Omar Marmoush ist der Spieler der Stunde in der Bundesliga. Der Ägypter führt gleich mehrere Statistiken an, entfaltet endlich sein grosses Potenzial – und profitiert dabei von einigen kleinen, aber feinen Veränderungen im Frankfurter Spiel.

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Von den vielen Zahlen und Statistiken, die Omar Marmoushs Aufstieg in diesen Wochen dokumentieren, ist eine eher unscheinbare wohl die wichtigste: Marmoushs Torquote (acht Treffer nach sechs Bundesligaspielen) oder seine Torvorlagen (vier) sind zwar ebenso interessant wie bemerkenswert – noch imposanter ist aber die Entwicklung des Ägypters im Torabschluss: Lediglich zwei Grosschancen hat Marmoush bisher vergeben.

Schon in den vergangenen Jahren war der 25-Jährige sehr emsig vor dem gegnerischen Tor, erarbeitete sich viele Chancen, nahm sich viele Torschüsse. Es haperte aber teilweise gewaltig an der nötigen Effizienz, um aus einem ordentlichen auch einen überragenden Torjäger zu machen.

Das ist in der jüngst gestarteten Saison bisher völlig anders. Kein Spieler schiesst häufiger auf das gegnerische Tor (27 Torschüsse) und keiner ist dabei kaltblütiger als Marmoush, dem alle 62 Spielminuten ein Treffer gelingt.

Und nicht nur unter den Fans von Eintracht Frankfurt stellt sich die Frage: Wie ist das möglich, dass ein zuvor als Chancentod bekannter Spieler nun derart explodiert und vor dem gegnerischen Tor kühler und effizienter agiert als seine Verfolger in der Torjägerliste, Harry Kane, Jonathan Burkardt oder Ermedin Demirovic?

Schwierige letzte Saison

Eintracht Frankfurt findet nach einer fussballerisch eher durchwachsenen letzten Saison in diesen Wochen wieder zu sich selbst. Trainer Dino Toppmöller scheint der Mannschaft nicht nur eine etwas angepasste Spielidee zu vermitteln, sondern auch die fast schon traditionellen Frankfurter Stärken weiter zu verbessern.

Leidenschaft, Einsatzbereitschaft, Wille, Widerstandsfähigkeit sind elementare Dinge des Fussballs, die oft genug gefehlt haben in der vergangenen Saison. So jedenfalls hatten es Teile der Fans empfunden, auch der fehlende Mut und ein anfälliges spielerisches Konzept standen auf der Mängelliste.

Die Folge war eine gewisse Lethargie im und rund um das Waldstadion und das bei einer Anhängerschaft, die in den letzten Jahren national wie international gezeigt hat, dass sie brennt für ihren Klub und sehr leicht zu emotionalisieren ist. Toppmöller war es in seinem ersten Jahr in Frankfurt nicht gelungen, aus diesen guten Voraussetzungen einen erfolgreichen und mitreissenden Mix zu etablieren. Die Idee, mit mehr Ballbesitz und Positionsspiel auch tiefer stehenden Gegner auseinanderzuspielen, war eine gute – an der Umsetzung aber haperte es teilweise gewaltig. Und so verlor sich die Eintracht auf dem Weg der Erneuerung immer mehr.

Offensives Umschalten als Schlüssel für Frankfurt und Marmoush

In seiner zweiten Saison vertraut der Trainer nun wieder mehr den Rezepten von früher: einem aggressiven Pressing und Gegenpressing und vor allen Dingen dem blitzschnellen Umschaltfussball.

War die Eintracht in der abgelaufenen Saison mit im Schnitt 50 Prozent Ballbesitz hinter den Spitzenteams Bayern, Leverkusen, Stuttgart, Dortmund und Leipzig in der Statistik noch auf Platz sechs notiert, verzichtet das Team in den bisherigen Spielen der aktuellen Saison weitesgehend auf längere Ballbesitzphasen. Nur 41 Prozent der Spielzeit hatte die Eintracht bisher den Ball und ist damit zusammen mit Wolfsburg und Union Letzter in diesem Bereich.

Das Frankfurter Spiel ist wieder deutlich geradliniger und vertikaler angelegt, mit schnellen Pässen in die Tiefe unmittelbar nach einer Balleroberung. Und damit wie gemalt für einen Spieler wie Omar Marmoush - und dessen kongenialen Partner Hugo Ekitike.

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Der Franzose war nach seiner Ankunft im Winter körperlich nicht auf Bundesliganiveau unterwegs, benötigte die paar Monate der Eingewöhnung und im Sommer eine vernünftige Vorbereitung – und spielt seitdem wie der Spieler, den die Verantwortlichen für immerhin 17 Millionen Euro Ablöse erwartet hatten.

Ekitike ist der Spieler für die engen Räume, der sich in den Zehnerraum fallen lässt, kurz kommt - während Marmoush oft gegengleich in die Tiefe startet. Wobei auch Marmoush mittlerweile in die etwas tiefer Rolle schlüpfen kann, wenn Toppmöller mit einem klassischen Wandspieler im Angriffszentrum agiert.

Weniger Flanken, mehr direktes Spiel

Auch die Zulieferer aus dem zentralen Mittelfeld finden zurück zu alter Form, allen voran Hugo Larsson, und setzen Ekitike und eben Marmoush dann nicht nur häufiger, sondern auch sauberer in Szene: mit punktgenauen Pässen in die Tiefe oder aber in den Fuss, wo Marmoush seine Stärke beim schnellen Aufdrehen auch mit dem Rücken zum Tor und unter heftigem Gegnerdruck zeigen kann.

Und wo er nicht, wie in den Jahren davor, auf Flanken von der Seite reagieren muss. Marmoush ist nicht nur einer der schnellsten Spieler der Liga, sondern auch unglaublich direkt in seinem Spiel. Dafür wiederum sind aber eher vertikale Zuspiele von Vorteil, mit Flanken aus dem Halbfeld oder nach einem Durchbruch über die Seite können andere Spieler mehr anfangen als der Ägypter.

Auffällig ist jedenfalls, dass Frankfurt bei den Hereingaben von der Seite mittlerweile auch Letzter ist, nur 34 Flanken spielte die Mannschaft in den ersten sechs Spielen. Dabei war die Eintracht in dieser Disziplin in den Jahren davor immer mit zum Teil grossem Abstand führend.

Es scheint sich alles zu fügen

Bei Omar Marmoush setzen sich aktuell viele Mosaiksteinchen zu einem fast kompletten Bild zusammen: eine modifizierte Spielweise, mehr Leidenschaft und Mut, ein deutlich geradlinigeres Spiel der Eintracht und natürlich das fast schon überbordende Selbstvertrauen des Spielers in die eigene (Abschluss-)Stärke.

Sein Können hat der Angreifer auch früher immer mal angedeutet, in Wolfsburg oder Stuttgart vereinzelt Highlights gesetzt und auch in der vergangenen Saison für die Eintracht wichtige Tore erzielt. Dazwischen war Marmoush dann aber immer wieder abgetaucht, vielleicht auch zu schnell zufrieden und bequem.

Derzeit scheint es, als habe der 25-Jährige verstanden, dass einen Spieler von Spitzenformat auch eine gewisse Verlässlichkeit und Kontinuität auszeichnet. Beides bringt Marmoush derzeit voll ein. Und ist damit so wertvoll wie noch nie für die Eintracht.

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