Mario Götzes Rückkehr nach Dortmund ist mehr als ein Transfer: Der Spieler und der Klub schlagen einen schwierigen Weg ein. Aber nur so kann der BVB in der kommenden Saison sein grosses Ziel verfolgen: Den Angriff auf die Bayern.

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Einfach hat es sich Mario Götze ganz sicher nicht gemacht. Der Höchstbegabte unter den vielen Hochbegabten des deutschen Fussballs hat sich für den Weg zurück zu Borussia Dortmund entscheiden. Und nicht für einen finanziell lukrativeren Job im Ausland oder ein weiteres Jahr in München zwischen Tribüne, Bank und Startelf.

Götze wagt den grössten aller Schritte, und alleine das wäre schon beachtenswert genug. "Er hatte mehrere Wechsel-Optionen und hat sich bewusst für den sicher nicht leichten Weg entschieden, zu seinem Heimatklub zurückzukehren", sagt Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc. Seit dem Frühjahr waberten die Gerüchte und Spekulationen durch die Liga, am Donnerstag wurde dann auch offiziell verkündet, was seit Tagen schon als gesichert galt.

Dortmunds Anhängerschaft ist zweigeteilt

Mit der Rückkehr des verlorenen Sohns haben sich Dortmunds Verantwortliche einiges an Arbeit aufgebürdet. So richtig offensiv wurde die Rückholaktion nie beworben oder aber subtil moderiert. Die Anhängerschaft ist ohnehin mindestens zweigeteilt, was Götze in Schwarz-Gelb anbelangt.

Von den Ultras hat der 24-Jährige keinen besonders freundlichen Empfang zu erwarten und sehr wahrscheinlich wird er auch die wenigsten von ihnen in den vier Jahren bis zum vorläufigen Vertragsende umstimmen können.

Der Transfer dürfte im Gegenteil für einen grossen Teil der Hardcore-Fans das i-Tüpfelchen auf eine aus ihrer Sicht bemerkenswert unromantische Transferperiode sein. Nach den Verlusten von Kapitän Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan, drei prägenden Figuren der vergangenen Jahre und ebenso etablierte wie liebgewonnene Spieler, hat der BVB bisher zwar hochtalentierte, aber eben auch ausländische Spieler eingekauft.

Entrückt von der Basis?

Dembele, Merino, Bartra, Mor und Guerreiro sind gewiss tolle Transfers, die auch einen sportlichen Zugewinn darstellen. Auf der anderen Seite fehle den Spielern dieses Etwas, das Identifikation schafft, Stallgeruch - oder wenigstens die Aussicht, sich da einen kommenden deutschen Nationalspieler heranzuzüchten.

Die Transfers wirkten für Teile der Fans wie Fallbeispiele für eine rasant fortschreitende Internationalisierung des Klubs, Sebastian Rodes Transfer kann dem kaum entgegenwirken. Und nun also auch noch Götze, den sie vor drei Jahren mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt haben und dessen Hin und Her zwischen Dortmund und München einen faden Beigeschmack hinterlässt.

Von Andre Schürrle ist da noch gar nicht die Rede. Auch der soll kommen, für sehr viel Geld vermutlich. Obwohl er seit mindestens zwei Jahren der Musik ganz schön hinterherrennt und weder in London noch in Wolfsburg Akzente setzen konnte.

Das ist eine schwierige Gemengelage, die auf der Kommunikationsebene sicherlich sensibel zu behandeln ist. Viel wichtiger ist aber ja der sportliche Erfolg. Und da setzt der Götze-Transfer ein ganz kräftiges Ausrufezeichen an die Konkurrenz aus München.

Der BVB hat sich nicht beirren lassen und man darf getrost davon ausgehen, dass neben den paar Herzschmerz-Punkten bei Götzes Rückkehr Trainer Thomas Tuchel eine ganz klare Vorstellung davon hat, wie Götze seinen Kader verfeinern und die neu aufzubauende Mannschaft unter Umständen noch besser machen kann, als sie es in der vergangenen - einer aus Dortmunder Verhältnisse auf vielen Ebenen - Rekord-Saison schon war.

Thomas Tuchel ist der Schlüssel

Mit den "Young Guns" aus dem Ausland, ein bisschen mit Rode und vielleicht auch Schürrle, und mit ganz besonders viel Götze wagt der BVB den Angriff auf die Spitze. Thomas Tuchel gehört wie die genannten Spieler auch zu einer zwar respektierten und geachteten Spezies an der Strobelallee. Die Arbeit des Trainers wird über die Massen geschätzt, die Erfolge seiner ersten Saison beim BVB sprechen für sich. Und trotzdem kann auch Tuchel als Nachfolger von Jürgen Klopp bei den Fans nicht wie der Messias sein, der Übervater und omnipräsente Tausendsassa. Das wird ihm nicht zum Vorwurf gemacht, ist trotzdem aber eine Tatsache, die immer dann ins Spiel kommt, wenn es um Nestwärme und Emotionalität geht. Tuchel ist eher der kühle, rationale Planer.

Das mag manchem Fan nicht besonders gefallen. Es ist aber die einzige Chance für die Borussia, den Anschluss an die Bayern nicht vollends zu verlieren. Auch deshalb ist der Götze-Transfer so spannend für die Liga: Tuchel muss nun erstmals in seiner Karriere zeigen, ob er auch ein neu formiertes Team mit Stars und Sternchen auf Erfolgslinie trimmen kann.

Handwerklich dürfte der Coach dafür alles mitbringen: Wie schnell Tuchel seine Mannschaft vor einem Jahr vom Klopp-Hauruck-Fussball entwöhnt und ihr einen fast völlig neuen Stil eintrichtern konnte, bliebt eine famos grosse Leistung. Jedenfalls hat sich der BVB nun innerhalb kürzester Zeit und trotz der gewaltigen Abgänge einen Kader hingestellt, der zwei fast gleich starke Startformationen zulässt.

Bester Kader aller Zeiten?

Dortmunds Kader ist qualitativ so bärenstark und in der Breite doch dazu ausgeglichen wie im Prinzip noch nie zuvor. Selbst mit weniger talentierten Mannschaften wurde der BVB schon deutscher Meister. Oder hätte im Sommer 2010 ernsthaft jemand daran gedacht, dass die Borussia mit damals eher unbekannten Spielern wie Schmelzer, Piszczcek, Kuba, Bender, Kagawa oder Barrios die Spitze erobert und zwei Jahre lang nicht mehr hergibt?

Das Setup erscheint vor der anstehenden Saison zumindest auf dem Papier besser. Die Abwehr bereitet noch ein wenig Sorgen, im Mittelfeld und Angriff ist Borussia Dortmund aber unfassbar stark und variabel aufgestellt. Und dazu kommt mit Tuchel ein Trainer, der konzeptionell hervorragend arbeitet und bereits gezeigt hat, dass er aus Versatzstücken Mannschaften formen kann, die in der Summe weit besser agieren, als es die Einzelteile vermuten liessen.

Die Rückkehr von Mario Götze nach Dortmund ist mehr als ein Transfer. Für den Spieler, wegen der sehr speziellen Vorgeschichte. Für den Klub, weil eben jene Vorgeschichte auch eine ordentliche Portion Mut einfordert, es nun noch einmal zu versuchen. Und für die Liga: Weil der BVB mit diesem Kader und diesem Trainer die Bayern womöglich noch hartnäckiger attackieren kann.

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