Mit Lucien Favre wagt Borussia Dortmund mal wieder einen kompletten Neustart. Der neue Trainer hat jede Menge Arbeit vor sich. Diese Probleme muss er lösen.

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Borussia Dortmund gastiert derzeit in Los Angeles, der BVB ist dort auf einer Promotion-Tour unterwegs, es gab ein Show-Training und tatsächlich auch ein echtes Spiel gegen den Los Angeles FC.

Jetzt ist Sommerpause - zumindest für jene Spieler, die nicht mit ihrer Nationalmannschaft zur WM nach Russland reisen.

Favre soll BVB wieder auf Kurs bringen

Wenn sie nach Dortmund zurückkehren, treffen sie auf einen neuen Trainer: Lucien Favre. Der Schweizer soll den wankenden Riesen wieder auf Kurs bringen, wenigstens wieder zur zweiten Macht hinter den enteilten Bayern machen.

Schon vor einem Jahr galt Favre schon mal als eine grosse Lösung in Dortmund - übrigens zusammen mit Stöger und einem gewissen Peter Bosz.

Für den Niederländer entschieden sich dann Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc. Danach musste Stöger die Saison irgendwie retten. Das gelang ihm eher schlecht als recht. Und nun kommt also Favre, der für einen Aufbruch sorgen soll.

Alle Kandidaten einmal ausprobiert

Das schafft auch nicht jeder, innerhalb von zwölf Monaten alle potenziellen Kandidaten von damals durchzucasten und auszuprobieren. Und es sagt eine Menge aus über den derzeitigen Zustand der Borussia.

Favre findet einen Klub vor, der in sich zerrissen ist und auf so ziemlich allen Ebenen teilweise sogar grossen Reformbedarf hat. Stöger hat zwar das Minimalziel Champions-League-Teilnahme irgendwie noch erreicht, Dortmunds Art Fussball zu spielen war jedoch teilweise chaotisch, inhaltlos und ohne echte Struktur, gerade im Spiel mit dem Ball.

Die Mannschaft hat fast alle Leitplanken der letzten Jahre vergessen, den Ballbesitzfussball unter Thomas Tuchel, den Pressing- und Überfallfussball unter Bosz oder sogar noch Jürgen Klopp.

Spiele mit BVB-Beteiligung waren oft ein wildes Potpourri an Stilen und am Ende lebte die Mannschaft von ihrer individuellen Qualität - und nicht von einem einheitlichen, übergeordneten Plan.

Favre muss spielerische Identität finden

Favre wird der Mannschaft eine neue spielerische Identität verpassen und klare spieltaktische Massnahmen und Aufgaben an die Hand geben müssen.

Dass es dafür kaum einen besseren geben kann als den akribisch Besessenen, steht wohl ausser Frage.

Favre ist ein Trainer, der schnell und nachhaltig Ideen vermitteln und implementieren kann und der - für die Ansammlung an vielen hochbegabten jungen Akteuren im Kader sehr wichtig - Spieler auch tatsächlich besser machen kann.

Auch das ist ein Indikator für einen Verkaufsklub wie den BVB, der auf Transfererlöse angewiesen ist und mit einem Blockbuster-Deal wie vor einem Jahr mit Ousmane Dembele fast eine komplette Saison durchfinanzieren kann.

Zwischenmenschliche Störungen

Neben der Baustelle auf inhaltlicher Ebene präsentiert sich Favre aber auch eine Truppe, die untereinander nicht mehr funktioniert hat.

Im zwischenmenschlichen Bereich taten sich in den letzten anderthalb Jahren teilweise regelrechte Gräben auf. Nun sind mit Dembele oder Pierre-Emerick Aubameyang zwar die grössten Stinkstiefel weg, die Rückgabe der Kapitänsbinde des Urgesteins Marcel Schmelzer lässt aber tief blicken.

Schmelzer sprach von "zwei anstrengenden und intensiven Jahren, die sehr kräftezehrend waren."

Darunter fällt auch der Anschlag auf den Mannschaftsbus und dessen Folgen, die die Mannschaft bis heute begleiten.

Aber auch unabhängig davon schossen einzelne Akteure zu oft übers Ziel hinaus, entweder auf dem Platz oder abseits des Platzes.

Die ständige Unruhe im und um den Klub hat dem BVB jede Menge Konzentration geraubt, Disziplinlosigkeiten dieser Art wird sich der neue Trainer kaum gefallen lassen, weder in ihrer Häufigkeit noch in ihrer Qualität.

Dafür ist Favre viel zu sehr Disziplinfanatiker, dem die Chemie innerhalb der Mannschaft enorm wichtig ist. Und der mit Marco Reus, einem designierten neuen Kapitän, einen grossen Fürsprecher haben wird.

Immerhin hat Favre Reus in Mönchengladbach erst gross und zum Nationalspieler gemacht.

Der BVB braucht einen neuen Kader

Und dann ist da noch der Umbau des Kaders. Sokratis will weg, für den einen oder anderen Mittelfeldspieler wird kein Platz mehr sein. "Wir werden Geld in die Hand nehmen, um neue Spieler zu holen", sagte Sportdirektor Zorc neulich der "Bild".

Rund 80 Millionen Euro sollen zur Verfügung stehen. Das hört sich nach einer ganzen Menge an, angesichts der offenen Planstellen dürfte aber auch dieser grosse Investitionsrahmen bald gesprengt sein.

Favre hat längst eingegriffen in die Personalplanungen. Er hat den Transfer seines Landsmannes Stephan Lichtsteiner verhindert.

Der Spieler und die beiden Klubs sollen sich schon einig gewesen sein, dann kam das Veto aus Nizza: Favre wolle lieber einen jüngeren Rechtsverteidiger haben, den Schweizer Silvan Widmer zum Beispiel.

Neben einem Innenverteidiger und einer Alternative für die rechte Seite wird nach einem zentralen Mittelfeldspieler gefahndet, der gerne etwas mehr Rustikalität einbringt.

Hier gibt es Überlegungen um Thomas Delaney von Werder Bremen oder den Ajax-Spieler Hakim Ziyech geben. Auch Frankfurts Allrounder Marius Wolf soll ein Kandidat sein.

Und dann muss noch ein Stürmer her. Michy Batshuayi wird zum FC Chelsea zurückkehren müssen. Dort wiederum sitzt Alvaro Morat oft auf der Bank.

Der Spanier war erst im letzten Sommer für über 60 Millionen Euro an die Stanford Bridge gewechselt und wird nun mit dem BVB in Verbindung gebracht.

Es gibt also Bedarf in allen Mannschaftsteilen. Das sagte zuletzt auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

Immerhin die Trainerposition ist jetzt fest besetzt. Mit Lucien Favre hat die Borussia zumindest da die wohl die beste Lösung schon gefunden.

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