bayern wollen sich des Sperrigen entledigen, das der immer mal wieder verkopfte Guardiola hinterlassen hat. Das war eine der Botschaften auf Ancelottis erster Pressekonferenz.
Beachtlich auch die Szene, als Ancelotti, der Trainer, gefragt wurde, ob denn noch neue Spieler an der Säbener Strasse zu erwarten seien in den kommenden Wochen. Ancelotti konnte kaum antworten, da ergriff Rummenigge das Mikrofon und beantwortete die Frage ganz staatsmännisch selbst. "König Kalle" ist jetzt da, er wird euch alle Fragen beantworten.

Wie reagiert die Basis?

Eine wichtige hat Rummenigge aber galant offen gelassen. Zwar nahm er Stellung dazu, ob die vakante Sammer-Stelle neu besetzt werden wird. "Wir werden das bis auf weiteres so weitermachen, wie wir das in den letzten Monaten schon machen mussten. Wir haben das auf mehrere Schultern verteilt. Wir werden in Ruhe eine Entscheidung treffen", sagte er also und schloss aus, dass Reschke in Sammers Rolle schlüpfen wird.

Die Bayern werden das Vakuum also vorerst nicht schliessen, was im Umkehrschluss heisst, dass Rummenigge noch mehr Macht bekommt. Dass der 60-Jährige das Zeug hat, diesen grossen Klub zu lenken, sollte ausser Frage stehen. Rummenigge ist hervorragend vernetzt, als Person im internationalen Fussball hoch angesehen, spricht drei Sprachen und hat begriffen, was das global denkende Wirtschaftsunternehmen FC Bayern benötigt, um nicht unterzugehen. Soweit die Theorie.

In der Praxis ist Rummenigge aber auch nach fast vier Jahrzehnten im Klub immer der Unnahbare geblieben. Er steht nicht für die Folklore, die die Basis so an Hoeness liebte und liebt. Er hat auch nicht das Charisma Beckenbauers, dem man fast jede noch so drollige Torheit verzeiht. Rummenigge steht für Effizienz und auch ein bisschen kalkulierte Kälte. Das gefällt nicht allen Fans des Rekordmeisters.

Der FC Bayern hat sich vergleichbar wie das gesamte Bundesland über den Slogan "Laptop und Lederhose" definiert. Die global transportierte Marke auf der einen Seite, der basisnahe Familien-Verein auf der anderen Seite. Momentan befürchten einige, die Waage könnte in eine Richtung kippen, die weg geht vom heimeligen Wohlfühl-Klub.
Vielleicht sollten sie an der Säbener Strasse doch darüber nachdenken, die Führungsgewalt auf mehrere Schultern zu verteilen. Nicht, dass am Ende die eigenen Fans noch sagen: "Mein Gott, Rummenigge."

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