Ein unberechtigter Eckstoss leitet die Dortmunder Niederlage bei Union Berlin ein. Der Video-Assistent darf den Schiedsrichter jedoch nicht auf seinen Fehler hinweisen – und das hat logische Gründe.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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Seit es den Video Assistant Referee (VAR) in der Bundesliga gibt, ist an fast jedem Spieltag vor allem in den sozialen Netzwerken eine Reaktion häufig zu beobachten: Sofern der Helfer vor dem Monitor in Köln bei einer strittigen oder gar falschen Entscheidung des Schiedsrichters nicht aktiv wird, verlieren viele Fans die Fassung.
Sie argumentieren, wenn er da nicht eingreife, könne man ihn auch gleich wieder abschaffen.

Das ist zumeist ein Ausdruck von Parteilichkeit, hat oft aber auch eine andere Ursache: Noch immer sind die Grundsätze der Tätigkeit des VAR und die Regularien für seinen Einsatz vielen nicht oder nur teilweise bekannt.

Zu einem typischen Beispiel für die erwähnte Reaktion kam es beim Spiel zwischen Union Berlin und Borussia Dortmund (3:1). Schiedsrichter Felix Brych hatte den Hausherren nach 21 Minuten einen Eckstoss zugesprochen, obwohl kein Dortmunder zuletzt am Ball war, bevor die Kugel die Torauslinie überschritt, sondern der Berliner Anthony Ujah.

Der Eckstoss führte zum 1:0 für den Aufsteiger, und viele fragten: Warum greift der Video-Assistent hier nicht ein? Wieso weist er den Unparteiischen nicht auf seinen Fehler hin?

Warum der Video-Assistent in Berlin nicht eingreifen durfte

Die Antwort ist simpel: Weil er es nicht darf. Zwar überprüft der VAR nach jeder Torerzielung, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Aber das betrifft nicht die Berechtigung der letzten Spielfortsetzung, die dem Treffer vorausgegangen ist.
Das wäre regeltechnisch auch gar nicht möglich, denn wenn beispielsweise ein Eckstoss, Einwurf oder Freistoss mit der Zustimmung des Schiedsrichters ausgeführt ist, darf eine vorangegangene Entscheidung nicht mehr geändert werden.

Wenn man also unbedingt verhindern wollte, dass ein Tor aus einem unberechtigten Eckstoss, Einwurf oder Freistoss folgt, dann müsste der VAR zwangsläufig vor jeder Eckstoss-, Einwurf- oder Freistossausführung überprüfen, ob der Referee richtig entschieden hat.

Lothar Matthäus sollte es besser wissen

Das würde zu zahllosen Unterbrechungen führen, was wohl niemand gutheissen würde. Deshalb hat das International Football Association Board (Ifab) entschieden, dass von allen Spielfortsetzungen nur die Berechtigung eines Strafstosses vom VAR unter die Lupe genommen wird.

Denn bei einem Elfmeter ist die Wahrscheinlichkeit, dass er zu einem Tor führt, am grössten. Einen Eckstoss oder Einwurf dagegen kann man verteidigen, er endet erheblich seltener in einem Treffer.

Der deutsche Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, der für den Bezahlsender Sky tätig ist, hatte übrigens eine ganz eigene Meinung zu dieser Szene: Er fand, die Eckstossentscheidung sei nicht eindeutig falsch, weshalb es richtig sei, dass der VAR nicht eingegriffen habe.

Damit lag allerdings auch er daneben, denn die Frage, wer zuletzt den Ball berührt hat, ist keine des Ermessens, sondern sie lässt sich für gewöhnlich eindeutig beantworten, so auch hier. Nur spielte das für die Berechtigung zum Eingriff durch den Video-Assistenten keine Rolle. Ein Experte wie Matthäus könnte und sollte das wissen.

Was sonst noch wichtig war:

  • In der 37. Minute der Partie zwischen dem SC Freiburg und dem 1. FC Köln (1:2) traf Kingsley Schindler für die Gäste ins Tor. Doch der Video-Assistent entdeckte beim Check eine Regelwidrigkeit: Bei der Balleroberung war Dominick Drexler dem Freiburger Robin Koch mit den Stollen auf den Unterschenkel getreten. Schiedsrichter Robert Kampka war das entgangen. Da der folgende Angriff ohne Umwege zum Erfolg geführt hatte, erkannte der Unparteiische das Tor nach einem On-Field-Review ab. Drexler hatte dabei sogar noch Glück, dass er ohne persönliche Strafe davonkam: Für diese Art des Einsteigens wäre die Gelbe Karte eigentlich das Mindeste gewesen.
  • Auch der Paderborner Klaus Gjasula war mit der Verwarnung gut bedient, die Schiedsrichter Daniel Schlager in der Nachspielzeit der Begegnung des VfL Wolfsburg gegen den SC Paderborn 07 (1:1) gegen ihn aussprach. Gjasula hatte einen Konter der Hausherren abrupt dadurch beendet, dass er Felix Klaus durch ein seitliches Tackling zu Fall brachte. Das Tempo, die Dynamik des Einsteigens und die Tatsache, dass der Ball für Gjasula nicht mehr erreichbar war, sprachen eher für eine Rote Karte. Weil Klaus aber nur seitlich am Fuss, also nicht an einer besonders verletzungsanfälligen Stelle, getroffen wurde, beliess es der Referee bei Gelb. Das war zumindest nicht klar falsch.
  • 0:0 endete das Spiel zwischen Bayer 04 Leverkusen und der TSG 1899 Hoffenheim. Dabei lag der Ball kurz vor dem Ende nach einem Eckstoss im Tor der Gäste. Doch als der Leverkusener Sven Bender und Pavel Kadeřábek kurz vor der Eckstossausführung im Strafraum zu Boden gegangen waren, hatte Schiedsrichter Felix Zwayer die Partie sofort unterbrochen. Er wollte eine Behandlung ermöglichen, falls nötig. Lag ein Foulspiel von Kadeřábek vor? Selbst dann hätte es keinen Strafstoss gegeben, da der Ball noch nicht im Spiel war – und nur dann kann auf Freistoss oder Elfmeter entschieden werden. So aber liess Zwayer den Eckstoss richtigerweise wiederholen. Hätte er dagegen erst nach der Eckstossausführung gepfiffen, dann wäre es zu einem Schiedsrichterball gekommen – wie immer, wenn der Unparteiische das laufende Spiel unterbrochen hat, um gegebenenfalls einen Verletzten behandeln zu lassen.
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