Seit dieser Saison steht Livia Peng im Tor des SV Werder Bremen. Die Schweizer Nationalspielerin macht regelmässig mit ihren Paraden auf sich aufmerksam und ist einer der Gründe für den aktuell fünften Tabellenplatz Bremens. Das Auswärtsspiel beim 1. FC Köln (Sonntag, 10.03., 14 Uhr) findet im Rheinenergiestadion vor grosser Kulisse statt, 25.000 Tickets waren bis Donnerstag bereits verkauft.
Im Interview mit unserer Redaktion spricht die bald 22-Jährige über ihre bisherigen Auslandserfahrungen, ihre Vorfreude auf die EM 2025 mit der Schweiz und ihre neue Nationaltrainerin Pia Sundhage.
Im Gespräch geht es auch um die geplanten Budgetkürzungen für die Europameisterschaft von 15 auf 4 Millionen Franken durch den Schweizer Bund. Dagegen, das war während des Interviews noch nicht bekannt, wehren sich nun die Austragungsorte in einem Protestbrief.
Frau Peng, wir kommen gerade aus einer Länderspielpause, Sie waren mit dem Nationalteam der Schweiz in Marbella, es wurde zweimal gegen Polen getestet und die neue Nationaltrainerin der Schweiz, Pia Sundhage, hat ihren Einstand gegeben. Sie selbst sind einmal zum Einsatz gekommen. Was können Sie darüber erzählen?
Livia Peng: Also die letzten Tage haben sehr viel Spass gemacht! Die neue Trainerin hat viele neue Impulse gesetzt, auch viel physisch gearbeitet, vor allem die Feld-Spielerinnen sind viel gerannt, das war für sie vielleicht etwas anstrengend (lacht). Es ist schon sehr positiv für uns, weil es einfach ein neuer Impuls ist. Sie ist ein belebender Charakter, was ich sehr cool finde, es ist insgesamt ein erfrischender Eindruck.
Wahrscheinlich erhofft man sich, von ihrer Erfahrung auf lange Sicht profitieren zu können, oder?
Ja, absolut. Also das ist das, was ich auch am meisten gespürt habe, dass sie einfach weiss, wovon sie redet, dass man ihr die Erfahrung anmerkt, die sie über Jahre in verschiedenen Ländern gesammelt hat. Sie hat auch einfach diese Ruhe, mit der sie uns die Dinge erklärt. Sie hat jetzt auch noch ihre beiden Assistenten mitgebracht und man merkt einfach, dass sie ein Team sind, dass sie sehr gut abgestimmt sind. Ich glaube, das tut uns gut. Ich freue mich schon auf die nächste Länderspielreise.
In der Nationalelf konkurrieren Sie derzeit mit Elvira Herzog von RB Leipzig um den Stammplatz im Tor. Haben Sie beide in der Liga vermehrt Kontakt miteinander, oder wie geht man miteinander um?
Also richtig viel Kontakt haben wir nicht. Aber wir batteln uns natürlich schon immer, vor allem wenn wir gegen Leipzig spielen und bei der Nationalelf dann in den Trainingseinheiten (lacht). Es ist eine gute Konkurrenz. Wir pushen uns gegenseitig und das motiviert uns. Und ich glaube, dass das für uns beide auch wichtig ist. Ich bin gespannt. Ich denke, dass wir uns jetzt noch eine Weile abwechseln werden, und irgendwann muss sich die Trainerin dann auch im Hinblick auf die EM entscheiden.
Wie würden Sie die Stimmung in der Schweiz aus der Ferne beschreiben? Vor kurzem wurden auch die Qualifikations-Gruppen ausgelost. Steigt schon die Turnier-Vorfreude?
Ja, also wir Spielerinnen freuen uns alle riesig. Wir waren damals auch alle zusammen, als der Entscheid kam, dass die EM in der Schweiz stattfinden wird. Wir haben uns alle mega gefreut, weil das für unser Land wichtig ist, um den Frauenfussball auch in der Schweiz grösser zu machen. Deswegen versuchen wir alle auch so ein bisschen, die Euphorie auf dieses Turnier zu lenken.
Schweizer Bund streicht Gelder für die EM 2025
Allerdings wird innerhalb der Schweiz politisch um die Gelder für die EM gestritten. Ursprünglich sollte es vom Schweizer Bund 15 Millionen Franken für die Ausrichtungsorte geben, diese Summe wurde auf 4 Millionen gekürzt. Es läuft allerdings ein Antrag, die Summe wieder zu erhöhen. Wie denken Sie darüber?
Erstmal ist es natürlich enttäuschend, dass das Geld gekürzt wurde. Für uns Spielerinnen ist es gerade aber schwierig, das richtig einzuordnen, weil der Prozess noch im Gange ist. Wir hoffen natürlich, dass es am Ende doch bei den 15 Millionen bleibt. Es ist uns schon sehr wichtig, dass es am Ende auch professionell wird, schliesslich ist es eine EM. Das ist wichtig für die Schweiz, aber auch für den Sport, um ihn weiter hervorzuheben.
Sie haben bereits in verschiedenen Ländern gespielt. In Schweden bei BK Häcken, dann durch eine Leihe für ein halbes Jahr in Spanien bei UD Levante. Jetzt Deutschland. Vorher natürlich in der Schweiz. Wie würden Sie diese vier Ligen miteinander vergleichen?
In Schweden war es so, dass in der Liga zwei bis vier Vereine recht professionell sind. Auch bei Häcken war ich sehr überzeugt vom Verein. Ich denke, dass dafür das Gefälle grösser ist.. In Spanien hatte ich das Gefühl, dass alles ziemlich ausgeglichen ist. Logisch, Barcelona, Real Madrid, die setzen sich dann schon oben ab. Aber ich fand ansonsten alles recht ausgeglichen. In der Schweiz ist man noch nicht ganz so weit. Aber ich habe das Gefühl, dass die Liga jetzt mit der EM versucht, den Schwung mitzunehmen, um sich weiterzuentwickeln. Das ist ein wichtiges Ziel für die Schweiz. Ich bekomme mit, dass Spiele in grösseren Stadien sind, wie in Deutschland auch. Ganz so viele sind es in der Schweiz zwar noch nicht, aber es wird mehr. Dann ist es wichtig, dass die Spiele auch gezeigt werden, das ist zum Beispiel hier in Deutschland super. Das ist der Anfang, damit viele Menschen den Frauenfussball sehen und ein Interesse entwickeln können. Das ist mit das Wichtigste, dass wir die Aufmerksamkeit weiter erhöhen können.
Von wo haben Sie für Ihre persönliche Entwicklung besonders viel mitgenommen?
Eigentlich von überall. Ich habe angefangen bei den Jungs beim FC Ems, da habe ich schon sehr viel mitgenommen und konnte viel lernen. Dann bin ich zum FC Zürich, das waren meine ersten Champions-League-Spiele in sehr jungem Alter. Da habe ich dann auch das erste Mal mit Frauen gespielt. Parallel habe ich in Zürich noch meine Matura [Abitur, Anm. d. Redaktion] gemacht. Es war für mich wichtig, einen guten Abschluss zu haben. Dann Schweden, das war die erste Auslandserfahrung, das war alles ein bisschen ungewiss, aber war auch super, weil ich alles Neue total cool und spannend fand. Neue Leute, neue Kulturen, neues Land, neue Sprache, man wird einfach nochmal selbstständiger und lernt auch, diszipliniert zu werden. Das war wichtig für mich. Dann Spanien, das war etwas schwierig mit der Sprache, weil sie dort nicht so viel Englisch gesprochen haben. Also musste ich lernen, anders zu kommunizieren und mir Hilfe zu holen. Ich habe dann regelmässig Spanischunterricht genommen. Und auch gelernt, wie verschieden Kulturen sind und dass es nicht immer so einfach ist, direkt in einem anderen Land anzukommen. In Deutschland ist mir das sehr leichtgefallen, unter anderem, weil ich alle verstehe. Ich bin hier sehr schnell ins Team reingekommen, weil ich mit allen gleich etwas zu tun hatte und direkt kommunizieren konnte. Darüber bin ich auch echt glücklich. Aber auch in Schweden und in Spanien habe ich viele Erfahrungen mitnehmen können und konnte sehr coole Partien spielen. Gegen Barcelona und gegen Real zum Beispiel. Davon habe ich als Kind immer geträumt, solche Spiele zu spielen.
Livia Peng über Torhüterinnentraining
Unterscheidet sich das Torhüterinnentraining bei den jeweiligen Vereinen? Michaela Specht hat erzählt, dass während ihrer Zeit in Spanien das Training sehr anders war, spielerischer, technischer. Bei Feldspielerinnen kann man sich das leicht vorstellen. Gibt es diesen Unterschied bei Torhüterinnen auch?
In Schweden war es ziemlich physisch. Es kommt auch immer so ein bisschen auf den Torwarttrainer an. Ich hatte bei den Jungs einen Torwarttrainer, der mich auch heute immer noch betreut, also vor allem mental und in der Sommerpause. Dort war das auch recht physisch und es gab viele spielnahe Situationen. In Schweden war es ähnlich. In Spanien hingegen eher technisch, also auch allgemein das Training der Feld-Spielerinnen. Das war alles auf Technik aufgebaut und unser Trainer dort, José Luis Sánchez, war auch taktisch wirklich sehr gut. Ich denke, das war in Spanien so das Spezielle. Hier in Deutschland würde ich sagen, ist es ein Mix. Das gefällt mir gut.
Wann wussten Sie, dass Sie als Torhüterin spielen möchten? War das schon immer Ihre Position, oder hat sich das erst entwickelt?
Nee, ganz am Anfang nicht. Da habe ich bei den Fünf-gegen-Fünf-Turnieren noch ein bisschen überall gespielt. Aber dann mit elf Jahren habe ich von meiner Gotti, meiner Patentante, Torhandschuhe bekommen. Und dann bin ich ins Training gegangen und habe gesagt, okay, ich gehe jetzt mal ins Tor, mal schauen, wie das ist. Und das hat mir so gut gefallen, dass ich im Tor geblieben bin.
Ihr Verein Werder Bremen spielt eine richtig gute Saison, er steht derzeit auf dem fünften Platz in der Tabelle. Warum läuft es gerade so gut, und wo soll die Reise noch hingehen?
Ich glaube, dass es so gut läuft, hängt einfach damit zusammen, dass wir im Kopf viel wollen und mental einfach da sind. Wir setzen uns für jedes Spiel Ziele, wollen natürlich gewinnen, wollen einfach nicht nachlassen. Es ist ganz wichtig, dass wir jetzt noch mehr wollen, obwohl wir gerade gut dastehen. Und wir wissen auch, was wir können. Wir sind sehr physisch, das ist unsere Stärke, dass wir in den Zweikämpfen gut sind, dass wir immer wach und parat sind.
Allerdings hat Bremen diese Saison leider auch viel Verletzungspech. Catalina Pérez fällt schon längere Zeit aus, jetzt auch noch Kapitänin Lina Hausicke. Wie geht man als Team damit um?
Für uns ist es sehr, sehr schade, diese beiden Langzeit-Verletzungen zu haben, weil uns dadurch wichtige Spielerinnen fehlen. Wir versuchen einfach, sie bestmöglich zu unterstützen und alles zu machen, was ihnen hilft. Ich denke aber, sie freuen sich am meisten, wenn wir gut spielen und unsere Punkte holen. Wir probieren, auch für sie diese Siege zu sammeln. Ich glaube, das ist so das, was wir ihnen vielleicht geben können.
Jetzt steht für Bremen in Köln wieder eines der Highlightspiele im grossen Stadion an. In der Hinrunde war es bei genau dieser Paarung auch so, die Partie fand im Weserstadion statt. Wie fühlt sich das für Sie als Spielerin an? Was ist der Unterschied?
Einfach alles. Ich habe auch schon öfters gesagt, das Spiel in der Hinrunde war bis jetzt das schönste Erlebnis in meiner Karriere, weil... Das kann man einfach nicht beschreiben. Als ich da stand und so viele Leute im Stadion waren, das war unbeschreiblich. Und man hat dann auch eine ganz andere Motivation und fühlt sich irgendwie ganz anders. Es ist einfach alles so surreal und man wünscht sich natürlich, das wieder zu erleben. Deswegen freue ich mich sehr auf das Spiel am Sonntag!
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Verändert sich eigentlich für Sie durch die Lautstärke die Kommunikation mit den Abwehrspielerinnen vor Ihnen?
Ja, das hätte ich im ersten Moment gar nicht gedacht. Man versteht sich eigentlich gar nicht mehr, also man hört gar nichts mehr. Es ist ein bisschen schwierig, aber auch einfach eine Gewohnheitssache. Da mussten wir uns im Spiel einfach etwas umstellen und herausfinden, ob wir versuchen, noch lauter zu rufen oder vielleicht mehr mit den Händen gestikulieren.
Der 1. FC Köln ist gerade sportlich in einer schwierigeren Situation als Bremen. Was erwarten Sie für ein Spiel?
Ich glaube, das wird für uns eine schwierige Partie, weil Köln zu Hause spielt und einen riesigen Support hat. Dennoch glaube ich, dass es uns auch hilft und anspornt, Vollgas zu geben, damit wir die drei Punkte mitnehmen.
Köln hat mit Sharon Beck eine Spielerin, die für ihre gefährlichen Fernschüsse bekannt ist. Ist das etwas, auf das Sie sich besonders vorbereiten?
Ja, schon. Ich schaue mir sowieso jedes Spiel vorher noch mal an, das der Gegner zuletzt gespielt hat. Da gucke ich dann auf Standards und auf solche Besonderheiten wie zum Beispiel Fernschüsse. Und auch mein Torwarttrainer bereitet mich darauf vor.
Dann als Abschlussfrage: Was sind Ihre persönlichen Ziele für den Rest der Rückrunde? Und wo könnte Werder Bremen am Ende der Saison stehen?
Meine persönlichen Ziele sind, dass wir als Team so weitermachen und nicht nachlassen. Dann ist mein Hauptziel als Torhüterin natürlich, so wenig Tore wie möglich zu bekommen, so viele Spiele zu null zu machen wie möglich. Und, dass wir einfach am Ende der Saison sagen: Das war das, was wir uns vorgestellt haben, das war erfolgreich für uns. Das ist mir sehr wichtig. Ich fühle mich sehr wohl hier und bin jetzt im Team und im Verein voll angekommen. Mir liegt es wirklich am Herzen, dass wir die Saison erfolgreich abschliessen können.
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