Markus Weinzierl muss gehen, der FC Schalke 04 entlässt damit den 13. Trainer in den vergangenen zehn Jahren. Das vorzeitige Aus des Trainers ist auch eine heftige Niederlage für Manager Christian Heidel. Der wollte Schalke zum Bayern-Jäger machen - und hat jetzt doch nur wieder ein Jahr in den Sand gesetzt.
Wie nah Genie und Wahnsinn beim FC Schalke 04 beieinander liegen, lässt sich wohl am besten mit einem Blick auf die Trainerhistorie der vergangenen zehn Jahre verdeutlichen.
Zwölf Trainer hat Schalke in diesem Zeitraum verschliessen, inklusive aller Interimslösungen.
Der Letzte, der sich mehr als zwei Jahre auf dem Schleudersitz in Gelsenkirchen halten konnte, war ein gewisser Mirko Slomka.
27 Monate schaffte Slomka, der dann trotz des Einzugs ins Viertelfinale der Champions League gehen musste. Das ist die chaotische Seite des FC Schalke 04.
Dass es der Klub trotz dieser unfassbaren Fluktuation auf dem wichtigsten Posten im gesamten Klub doch sieben Mal in den Europapokal geschafft hat, ist fast schon ein kleines Wunder. Und es zeigt auch, was grundsätzlich möglich wäre bei den Königsblauen.
Den nächsten Hoffnungsträger verbrannt
Markus Weinzierl ist nun der 13. Trainer, der in dieser kurzen Epoche gehen muss. Eine Saison durfte sich Weinzierl ausprobieren.
Im vergangenen Sommer galt er als eins der hoffnungsvollsten Trainertalente der Republik, heiss begehrt von gleich mehreren Klubs im In- und Ausland. Nicht wenige dichteten ihm schon eine spätere Zukunft in Dortmund oder bei den Bayern an.
Zwölf Monate später wirkt Weinzierl wie der nächste gefallene Engel, den Schalke einfach so wieder ausspuckt wie ein ausgelutschtes Kaugummi.
Weinzierl ist der vierte Newcomer in Folge, den Schalke verschleisst nach Jens Keller, Roberto Di Matteo und André Breitenreiter.
Vor der abgelaufenen Saison sollte doch alles so anders werden auf Schalke. Neuer Trainer, neuer Sportdirektor, mal wieder ein ganzer Haufen neuer Spieler.
Weg mit alten, belasteten und verkrusteten Strukturen. "Mutigen, aktiven und frechen Fussball" hatte Weinzierl bei seiner Vorstellung versprochen und im Überschwang der Vorfreude ein Bonmot verfasst, das ihm jetzt natürlich gleich um die Ohren fliegt.
Eine Absage habe er von einem seiner potenziellen Vermieter bekommen, der Herr wünsche sich doch bitte einen längerfristigen Mieter.
Die Zeit für Spässe war nach einem Saisonstart mit fünf Niederlagen aus den ersten fünf Spielen aber schnell wieder vorbei.
Das neue Konstrukt wackelte quasi vom ersten Spieltag an gewaltig, Weinzierl krempelte die Grundordnung gehörig durcheinander und bekam wenigstens phasenweise stabile Leistungen.
Ein stetes Auf und Ab
Vom 4-2-3-1 über ein 4-4-2 bis zum 3-1-4-2 versuchte der Coach alles aus und blieb dann nach zwölf Spielen in Folge ohne Niederlage bei der Formation mit der Dreierkette hängen.
Im Winter wurde auf dem Transfermarkt nochmal nachgeladen, mit Guido Burgstaller, Daniel Caligiuri und Holger Badstuber ordentliche Qualität eingekauft und später Nabil Bentaleb von den Tottenham Hotspur für satte 19 Millionen Euro fest verpflichtet.
Vom grossen Angriff oder einer Aufholjagd im Kampf um die Europapokalplätze war aber trotzdem nichts zu sehen.
Die Mannschaft blieb inkonstant und launisch, Highlights wie dem Weiterkommen in der Europa League gegen Gladbach folgten unerklärlich blutleere Auftritte wie der in Bremen (0:3) oder in Darmstadt (1:2).
Als sich Schalke dann bei der letzten verbliebenen Chance auf eine halbwegs erfolgreiche Saison in der Europa League von einer besseren A-Jugend-Mannschaft aus Amsterdam peinlich vorführen liess und mit einem 0:2 noch gut bedient war, sollte der sportliche Tiefpunkt erreicht sein.
Der emotionale Niedergang folgte dann eine Woche später im Rückspiel, als Schalke es nach einer starken Leistung und mit einem Spieler mehr in die Verlängerung schaffte - und dort dann nach zwei Gegentoren scheiterte.
In der Liga geriet die teuer zusammengestellte Truppe sogar bis wenige Spieltage vor Schluss noch in Abstiegsgefahr und liess die Saison dann mit zwei Remis und einer Niederlage fast schon standesgemäss austrudeln.
Harte Worte von Heidel
Einige Spieler beklagten sich mehr oder weniger ungeniert in der Öffentlichkeit über den Trainer und dessen Umgang mit der Mannschaft. Wobei es - wie fast immer im Fussball - auch jene Spieler waren, die Weinzierl zumeist links liegen liess.
In den letzten Tagen nahmen diese Auswüchse aber wieder verstärkt zu, mit der gefährlichen Ruhe auf Schalke ist es jetzt längst wieder vorbei.
Kaum hat der grosse Rivale Borussia Dortmund seine Seifenoper beendet, startet Schalke mit seiner Variante der Komödie in die Sommerpause. Daran war auch der Manager nicht ganz unbeteiligt.
Statt Weinzierl bei den Attacken der Spieler Rückendeckung zu gewähren, fiel Heidel mit einem erstaunlich vernichtenden Saisonfazit auf. "Ich möchte, dass die Mannschaft ein klares Konzept auf dem Platz zeigt. Ich habe es nicht erkannt."
Rückkehr zum Schalke-Chaos
Heidel verwehrte sich stets gegen das viel zitierte Schalke-Chaos, die Demission des absoluten Wunschtrainers nach nur einer enttäuschenden Saison lässt aber kaum einen anderen Schluss zu. Schalke hat sich mal wieder nur im Kreis gedreht und die nächste Saison achtlos weggeworfen.
Auch Heidel werden jetzt einige seiner forschen Aussprüche zuletzt wieder wie ein Spiegel vors Gesicht gehalten. "Aus der kleinsten Mücke wird hier ein Elefant gemacht. Wenn etwas nicht läuft, heisst es gleich: typisch Schalke!", sagte er vor einem Jahr der "Sport-Bild".
Und weiter: "Schalke darf nicht mehr für Pleiten, Pech und Pannen stehen. 'Typisch Schalke' muss für etwas Positives stehen, für Leidenschaft, für Fan-Treue, für eine erfolgreiche Fussball-Philosophie, mit der sich die Anhänger identifizieren."
Zu viel Positives, Leidenschaft und eine nachvollziehbare Philosophie waren aber nicht zu erkennen. Was allenfalls bleibt, ist die bedingungslose Treue der Fans.
Das Ziel, bis 2020 die Nummer zwei hinter dem FC Bayern München zu werden, erscheint derzeit als reine Utopie.
Domenico Tedesco soll der neue Heilsbringer werden. Der nächste unverbrauchte Emporkömmling, der mit Erzgebirge Aue eine tolle Rückrunde hingelegt hat und in einem Atemzug mit Julian Nagelsmann (1899 Hoffenheim) oder Hannes Wolf (VfB Stuttgart) genannt wird.
Schalke 04 hat seine hehren Ziele jedenfalls schnell wieder aus den Augen verloren und sich auf die altbekannten Pfade begeben. "Kontinuität" bleibt ein Fremdwort in Gelsenkirchen. Stattdessen steht der nächste Neustart an.
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