- Die Bayern geben in Dortmund einen sicher geglaubten Sieg aus der Hand.
- Das bringt den Vorstandsboss in Rage und rückt den Trainer immer noch weiter in die Schusslinie.
- Gegner Dortmund hingegen erlebt einen mittlerweile selten gewordenen Abend.
Das Bild des Abends lieferte
Kahn war ausser sich vor Wut, rutschte erst in seinem Sitz nach unten, den Mund weit ausgerissen, schreiend. Um sich dann aus dem Stuhl zu katapultieren, nach vorne in Richtung Absperrung, an der er so heftig rüttelt, dass man einen kurzen Moment lang Sorge um die Standhaftigkeit des Signal Iduna Park haben konnte.
Oliver Kahn war - vorsichtig formuliert - aufgebracht. 75 Minuten lang hatte seine Mannschaft in Dortmund nicht alles, aber doch sehr vieles im Griff. War von zwei in etwa gleich starken Mannschaften die effizientere und hatte Mitte der zweiten Halbzeit drei, vier dicke Chancen zur Entscheidung und damit auch dem viel zitierten Ausrufezeichen im grössten Spiel des deutschen Fussballs.
Kahn: "Eine erstaunliche Saison"
Aber wieder einmal schafften es die Bayern nicht, eine Partie sauber und mit der Bayern eigenen Souveränität zu Ende zu bringen. Und verspielten deshalb, wie schon gegen Stuttgart zwei wichtige Punkte. Also sprach Kahn, nachdem er sich wieder einigermassen beruhigt und den Weg hinab in die Katakomben des Signal Iduna Parks gefunden hatte, von einer jetzt schon "erstaunlichen Saison. Wie wir es immer wieder hinbekommen, uns um den verdienten Lohn zu bringen - das ist also...", sagte er da und wollte den Satz besser nicht zu Ende aussprechen.
"Da muss ich mich schon lange zurückerinnern, um mich an so eine Saison erinnern zu können, in der wir jedes Mal im Grunde entweder viele, viele Torchancen haben und das Tor nicht machen oder wie heute dann vergessen, den Sack zuzumachen und das dritte Tor zu erzielen."
Es bleibt ein Muster dieser Spielzeit, dass die Bayern in der Offensive viel zu viele Torchancen benötigen, dass sie Kälte, Effizienz und Entschlossenheit vor dem gegnerischen Tor genau dann vermissen lassen, wenn sie angebracht wäre. Den Bayern fehlt der Killerinstinkt - also jene Schlüsselqualifikationen, die sie im Grunde selbst erfunden haben. Und es bleibt die andere unschöne Gewissheit, dass es den Bayern deutlich zu selten gelingt, eine Partie auch mal ohne Gegentor zu überstehen.
In der Bundesliga ist das in neun Spielen erst drei Mal gelungen, gepaart mit den Problemen im Torabschluss beschäftigen die Münchener deshalb beiden grössten Baustellen des Fussballs. Ein Zustand, der für den FC Bayern ungewohnt ist und alsbald abgestellt gehört, wie der Vorstansboss unmissverständlich fordert. "Wir müssen jetzt schnell in die Puschen kommen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Mannschaften, die über uns stehen, immer nur unentschieden spielen oder verlieren. Wir müssen schnell auf Platz eins!"
Bayerns wiederkehrende Probleme
Nach rund einem Viertel der Saison schimmert aber immer mehr durch, dass es in dieser Spielzeit tatsächlich nicht einfach so zu einem weiteren Durchmarsch der Bayern kommen könnte. Die sportlichen Probleme halten sich nun zu hartnäckig, als dass man von einer vorübergehenden Schwächephase sprechen könnte. Diese Schwierigkeiten sind inhaltlicher Art, was in erster Linie auf Trainer
Wie schon gegen andere Mannschaften zuvor zeigten sich auch gegen Dortmunds eher tiefes, abwartendes 4-5-1 erhebliche Probleme im Positionsspiel. Die Bayern finden dann kaum in die Halbräume, müssen immer wieder verlagern, ohne in die Tiefe zu kommen und erarbeiten sich so aus dem freien Spiel kaum Torchancen. Die beiden Tore gelangen nach einer Umschaltsituation und per Fernschuss.
Zum Chancenwucher bei den Gelegenheiten zu einem dritten oder sogar vierten Tor Mitte der zweiten Halbzeit gesellte sich dann auch noch eine fast schon unerhört schwache (Positions-)Disziplin - den Anschlusstreffer kassierten die Bayern nach einem Dortmunder Konter ohne jegliche Absicherung im defensiven Mittelfeld. In der dann folgenden Schlussphase hatten die Bayern oft genug den Ball.
Statt den Ball aber einfach nur zu sichern, versuchten es die Münchener immer wieder mit riskanten Manövern und Tiefenpässen. Die fast schon folgerichtigen Ballverluste brachten den BVB dann nicht nur in Ballbesitz, sondern machten die Partie erst zu einem wilden Hin und Her und in den letzten Minuten der Partie zu einem regelrechten Sturmlauf des Gegners. Nagelsmanns Einfluss von der Seitenlinie war offenbar nicht gross genug, um dem Treiben ein Ende zu setzen.
Nagelsmann im Fokus - und genervt
Allerdings standen auf dem Platz auch genug etablierte Spitzenkräfte, die mit einer solchen Situation anders umgehen müssten. Und die, wie Manuel Neuer bei der harmlosen Flanken Sekunden vor dem Ausgleichstreffer, auch schon beherzter zugriffen und die Situation damit löschten, statt den Ball halbhezig mit einer Faust wegzuwischen und dem BVB einen letzten und am Ende entscheidenden Ballbesitz zu erlauben.
Deshalb steht jetzt der Trainer schon wieder in der Debatte und Nagelsmann machte danach am Sky-Mikrofon auch gar keinen Hehl daraus, wie ihn diese Diskussionen nerven. Die dauernden Attacken aktueller und ehemaliger Amtsträger setzen sichtlich Nagelsmann zu. Auf die Frage, was er von
"Das sagen alle, nicht nur Karl-Heinz Rummenigge. In meinen Augen sagen es zu viele. Ich bin ein Trainertalent, da bin ich auch stolz drauf. Ich gebe jeden Tag mein Bestes, den Rest bewerten andere." Sollten die Bayern nicht irgendwann beginnen, ihren Trainer auch demonstrativ zu schützen, dürfte sich daraus eine Dauerdebatte entwickeln. Und wie diese enden, ist allenthalben bekannt.
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So ein Spiel hat der BVB gebraucht
Borussia Dortmund und Anthony Modeste dürften das nur zu gut wissen. Der Angreifer war schon längst als Buhmann des Abends erkoren, Modeste vergab ein paar Minuten vor dem Ende auf absurde Art eine überragend herausgespielte Grosschance. Das Urteil über den glücklosen Mittelstürmer dürfte da beim Grossteil der Fans im Stadion und zu Hause vor dem Fernseher schon gefällt worden sein. Ehe Modeste sich selbst und auch den BVB herauszog aus seinem Loch und einem neuerlich ernüchternden Abend doch einen positiven Anstrich verpasste.
Die Dortmunder jedenfalls feierten das Remis wie einen Sieg. So eine Partie mit diesem krummen Verlauf und dem kaum noch für möglich gehaltenen Teilerfolg hatten die Mannschaft und ihre Fans gebraucht. So etwas hatte es schon lange nicht mehr gegeben im Signal Iduna Park.
Vergessen die spielerische Armut der beiden besten deutschen Mannschaften, das Pressing-Gegenpressing-Gemisch, das das Zuschauen schwer erträglich machte und kaum Werbung war für die Bundesliga. Immerhin war es spannend und hitzig und emotional mit den fast schon üblichen Schiedsrichterdebatten und am Ende gab es zumindest einen gefühlten Sieger. Und einen Trainer, der tief blicken liess - und irgendwie doch verschlossen bleiben wollte.
"Es war für mich persönlich keine einfache Woche, ich war sehr emotional. Ich möchte bitte nicht darüber reden. Da kamen ein paar Gefühle hoch", sagte Edin Terzic. Dem standen die Tränen in den Augen, als er Torschütze Modeste umarmte und später vor die TV-Kameras weiterzog. "Wir haben es uns am Ende verdient, diesen Punkt mitzunehmen, da wir alles nach vorne geworfen haben", führte Dortmunds Trainer weiter aus und konnte sich am Ende einen kleinen Seitenhieb gegen die Kritiker auch nicht verkneifen. "Ich würde mich über eine Mentalitätsfrage freuen..."
Verwendete Quellen:
- kicker.de: Kahn: "Es ist eine erstaunliche Saison"
- spox.com: Julian Nagelsmann mit Spitze gegen Karl-Heinz Rummenigge: "Trainertalent? Sagen zu viele"
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