Die Liga der Weltmeister hat nun also auch zwei frisch gebackene Europameister: Mit Renato Sanches und Raphael Guerreiro darf sich die Bundesliga nicht nur auf zwei neue Gesichter freuen, sondern auch auf zwei Spielertypen, wie es sie in der Qualität in der Liga bislang kaum gibt.

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Die Bayern mussten alles natürlich wieder pompöser und spektakulärer auffahren: Binnen weniger Stunden verkündete der Rekordmeister die Transfers von Mats Hummels und Renato Sanches, die Gesamtausgaben für beide Spieler sollen bei rund 70 Millionen Euro liegen, nahezu brüderlich aufgeteilt in je 35 Millionen Euro pro Transfer.

Das ist eine Menge Holz für einen 18-Jährigen, der bisher nur seinen Heimatklub Benfica Lissabon kannte und in die grosse weite Fussballwelt erst hinein schnuppern muss. Ein Handicap scheint sein juveniles Alter aber ganz und gar nicht zu sein.

35 Millionen - fast ein Schnäppchen

Als Kind spielte Sanches auf Betonplätzen in Lissabons härtestem Slum "Musgueira" auf Kleinfeld ein Spiel mit dem Kürzel DDA. "Das ist ein super Spiel. Man trainiert Schnelligkeit, Reaktion und das Fussballerische mit nur einem Kontakt", sagt Sanches. Entdeckt wurde er durch Zufall, als er mit einem Kumpel Bälle klauen wollte, die von einer echten Fussballmannschaft beim Training über den Zaun geschossen wurden.

Sanches' Spiel lebt sehr von diesen Erfahrungen in den Käfigen der Bolzplätze. Wie eine Naturgewalt spielt der 18-Jährige schon heute, dabei dürfte sein ohnehin schon sehr robuster Körper noch gar nicht ganz ausgereift sein. Alle europäischen Top-Klubs waren hinter dem Spieler her, Bayerns Talentsichter Michael Reschke schnappte Sanches aber vom Markt.

Bei der EM brach er einige Rekorde, darunter den des jüngsten Europameisters aller Zeiten und des jüngsten Spielers, der bei einem Finale auf dem Platz stand. 18 Jahre und 327 Tage war Sanches am Abend des Triumphs von Paris alt, er hob den EM-Pokal in die Nacht und heimste später die Medaille für den besten Nachwuchsspieler des Turniers ein. Vermutlich hätten die Bayern noch ein paar Millionen draufpacken müssen, wären sie nicht schon so früh dran gewesen mit dem Transfer.

Im Mittelfeld zu Hause

Alle interessiert nun: Welche Rolle ist für Sanches beim FC Bayern vorgesehen? Der neue Trainer Carlo Ancelotti verstieg sich bei seiner Pressekonferenz in ein paar Nettigkeiten, er lobte den grossen FC Bayern und die Mannschaft. Nur so viel: Er wolle keine Revolution und den bisherigen Spielstil im Prinzip fortsetzen.

Bei den Bayern werden durch den Verkauf von Sebastian Rode und dem sich anbahnenden Wechsel von Pierre-Emile Höjbjerg im Mittelfeld Kapazitäten frei, Sanches dürfte mit seiner Power und Spielintelligenz ganz hervorragend in das System passen und auch keine grossen Eingewöhnungsschwierigkeiten haben. Anlaufen in hohem Tempo, mit dem Ball am Fuss schnell durch gegnerische Linien stossen: Das alles scheint überhaupt kein Problem zu sein.

Im Mittelfeld kann der Jungstar so ziemlich auf jeder Position eingesetzt werden, am wohlsten fühlt er sich aber in der Zentrale. Die Vergleiche mit dem Niederländer Edgar Davids sind nicht nur wegen des Aussehens zulässig. Xabi Alonso wird sich umschauen, mit welcher Verve Sanches um einen Platz streiten wird …

Guerreiro bringt alles mit

Fast schon stiefmütterlich wurde im Vergleich zu Sanches der Wechsel von Raphael Guerreiro nach Dortmund medial begleitet. Und auch bei der EM spielte der eher introvertierte Guerreiro sich nicht so feurig in den Vordergrund.

Für das Abenteuer Bundesliga und den BVB muss das aber nicht das Schlechteste sein. Als gelernter linker Verteidiger ist es völlig normal, dass man nicht so sehr im Rampenlicht steht. Wer sich Guerreiro aber genauer angeschaut hat, konnte sofort erkennen, was sich die Borussia da ins Haus holte.

Guerreiro bekleidet den Posten auf einer Mangelposition des Weltfussballs trotz seiner erst 22 Jahre so routiniert und überzeugend, als wäre er schon zehn Jahre auf den grossen Bühnen Europas unterwegs. Dabei war die EM das erste ganz grosse Ereignis für den Sohn eines Franzosen und einer Portugiesin, der in der Nähe von Paris aufgewachsen ist und kaum Portugiesisch spricht.

Vergleichsweise schlappe zwölf Millionen musste der BVB an den FC Lorient überweisen und bekommt dafür jenen Typ Spieler, den Trainer Thomas Tuchel liebt: Guerreiro ist ebenso zuverlässig wie schlau, er besitzt ein perfektes Gespür für Situationen, defensiv wie offensiv, hat ein tolles Umschaltspiel und ist technisch hervorausragend ausgebildet.

Heisses Duell mit Schmelzer

Aber, und das dürfte für den "neuen" BVB, der ja immerhin drei gravierende Abgänge zu verkraften hat, das Wichtigste sein: Guerreiro klebt nicht nur an der Aussenlinie und schlägt eine Flanke nach der anderen zur Mitte. Diesen Typ Spieler hat der BVB bereits in Marcel Schmelzer im Kader, mit dem sich Guerreiro ein heisses Duell um einen Stammplatz liefern wird.

Guerreiro zieht auch geschickt in den Halbraum und wird so in einer für den Gegner gefährlicheren Zone ein zusätzliches Problem. Und wie stark seine Qualitäten auch im Abschluss sind, hat sein Lattentreffer im EM-Finale zumindest angedeutet. Die starken Auftritte bei der EM 2016 hievten ihn bei der Wahl zum besten Nachwuchsspieler immerhin auf Rang drei.

Beim BVB freuen sie sich schon diebisch auf den französischen Portugiesen, weil Tuchel seine Mannschaft schon wieder umbauen und neu formen muss. "Wir halten uns nicht fest an dem, was wir hatten - sondern versuchen, etwas Neues zu erschaffen", sagte der Coach am Dienstag. "Wir müssen uns frei machen, den Stil neu erfinden und offen für neue Verhaltensweisen sein!"

Und wer könnte dabei besser helfen als Spieler, die auf allen Ebenen überzeugen? "Wir haben uns für Talent entschieden, für ihre Lust, ihre Kreativität und ihr Leuchten in den Augen, als wir mit ihnen gesprochen haben", so Tuchel weiter. "Wir haben uns für Spieler entschieden, die mit Haut und Haaren für den BVB alles geben!"

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