Die "Maulwurfaffäre" bei den Bayern ist der vorläufige Höhepunkt eines recht absurden Münchener Winters. Pep Guardiola holte am Freitag zum Gegenschlag aus - für seine letzten Monate beim Rekordmeister muss der Fokus aber schon bald wieder auf das Wesentliche gerichtet sein.

Mehr News zur Bundesliga

Da ist nun also die "Maulwurfaffäre". Sie kommt daher wie ein Relikt aus längst vergessenen Tagen des FC Hollywood und passt so gar nicht zu jenen Bayern, die wie die Roboter seit drei Jahren durch die Bundesliga pflügen, einen Rekord nach dem anderen pulverisieren und einen Fussball spielen, wie er im deutschen Fussball so noch nie zu sehen war.

Seit den Tagen unmittelbar vor Weihnachten aber, seit Pep Guardiola seinen Abschied aus München durch die Blume angekündigt hat, läuft bei den Bayern einiges nicht mehr ganz so rund.

Nach dem stark kritisierten Trainingslager in Katar, der Testspielniederlage in Karlsruhe samt erster kritischer Stimmen aus dem Kreis der Mannschaft über die eher schleppende Vorbereitung, der schweren Verletzung von Jerome Boateng, dem umstrittenen Sponsoren-Deal mit dem Flughafen Doha und der möglichen Rückkehr des ausgebooteten Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ist seit Donnerstag die "Maulwurfaffäre" auf dem Markt.

Guardiola widerspricht vehement

Im "Kicker" hatte sich ein namentlich nicht genannter Spieler darüber ausgelassen, dass die Stimmung in der Mannschaft - auch wegen Guardiola - nicht gut sei.

Das Blatt berichtete zudem, dass sich der Spanier einzelne Spieler zur Brust genommen habe, die offenbar ein paar Kilo zu viel aus dem Winterurlaub mit in den Trainingsbetrieb geschleift hatten.

Wie die "Bild" schreibt, handelte es sich dabei um Arturo Vidal und Franck Ribery. Vidal hätte die ihm vom Klub auferlegten Werte nicht eingehalten, Ribery arbeite nicht hartnäckig genug an seinem Comeback.

Am Freitag nun hat sich Guardiola zu den Vorkommnissen geäussert und er tat dies wie nicht anders zu erwarten, ziemlich konträr zu dem, was derzeit durch die Gazetten geistert.

"Die Stimmung ist gut", sagte der Trainer, der sich in durchaus gereizter Stimmung präsentierte. "Es ist unmöglich, solche Ergebnisse zu schaffen, wie wir es geschafft haben, wenn das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer schlecht wäre. Hier, in Timbuktu, in Afrika, in Australien überall: Wenn ein Spieler nicht spielt, ist er ein bisschen traurig, enttäuscht. Das ist normal. Aber die Stimmung ist gut."

Und zur Debatte um die Fitnesswerte einzelner Spieler: "Es kommt mal vor, dass ein Spieler ein Kilo zu viel hat. Manche brauchen etwas länger, um in Top-Zustand zu kommen. Aber wir haben jetzt gut trainiert im Trainingslager in Katar."

Merkwürdig schiefes Bild der Bayern

Also alles halb so schlimm? Die Tatsache, dass Sportvorstand Matthias Sammer Teammanagerin Kathleen Krüger angewiesen habe, per Mail nochmals an die vor Jahren verfassten Regeln für Reisen an trainingsfreien Tagen zu erinnern, sei ebenfalls ein normaler Vorgang.

"Es kommen jeden Tag tausend Millionen Mails von Kathleen Krüger. Wo ist das Problem? Es geht darum, dass die Spieler zum Beispiel nicht nach Berlin fahren, wenn sie nur einen freien Tag haben. Der freie Tag ist für die Regeneration."

Damit hat der Trainer in der Sache garantiert Recht. Es bleibt trotzdem die Frage, ob einige der Spieler in den letzten Tagen oder Wochen es vielleicht nicht immer so ganz genau genommen haben mit den Vorgaben des Trainerstabs und der Klubführung. Was im Endeffekt immer auf den Cheftrainer zurückfällt, ob der nun Schuld daran hat oder nicht.

Die Bayern geben derzeit ein merkwürdig schiefes Bild ab. Bei den Fans stehen sportliche Aspekte im Schatten der Debatte um das Geschäftsgebaren des Klubs.

Die Anhänger scheint die Frage nicht loszulassen, ob die Bayern wirklich noch "Mia san Mia" verkörpern oder mittlerweile doch ein handelsüblicher Grosskonzern nach den Vorbildern Real Madrid, FC Barcelona oder Manchester United sind.

Ablenkung vom Wesentlichen

Die zuletzt gezeigten Leistungen in der Bundesliga heben sich von dem ab, was man in den letzten zweieinhalb Jahren von den Bayern unter Guardiola gewöhnt war. Mittlerweile ist es fast schon so, dass sich die Münchener für ein glanzlos erspieltes 1:0 in Hamburg entschuldigen müssen. Die Fallhöhe ist eben enorm nach den Rekorden der letzten Monate, es fehlt vielleicht schlicht an einer distanzierten Einordnung.

Das alles ändert aber nichts daran, dass Guardiola mittlerweile in fast jeder Diskussion Mittelpunkt der Verhandlungen ist. Der Katalane steht noch mehr im Brennpunkt und verfolgt man die Schärfe der Berichterstattung über die Bayern und ihn, könnte man zu dem Schluss kommen, dass seine letzten Monate in München durchaus noch sehr ungemütlich werden könnten.

Guardiola hat sich bei Teilen der Medien und bei Teilen der Öffentlichkeit mit seiner Art und womöglich auch der einen oder anderen Entscheidung angreifbar gemacht - nun muss er mit den Folgen seines Handelns leben. Guardiola ist seit fast 30 Jahren im Geschäft, er wird das verkraften. Allerdings sollte er nicht unterschätzen, wie schnell sich Diskussionen verselbstständigen können und wie sehr sie von der eigentlichen Arbeit ablenken können.

"Wenn die Spieler sprechen wollen, dann sollen sie das tun. Ich habe das gleich in meinem ersten Jahr gemerkt. Wenn ich eine Besprechung habe, dann steht es am nächsten Tag in der Zeitung. Das ist so. Ich kann mit der Situation leben. Ich habe keine Nummer von Journalisten. In Spanien ist alles viel schlimmer als hier", sagte er zur Frage nach dem Maulwurf und ob er diesen nun ausfindig machen wolle.

Es sind typische Guardiola-Sätze, nonchalant und mit einer Spur Gleichgültigkeit serviert. Dass ihn die Situation derzeit aber doch mehr belastet als er vielleicht zugeben würde, konnte man kaum übersehen.

"Wo spielt dieser Anonymus? Wo? Ist er Rechtsverteidiger oder Innenverteidiger? Wo spielt er? Oder vielleicht ist er aus dem Staff? Ich kenne diesen anonymen Spieler nicht", platzte es plötzlich aus ihm heraus und da war gar nichts mehr zu spüren von einer gewissen Gelassenheit.

"Was ist das Problem?"

Die Strömungen um diesen grossen Klub, die Art, wie man von aussen auf die Bayern schaut, kann auch einer wie er derzeit nicht beeinflussen. Das ist für einen wie ihn, den Perfektionisten und Kontrollfreak, offenbar eine schwer zu akzeptierende Tatsache.

"Was ist das Problem?", fragte er am Freitag öfter in die Runde der Journalisten. Guardiola hat sichtlich keine Lust, seine Arbeit rechtfertigen zu müssen. Die Bayern führen die Liga mit acht Punkten Vorsprung an, heute ab 17:30 Uhr kommt der Tabellenvorletzte Hoffenheim zum ersten Heimspiel des Jahres in die Allianz Arena. Wo ist also das Problem?

Spätestens in zwei Wochen wird sich zeigen, ob das alles nur Scheindiskussionen sind um einen Trainer, der im Sommer nicht mehr da sein wird - oder ob die Bayern wirklich ernsthaft in eine ungemütliche Situation schliddern. Die Champions-League-Duelle gegen Juventus sind der Knackpunkt. Sie entscheiden mehr als vorher wohl gedacht auch über Pep Guardiolas Reputation.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.