Der Wechsel von Mario Gomez zum VfL Wolfsburg scheint wie eine Charme-Offensive - in Wirklichkeit ist es aber mehr als nur ein Signal. Der Spieler selbst findet in Wolfsburg alles vor, was er auf dem Weg zu einem grossen Ziel benötigt.
Zunächst mal steht da folgende Erkenntnis: Ein frisch gebackener Meister, ein Champions-League-Teilnehmer, wechselt zu einem Klub, der es in der vergangenen Saison auf Rang acht seiner Liga gebracht hat - was noch nicht einmal zur Teilnahme am UI-Cup gereicht hätte, würde es den noch geben.
Mario Gomez hat sich dem VfL Wolfsburg angeschlossen. Der beste Strafraumstürmer Deutschlands ist zurück in der Bundesliga. Er hat sich als Arbeitgeber aber einen Klub ausgesucht, der derzeit wie wohl nie zuvor selbst noch auf der Suche ist: nach einer neuen Identität, nach Halt, nach dem Esprit vergangener Tage.
Nun ist es nicht so, dass sie in Wolfsburg plötzlich am Hungertuch nagen. Der VfL steht im Vergleich zu Dreivierteln seiner Konkurrenten immer noch bestens alimentiert da. Aber die Zeit der ganz grossen Transfers, als selbst für eher mittelprächtige Spieler fast zweistellige Millionensummen bezahlt wurden, scheint vorbei.
Ein Zeichen - und doch mehr
Der VW-Konzern hängt im Imagetief und sein Repräsentant in der Glitzerwelt des Fussballs hatte zuletzt mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Etliche prosperierende Spieler sind weg, wollten weg oder wollen immer noch weg. Die Farce um Nationalspieler
Jetzt also
Bleibt die Frage, was Gomez eigentlich dazu bewegt, ausgerechnet nach Wolfsburg zu wechseln? Gewiss wird er für sein Tun ordentlich entschädigt werden. Trotzdem lagen angeblich auch Offerten aus England und Spanien auf dem Tisch, man munkelt von West Ham United und sogar Atlético Madrid.
Ein Vorbild für den VfL
Seine pflichtbewusst in die Notizblöcke diktierten Sätze kann man getrost als PR-Sprech einordnen. Dass er zum Beispiel mit dem VfL wieder ins internationale Geschäft wolle. Das hätte er sofort auch woanders haben können.
Vielleicht ist es aber so, dass er nach zwei Auslandserfahrungen keine grosse Lust mehr verspürt, noch einmal in einem fremden Land von vorne anzufangen und sich auf das nächste Abenteuer einzulassen.
Gomez kennt die Bundesliga, er kennt das Gros seiner Mitspieler, er weiss was er erwarten kann und was von ihm erwartet wird. "Ich bin sehr glücklich, in die Bundesliga zurückkehren zu können." Diesen Satz darf man ihm zu hundert Prozent abnehmen. Gomez hat neulich geheiratet, er gehört mittlerweile der Generation Ü30 an, nach drei Jahren des Umherziehens soll jetzt Wolfsburg ein Anker werden.
Gomez war in Deutschland lange verschwunden aus der öffentlichen Wahrnehmung, vom AC Florenz und Besiktas bekommt man zu Hause nur bedingt etwas mit. Er will es jetzt noch einmal wissen und den Leuten auch ausserhalb einer Europameisterschaft zeigen, was er noch kann. Jedes Wochenende, nicht nur drei Wochen im Jahr. Gomez hat im Nationaldress längst geschafft, was sich der VfL Wolfsburg erhofft: Er hat seinen ganz persönlichen Turnaround geschafft.
Vom Buhmann, als der er viele Jahre herhalten musste, zu einem Spieler, dessen Fehlen im Halbfinale gegen Frankreich zutiefst betrauert wurde. So eine Geschichte stellt sich auch der VfL Wolfsburg vor: Nicht mehr länger das hässliche Entlein zu sein. Sondern endlich auch mal wieder ein bisschen zu glänzen.
Ein sportlich sinnvoller Transfer
Aus fussballerischer Sicht muss man nicht lange darüber grübeln, ob der Transfer Sinn ergibt. Gomez hat sich - in einer qualitativ zwar nicht besonders hochwertigen Liga - zurückgemeldet im Kreis der grossen Angreifer. Er ist fit, er ist selbstbewusst und, wie die EM gezeigt hat, auch wieder der Vollstrecker, als der er damals für die Rekordsumme von 30 Millionen Euro vom VfB Stuttgart zu den Bayern gewechselt ist.
Wolfsburgs Spiel ist sehr flügellastig, da wird viel geflankt oder versucht, in den Rücken der Abwehr zu gelangen, um dann in den Strafraum zu spielen. Bas Dost hat bisher seine langen Beine oder seinen Kopf reingehalten, wenn so ein Ball angeflogen kam. Aber der Niederländer hat immer wieder auch für Zoff gesorgt, dann war er wieder lange verletzt, dann wollte er weg oder mehr Spielzeit. Nun darf er offenbar gehen.
Mario Gomez nimmt Dosts Stammplatz ein. Er kann sich jetzt vor der Haustür für ein letztes grosses Helau anbieten: Die Weltmeisterschaft 2018 ist ein Fernziel. In Wolfsburg findet er beste Voraussetzungen, um für den Bundestrainer weiter interessant zu bleiben. Und diese eine Sache, für die Wolfsburg gerne belächelt wird - die Mario Gomez aber sehr zuträglich sein dürfte: ein bisschen Ruhe.
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