Nach der 2:4-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach sollte auch dem Letzten dämmern, dass Borussia Dortmund gerade Gefahr läuft, das Minimalziel der Champions League-Qualifikation zu verpassen. Im Fokus der Kritik stehen vor allem die vermeintlichen Führungsspieler des BVB, allen voran Kapitän Marco Reus.

Christopher Giogios
Eine Kolumne
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Von manchen Beobachtern als Ergebniskrise oder vorübergehendes Formtief fehlinterpretiert, wird allmählich deutlich: mehr als das ständige Auf und Ab bringt der BVB in dieser Saison offenbar nicht auf den Platz. Die Probleme sind zwar vielfältig, allerdings wird ein Defizit von Experten immer lauter bemängelt: die Führungsspieler der Borussia seien derzeit nicht in der Lage, der Mannschaft Stabilität zu verleihen.

Marco Reus: Lautsprecher neben dem Platz, Formtief auf dem Platz

Diese Kritik richtet sich naturgemäss gegen den Kapitän, der schliesslich an erster Stelle dafür verantwortlich ist, sein Team anzuführen und in schwierigen Situationen voranzutreiben. Marco Reus kann man nicht vorwerfen, dass er abseits des Platzes keine klaren Worte findet. Im Gegenteil: mit Bemerkungen, dass ihm das notorisch schwache Defensivverhalten bei Standards "gewaltig stinke", oder der BVB nach dem Anpfiff der Partie mal wieder "drei Stunden gebraucht habe, um Fussball zu spielen", trifft er den Nagel auf den Kopf. In der Analyse zumindest. Die Kehrseite der Medaille ist aber auch, dass sich der 31-Jährige selbst in einem Formtief befindet.

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Wenn Marco Reus in der Vergangenheit Eines bewiesen hat, dann seine Fähigkeit, nach schweren Verletzungen ohne längere Eingewöhnungszeit wieder auf den Platz zurückzukehren und voll da zu sein. Das, so ehrlich muss man sein, gelingt ihm in der laufenden Saison nicht. Mit drei Toren und drei Vorlagen in der Bundesliga drückt sich das auch in den Zahlen aus: Rein statistisch ist es seine schlechteste Hinrunde im BVB-Trikot.

Und wenn das Gefühl entsteht, dass erst kürzlich verpflichtete Spieler wie Erling Haaland oder Emre Can mehr Trotzreaktionen auf dem Platz zeigen als ihr eigener Kapitän, dann läuft etwas gewaltig schief. Und dann ist es auch keine Überraschung, dass in der öffentlichen Diskussion die alten Hasen wie Reus, aber auch Abwehrchef Mats Hummels besonders kritisiert und in ihrer Rolle hinterfragt werden.

Die Reaktion muss von den Routiniers vorgelebt werden

Klar ist aber auch: Trainer Edin Terzic setzt voll auf Marco Reus. Nach dem Abgang von Lucien Favre soll es mehrere intensive Gespräche des 38-Jährigen mit seinem Kapitän gegeben haben. Hinter den verschlossenen Kabinentüren soll der Nationalspieler zudem deutlich meinungsstärker auftreten, als es in der Öffentlichkeit der Fall ist – nach aussen wurde diese Aufgabe schliesslich zuletzt oft von Hummels wahrgenommen. Ein Wechsel der Kapitänsbinde ist damit sehr unwahrscheinlich und würde vermutlich nur mehr Verunsicherung bringen.

Diese kommunikative Funktion nimmt Reus aber nicht aus der Pflicht, auch auf dem Platz voranzugehen. Dabei geht es für ihn als Offensivspieler nicht nur um Tore und Assists, sondern um das Vorleben einer grundlegenden Einstellung, die von jedem Spieler In Sachen Körpersprache und Zweikampfverhalten erwartet werden darf. Reus bringt hierzu eigentlich alle Fähigkeiten mit: Insbesondere seine frechen Ball-Rückeroberungen könnten den anderen Offensiv-Youngstern als Beispiel dafür dienen, wie man als Mannschaft zu verteidigen hat. Auch Terzic betont immer wieder, wie wichtig diese Basics sind. Fazit: eine Antwort muss nun auf dem Platz erfolgen. Als Marco Reus gegen Gladbach wütend den Ball wegschoss, kam diese Trotzreaktion circa 71 Minuten zu spät – die Szene spielte sich nämlich erst nach seiner Auswechslung ab.

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