Pep Guardiola wurde mit dem FC Bayern wieder Meister. Zum Trainer des Jahres aber taugen Kandidaten, die auf den Plätzen 2, 6, 11, 14, 15 landeten. Wie kann das sein?

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Das war sie also, die Bundesligasaison 2015/16. Der FC Bayern ist Meister. Na bravo, prusten diejenigen, die Pep Guardiola unterstellen, nichts Besonderes veranstaltet zu haben. Mit dieser Münchner Mannschaft, unken sie, würde auch die eine oder andere Grossmutter den Titel einheimsen.


Das ist falsch; über die Trainerqualitäten älterer Damen ist schliesslich nichts überliefert. Wahr ist hingegen, dass Guardiola weit mehr gebracht hat als Silberware. Der Katalane hat Bayerns Fussball geprägt, vielleicht stilbildend revolutioniert. Das verdient Respekt und Anerkennung - und doch keine Auszeichnung zum Trainer des Jahres.

Es gibt da nämlich ein Quintett, das mit seinen Klubs auf den Plätzen 2, 6, 11, 14, 15 einlief. Hinter jeder Zahl steckt eine Geschichte und hinter jeder Geschichte ein markanter Mann. Wie sonst könnte jemand, der ein Team auf Rang 15 führt, in der Auswahl zum besten Trainer landen?

Julian Nagelsmann: Der Novize

Nagelsmann ist die Figur dieser 15. Position. Wobei ja ausdauernd zwei andere Ziffern aneinandergereiht werden, um den Aufhänger zu finden: 2 und 8. Ergibt 28, das Alter dieses Übungsleiters, der, als er im Februar vom staatlich geprüften Fussball-Feuerwehrmann Huub Stevens (62) übernahm, akut gefährdet schien, sich die Finger zu verbrennen.


Hoffenheim hatte fünf Punkte Rückstand auf die Relegation. Dann kam Novize Nagelsmann, natürliche Autorität, gesundes Selbstbewusstsein, weder knurrend noch cholerisch, sondern sympathisch-bestimmend. Am vorletzten Spieltag gelang die Rettung. Es spricht für seinen Ehrgeiz, dass er sich nicht freuen mochte, weil der Auftritt beim 0:1 in Hannover schlecht war.

Selber musste Nagelsmann die Karriere beenden, bevor sie startete, als 20-Jähriger war das Knie kaputt. In der zweiten Mannschaft des FC Augsburg wurde er von einem gewissen Thomas Tuchel trainiert, und dieser fand, dass der Jüngling stattdessen die Gegner analysieren könnte. "Tuchel hat viel zu meiner Berufswahl beigetragen", bekannte Nagelsmann einst bei "11Freunde".

Thomas Tuchel: Der Asket

Heute treffen sich beide auf Augenhöhe. Tuchel (42) hat Borussia Dortmund wetterfest gemacht, vielleicht robuster und vielschichtiger als zuvor. Nach einer missratenen Vorsaison unter Jürgen Klopp bedurfte es der Akribie und Empathie dieses Asketen, damit Bayern lange vom starken BVB getriezt wurde.


Bester Vizemeister, Pokalfinale, in der Europa League dramatisch im Viertelfinale gescheitert, griffiger, flexibler, volksnaher Fussball als Spiel- und Schiessgesellschaft: Dortmund ist wieder wer.

Spannend nun, wie Tuchel das zweite Jahr bewältigt. Die Erwartungen haben sich nach oben geschraubt, als Fluch der guten Tat, wie so oft.

Martin Schmidt: Der Extreme

Zuzutrauen, den schwarz-gelben Karren auf Kurs zu halten, ist es Tuchel allemal. Neben Nagelsmann gibt's einen zweiten Kollegen, der gewissermassen von Tuchel sozialisiert wurde. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, er hätte mich nicht angesteckt", erzählt Martin Schmidt, 49 Jahre alter Coach von Mainz 05, dem Sechsten dieser Bundesliga-Saison.

Es war 2009, als der Schweizer (damals FC Thun) von Tuchel (damals Mainzer A-Jugend) entdeckt wurde; Letzteren beeindruckte der Pressing-Fussball, und kurz darauf war Schmidt in der U23 des FSV angestellt.

Sieben Jahre danach qualifizierte er sich mit seiner "Umschaltmaschine" (Schmidt) für Europa, das bestückt die Vita nochmals. Ein Ausriss: gelernter Kfz-Mechaniker, lange Mechaniker in der DTM, Gründer eines Modeunternehmens, sieben (!) Kreuzband- und zwei Halswirbelbrüche. Der Mann kann was ab.

Dirk Schuster: Der Reflektierte

Ein wenig legerer geht's bei Nummer vier der Anwärterliste zu, immerhin war Dirk Schuster (48) für den "kicker" bereits "Mann des Jahres 2015". Im Dezember 2012 übernahm er Darmstadt als Drittligist, 2014 gelang der Aufstieg, 2015 der Durchmarsch in die Bundesliga. Allein das würde Buchbänder füllen mit Lobreden auf den wohltuend reflektierten Schuster.


In diesem Jahr sicherte sich Darmstadt frühzeitig die Fahrkarte für eine neue Runde auf dem Bundesliga-Karussell - famos. Und vielleicht die grösste Sensation seit Unterhaching 2000.

Dadurch ist Schuster, einst Jahrgangsbester beim Fussballlehrer, ins Blickfeld gerückt. Mantraartig verweist er auf seinen Vertrag bis 2018, "wir haben mit der Mannschaft noch viel vor".

Ralph Hasenhüttl: Der Abtrünnige

Das hat Ralph Hasenhüttl auch. Nur woanders. Aus dem FC Ingolstadt bastelte er - nicht minder beeindruckend - einen chronisch unbequemen Gegner, jetzt wechselt der Österreicher zu RB Leipzig. Seine Reise aus den Unterklassen nach Ingolstadt ähnelt dem Schuster-Weg.

Als es Hasenhüttl im Herbst 2013 anpackte, war das Team Letzter - der 2. Liga. Knapp 19 Monate vergingen, ehe die Oberbayern ihre Bundesliga-Debütsaison auf Platz elf abschlossen. Schlechter als Zwölfter waren sie die gesamte Spielzeit nie - und damit sorgenfrei. Wer das prophezeit hätte ...

Hasenhüttls Absprung ist eine Frage der Perspektive. "Ich möchte mal in die Champions League, auf die ganz grosse Bühne", sagte er einst. Dorthin also, wo Tuchel schon ist. Und Nagelsmann, Schmidt, Schuster vielleicht bald sind. Guardiola läuft ja irgendwie ausser Konkurrenz.

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