Der für den Sommer angekündigte Wechsel von Alexander Nübel zum FC Bayern München schlägt schon jetzt hohe Wellen. Gewichtige Fragen stehen im Raum - droht dem Rekordmeister etwa ein Torhüterkonflikt?
Nicht ganz ernst gemeint könnte man sagen: Es gibt in der Bundesliga wohl keinen komfortableren Job als den des Ersatzkeepers beim FC Bayern München. Keiner wüsste das wohl besser als Bernd Dreher.
Zwölf lange Jahre (1996 bis 2008) setzte sich Dreher klaglos auf die Bank, verfolgte den Aufstieg von
Nübel ist da die klare Ausnahme, sein angekündigter Wechsel im Sommer schlägt jetzt schon so hohe Wellen wie der seines baldigen Kontrahenten
Warum macht der Transfer für die Bayern Sinn?
Die Gelegenheit war aus Sicht der Bayern im wahrsten Sinne des Wortes günstig. Nübels Vertrag auf Schalke läuft im Sommer aus, der 23-Jährige ist deshalb ablösefrei zu bekommen. Für Neuer mussten die Bayern im Sommer 2011 dagegen 30 Millionen Euro nach Gelsenkirchen überweisen.
Nübel ist wohl das grösste deutsche Torhütertalent derzeit und auf Strecke als legitimer Nachfolger von Neuer zu sehen. Zehn, zwölf Jahre auf höchstem Niveau stünden Nübel dann noch bevor, sofern er gesund bleibt.
Damit hätten die Bayern schon jetzt eine Baustelle geschlossen, noch ehe sie sich nach Neuers Abgang irgendwann hätte auftun können: Manuel Neuer wird in wenigen Wochen immerhin schon 34 Jahre alt - sein Abschied aus München deutet sich zwar noch nicht an, wird aber in den nächsten Jahren unausweichlich sein.
Warum ist das Risiko für Nübel so gross?
Der Schritt zum FC Bayern ist für jeden Spieler, selbst die der absoluten Weltklasse, immer auch mit einem Risiko behaftet. Es gibt keine Garantien auf Spielzeit, die Liste der Gescheiterten ist lang.
Der Konkurrenzkampf beim FC Bayern ist unvergleichlich gross. Das Jobprofil des Torhüters spitzt die Gemengelage nur noch weiter zu: Es gibt nur eine einzige Möglichkeit zu spielen, keine Alternativposition. Wenn man dann noch den Kapitän der Mannschaft, die Führungsfigur, den Anführer der deutschen Nationalmannschaft und einen der besten Keeper der Welt vor der Nase hat, könnte die Herausforderung nicht grösser sein.
Nübel mag ein begabter Torhüter sein. Aber er hat noch nicht bewiesen, dass er sein zweifellos hohes Potenzial auch konstant in der Bundesliga und im Europapokal abrufen kann. Überragende Aktionen wechseln sich immer wieder auch ab mit schweren Fehlern, dazu kommen die beiden Platzverweise in kurzer Folge zuletzt.
Auf Schalke steht Nübel eine unangenehme Rückrunde bevor und es scheint nicht gesichert, dass er nach seiner Rotsperre auch wieder zur Nummer eins wird. Dafür ist die Mischung in Gelsenkirchen zu explosiv, sein Vertreter Markus Schubert macht seine Sache zudem bisher ausserordentlich gut.
Das Kapitänsamt hat Nübel auf Schalke bereits abgegeben und womöglich findet er sich ab Februar tatsächlich bis zum Ende der Saison auf der Bank wieder.
Was bedeutet der Transfer für das Binnenklima bei den Bayern?
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet
Salihamidzic als "Mister Einhundertprozent" und der zu seiner aktiven Zeit wie besessen spielende Kahn hätten als Spieler eine derartige Debatte erst gar nicht aufkommen lassen und vehement ihr Spielrecht eingefordert.
Nun ist es an den beiden sportlichen Leitern, ebendies mit Neuer zu besprechen. Der hat sich am Montag in Katar dazu klar positioniert. Wie ein König thronte Neuer im Pressegespräch in seinem Sessel und liess nicht den Hauch eines Zweifels daran aufkommen, dass er ganz und gar gedenkt, auch nur ein Vorbereitungsspiel freiwillig an Nübel abzutreten.
"Ich bin Sportler und Profi und möchte immer spielen. Ich bin ehrgeizig und ich liebe es, auf dem Platz zu stehen. Ich bin kein Statist, sondern Protagonist und möchte immer spielen“, sagte Neuer in Doha.
Es ist also mit einigen internen Diskussionen zu rechnen und jeder Menge Getöse im Umfeld der Bayern sowie in den Medien. Die Bayern dürfte damit womöglich ein Dauerkonflikt blühen, der sich so leicht nicht lösen lässt.
Ausserdem waren es die Münchner, die im Herbst noch keiften und alles und jeden wegbissen, der Neuers Status als Nummer eins in der Nationalmannschaft auch nur ansatzweise in Frage stellen wollte.
Der vermeintliche "Angriff" von Marc-André ter Stegen führte zu einer Überreaktion der Verantwortlichen, die im Zuge des Nübel-Transfers und der zu erwartenden Probleme damit neu eingeordnet werden sollte. Nun holen sich die Bayern den Herausforderer und damit die Debatten immerhin selbst ins Haus.
Kahn hielt die ersten Nachfragen im Zuge seiner Vorstellung als Bayern-Vorstand am Dienstag nach aussen gelassen aus. "Es war eine sehr kluge, strategische Entscheidung, so einen grossartigen Torwart zu verpflichten, wenn er verfügbar ist. Jeder, auch Alexander Nübel, muss seinen eigenen Weg gehen. Er hat gesagt, dass das sein Weg ist, dass er sich als künftige Nummer eins sieht, aber auch vorher von Manuel Neuer lernen will. Seine Entscheidung ist extrem mutig. Er ist bereit, sich hinten anzustellen und von Manuel Neuer zu lernen, über dessen Qualitäten wir nichts mehr sagen müssen. Wir werden in aller Ruhe sehen, wie wir das Thema angehen, jetzt liegt die Konzentration auf der Rückrunde."
Was bedeutet das für die Torhüterhierarchie bei den Bayern?
Neuer bleibt die Nummer eins, dahinter stehen derzeit Sven Ulreich als erfahrener Vertreter und Christian Früchtl als Stammkeeper der U23, der allerdings mit den Profis trainieren darf und sich im Schatten von Neuer und Ulreich entwickeln und von deren Erfahrung profitieren soll. Auf dem Papier stehen ab Sommer also vier Torhüter zur Verfügung und es scheint sicher, dass einer davon weichen muss.
Ulreich ist dabei wohl in der schwächsten Position. Eine "neue Situation" ergebe sich dadurch für ihn, wie der Spieler selbst sagte. Er müsse erst mal schauen, wie er mit der Neuigkeit umgehe.
Vielleicht wird sich die Lage zumindest kurzfristig für Ulreich und Früchtl aber auch gar nicht gross ändern - nämlich dann, wenn die Bayern und Nübel über eine sofortige Leihe nachdenken würden. Damit wären die Probleme auf einen Schlag gelöst; Nübel hätte Spielpraxis und die Bayern immer noch den Daumen drauf auf ihrem Spieler. Allerdings hegt Nübel offenbar wenig Liebe für ein solches Szenario, zumal die Auswahl an geeigneten Klubs nicht eben gross ist.
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