Nürnbergs Jessica May beendet nach der laufenden Saison ihre aktive Fussballkarriere – mit nur 24 Jahren. Diese Entscheidung gab die Abwehrspielerin diese Woche bekannt. Im Interview erzählt sie, warum sie so entschieden hat und ob sie sich eine Rückkehr in den Fussball zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen kann.

Ein Interview

Jessica May beendet ihre aktive Karriere, das gab die 24-jährige Abwehrspielerin vom 1. FC Nürnberg am Dienstag bekannt. Im Interview nennt sie nun die Gründe dafür und klärt auch über ihre Zukunftspläne auf.

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Sie und der Verein haben diese Woche bekannt gegeben, dass Sie zum Ende dieser Saison mit 24 Ihre aktive Fussballerinnen-Karriere beenden werden. Seit wann stand es für Sie selbst fest und welche Gründe haben zu der Entscheidung geführt?

Jessica May: Ich habe in den letzten Jahren schon immer mal wieder Phasen gehabt, in denen ich gemerkt habe, dass mir ein bisschen der Spass fehlt. Vielleicht hat sich für mich persönlich auch in der Wahrnehmung etwas verändert. Ich habe mir ungefähr seit Weihnachten ernsthafte Gedanken gemacht, wie es im Sommer für mich weitergehen soll. Im April habe ich mein Lehramtsstudium abgeschlossen und dann für mich entschieden, meine Karriere zu beenden. Ich werde Grundschullehrerin, werde das Referendariat starten und das wird zeitlich mit der Professionalisierung des Frauenfussballs definitiv leider nicht mehr miteinander vereinbar sein. Deswegen war es für mich jetzt der perfekte Moment, um zu sagen: Ich höre mit meiner Fussballkarriere auf und starte meine zweite Karriere.

Ist Ihnen die Entscheidung schwergefallen?

Ja, definitiv. Ich mache das jetzt seit fast 20 Jahren und für mich gab es eigentlich nie etwas Anderes. Deswegen war das auf jeden Fall eine schwere Entscheidung für mich. Inzwischen habe ich mich mit dem Gedanken angefreundet und freue mich auch schon auf meine neue Aufgabe.

Gab es schon Reaktionen von den Mitspielerinnen oder aus Ihrem Umfeld?

Ja, das Team habe ich schon vor einigen Wochen informiert. Das war mir wichtig, dass sie es vorher von mir persönlich erfahren. Sie hatten alle grossen Respekt vor meiner Entscheidung, weil es nicht normal ist, mit 24 diesen Schritt zu gehen. Sie haben es aber alle vollkommen verstanden. Sie haben sich auch für mich gefreut, dass ich diese Entscheidung getroffen habe und waren positiv, genauso wie mein Umfeld. Meine Familie und Freunde können das alle nachvollziehen. Sie freuen sich wahrscheinlich auch ein bisschen, weil ich dann das eine oder andere Wochenende mehr Zeit habe. Das ist im Fussball doch etwas schwierig manchmal. Und auch seit der Bekanntgabe habe ich viele positive Nachrichten erhalten.

Rechtzeitiger Blick auf das Leben nach dem Fussball

Sie haben vorhin gesagt, dass so ein bisschen der Spass gefehlt hat. Gibt es etwas, wovon Sie sagen: Wenn das anders gewesen wäre, dann wäre vielleicht die Entscheidung auch andersrum ausgefallen?

Gute Frage. Ich denke tatsächlich nicht. Das ist eine persönliche Entscheidung, die auch nichts mit Erfolg oder Misserfolg zu tun hat. Ich glaube, dass ich einfach früher als andere in meinem Alter, an mein weiteres Leben gedacht und auch in Sachen Familie schon meine Gedanken gefasst habe. Und dahingehend dann auch die Entscheidung getroffen habe.

Wenn Sie zurückschauen, gibt es ein Spiel oder einen Moment, von dem Sie sagen, dass er Ihnen auf jeden Fall besonders in Erinnerung bleiben wird?

Es ist schwer, einen auszuwählen. In erster Linie fällt mir da natürlich unser Aufstiegsspiel in der letzten Saison gegen Hoffenheim ein. Das war etwas ganz Besonderes, weil man sich einen Kindheitstraum erfüllen konnte. Schon vor dem Spiel war klar: Wenn wir gewinnen, ist egal, was Gütersloh macht, wir werden auf jeden Fall in der 1. Bundesliga spielen! Das war ein sehr besonderer Moment. Aber da gibt es wahrscheinlich noch sechs, sieben andere, die ich auch nennen könnte.

Zum Beispiel?

Für mich persönlich auf jeden Fall das 1:1 gegen Bayern zu Hause, da durfte ich als Kapitänin die Mannschaft aufs Feld führen. Das war auch deshalb besonders, weil wir etwa eineinhalb Jahre vorher ein Testspiel gegen sie hatten und 0:9 verloren haben. Bei diesem Unentschieden hat man gesehen, welchen Sprung wir als Mannschaft gemacht haben, dass wir solche Gegner inzwischen ärgern können.

Jessica May hat seit über fünf Jahren keine Minute verpasst

Es wurde im Laufe der Saison an verschiedenen Stellen auch schon mehrmals thematisiert, dass Sie eine unfassbare Serie am Laufen haben. Sie haben seit dem 13. Spieltag der Saison 2018/19 keine einzige Pflichtspiel-Minute verpasst.

So richtig aufgefallen ist es unserem Datenanalysten Florian Zenger nach dem Aufstieg. Er mag alles, was mit Zahlen zu tun hat und meinte damals: "Weisst du eigentlich, seit wann du nicht mehr ausgewechselt wurdest? Oder nicht volle 90 Minuten gespielt hast?" Mir war nur klar, dass ich in der 2. Bundesliga nicht ausgewechselt wurde. Aber für die Regionalligazeiten konnte ich es ihm nicht sagen. Und Anfang November oder Ende Oktober war dann das "fünfjährige Jubiläum". Das hat dann schon eine riesige Aufmerksamkeit erzielt.

Wie sind Sie eigentlich ursprünglich zum Fussball gekommen?

Alle in meiner Familie sind Fans vom 1. FC Nürnberg. Ich komme ja hier aus der Gegend. Ich habe einen grösseren Bruder, der ist viereinhalb Jahre älter als ich. Mein Papa war damals Trainer im naheliegenden Verein und dann ging es schon ganz früh los. Im Garten hatten wir ein Tor stehen. Da durfte ich mit meinem Bruder spielen, solange er mich mitspielen hat lassen. Dann ging es relativ schnell in einen Verein, ich glaube mit fünf, das weiss ich nicht mehr ganz genau. Aber ich bin dann immer dabei geblieben.

May über die Entwicklung beim 1. FC Nürnberg

Sie sind schon früh in die Jugend vom 1. FC Nürnberg gekommen und inzwischen mit einer kurzen Unterbrechung beim FFC Frankfurt sehr lange im Verein, fast elf Jahre. Wie würden Sie die Entwicklung des Vereins in den letzten Jahren beschreiben?

Es hat sich sehr viel verändert. Als ich damals nach Nürnberg gewechselt bin, war ich 13. Da gab es einen Neuner-Bus für den ganzen Verein, um mal ein Beispiel zu nennen. Und wirklich alle haben irgendwie versucht, auf einem einzigen Trainingsplatz zu trainieren. Jetzt ist es so, dass es eine 1. Mannschaft gibt, die im Profitum mitwirken darf, die auch ihren eigenen Mannschaftsbus hat, genauso auch die Jugendmannschaften. Wenn sie längere Auswärtsfahrten haben, dürfen sie auch mit dem grossen Bus fahren. Das war früher noch nicht der Fall. Es hat sich schon extrem viel verändert, auch wie die Trainer ausgebildet sind. Da ist viel mehr Struktur in den letzten Jahren entstanden. Der Verein ist schon sehr gut aufgestellt mittlerweile, von Trainingsmaterialien bis über Trainingsplätze.

Wie würden Sie das vergleichen zu den zwei Jahren beim FFC Frankfurt zum damaligen Zeitpunkt. War es damals noch ein grosser Unterschied oder ungefähr auf einer Ebene von den Bedingungen her?

Zu der Zeit war es schon ein Unterschied. Nürnberg war ja damals noch in der Regionalliga. Beim FFC bin ich in die 2. Mannschaft gegangen, die dann schon in der 2. Bundesliga gespielt hat. Das ist der eine Punkt. Zum anderen hatte man beim FFC diese Strukturen mit der 1. Mannschaft in der 1. Liga und der 2. Mannschaft in der 2. Liga. Das hilft natürlich jungen Spielerinnen, die sich so erstmal entwickeln können. Wir hatten beispielsweise auch die Möglichkeit, Krafttraining zu absolvieren. Das war damals, zumindest so, wie ich es erlebt habe, in Nürnberg für die Frauen nicht gegeben. Maximal dann, wenn man auf der Bertolt-Brecht-Schule war, wo ich auch in meiner Jugend war. Hier konnten wir morgens mal in den Kraftraum gehen, aber das war nur selten der Fall. Als ich nach den zwei Jahren in Frankfurt wieder zurückgekommen bin, habe ich schon gemerkt, dass die ersten Schritte gegangen wurden, dass aber auch noch viel Potenzial da ist. Und das hat sich dann Stück für Stück weiterentwickelt.

Sie haben mal gesagt, dass der Verein die Spielerinnen teilweise mit einbezogen hat bei Entscheidungen über Geldmittel. Wie kann man sich das ungefähr vorstellen?

Wir hatten einen Mannschaftsrat mit fünf bis sechs Spielerinnen und wurden über die Jahre regelmässig abgeholt darüber, was mit den Geldern gemacht wird. Wir haben uns gezielt im Verbund mit der Mannschaft dafür entschieden, dass die Gelder nicht in einzelne Spielerinnen investiert werden, weil es eben nicht für alle gereicht hätte. Wir wollten lieber, dass das Geld in die Infrastruktur gesteckt wird, damit alle Spielerinnen profitieren. Also in Analysetools, die Bedingungen an unserem Trainingsplatz, Trainingsmaterialien und Sonstiges. Wenn jetzt neue Spielerinnen zu uns kommen, sind sie erstmal überrascht, welche Strukturen es hier gibt. Ich glaube, das ist nicht in jedem Verein in der 1. Bundesliga so. Und auf jeden Fall nicht in der 2. Liga.

Trotz möglichem Abstieg: Nürnberg kann sich in der 1. Bundesliga etablieren

Was denken Sie, was in der nahen bis mittelfristigen Zukunft für den Verein möglich ist?

Ich bin überzeugt davon, dass sich der 1. FC Nürnberg in den nächsten Jahren in der 1. Liga etablieren kann, wenn der Weg so weiter gegangen wird wie bisher. Wie lange das dauern wird, lässt sich schwer abschätzen. Bei Werder Bremen war es beispielsweise am Anfang auch so, dass sie zwischen den ersten beiden Ligen gependelt sind, bis sie sich dauerhaft in der ersten Liga etabliert haben. Ich glaube, das ist "normal" im Frauenfussball, weil man nicht von null auf 100 in der 1. Liga mithalten kann. Das haben wir dieses Jahr auch gemerkt. Es fehlt die Erfahrung, es fehlen vielleicht ein paar Schlüsselspielerinnen, die man aber nicht von der einen auf die andere Saison holen und etablieren kann. Das dauert alles seine Zeit.

Wie war es für Sie sportlich, aber auch aus struktureller Sicht, den Unterschied zu erleben zwischen der 2. Bundesliga und in dieser Saison der 1. Bundesliga?

Man muss auf jeden Fall sagen, dass der Verein einen Riesenschritt in Richtung Professionalisierung gemacht hat. Wir haben vorher immer erst abends trainiert, weil wir Spielerinnen hatten, die bis nachmittags gearbeitet haben. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Wir trainieren jetzt in der Regel am frühen Nachmittag auf dem Platz, dazu noch zweimal in der Woche vormittags im Kraftraum. Das ist schon ein enormer Unterschied. Damit muss man auch erst mal klarkommen, weil es eine neue Belastung ist und deutlich mehr als davor. Sportlich gesehen spielt man gegen einige der besten Spielerinnen der Welt. Die Unterschiede zwischen der 1. und 2. Liga, insbesondere zu den Spitzenteams wie Bayern und Wolfsburg sind schon enorm. In der Bundesliga wird jeder Fehler knallhart bestraft.

Gibt es Dinge, von denen Sie jetzt sagen würden, dass Sie vorher andere Vorstellungen hatten?

Eher erhofft. Zum Beispiel, dass wir Teams im Mittelfeld häufiger ärgern können. Nicht unbedingt, dass wir definitiv Punkte mitnehmen, aber dass wir vielleicht schon ein Stück näher dran sind, als es in einigen Spielen der Fall war. Teilweise haben wir es in einigen Partien richtig gut gemacht. Aber man hat auch oft gemerkt, dass die Qualität und die Erfahrung, die auf der anderen Seite sind, für uns gerade noch ein Stück zu hoch sind.

Jetzt ist es so, dass Nürnberg für den Klassenerhalt mindestens sieben Punkte aus den letzten drei Spielen bräuchte. Gleichzeitig müssten Leipzig und Köln alle Partien verlieren. Wie schauen Sie auf den Endspurt der Saison? Gegen Leipzig geht es ja auch als Nächstes.

Unsere Ausgangslage ist uns allen sehr klar. Es wird schwierig, noch in der Liga zu bleiben. Aber wir wissen auch, dass im Fussball alles möglich ist. Es gab schon oft überraschende Wendungen oder gar Fussballwunder. Daran glauben wir bis zum Schluss. Wir müssen gegen Leipzig dreifach punkten. Wir wollen zeigen, dass das Unentschieden gegen Bayern im Hinspiel kein Zufall war. Und gegen Duisburg müssen wir den perfekten Abschluss schaffen. Aber selbst, wenn es nicht klappen sollte, wir möchten uns bestmöglich aus dieser Liga verabschieden. Ob die direkten Konkurrenten selber punkten, liegt dann nicht mehr in unserer eigenen Hand.

"Ich und eigentlich alle freuen sich über jedes Mädchen, das anfängt Fussball zu spielen."

Jessica May

Sie haben es vorhin schon angedeutet, aber was denken Sie, würde der Abstieg für Nürnberg bedeuten? Würde in der nächsten Saison der direkte Wiederaufstieg angepeilt werden? Oder denken Sie, dass es dauern könnte?

Das ist schwer zu sagen. Die Mannschaft hat das Potenzial direkt wieder oben mitzuspielen. Das sollte auf jeden Fall auch das Ziel sein. Ich weiss natürlich nicht, wie es bei einzelnen Spielerinnen aussieht, ob sie im Falle eines Abstieges bleiben würden. Aber im Verein wird so gut gearbeitet, dass auch mögliche Abgänge kompensiert werden könnten. Mit den vorherrschenden Strukturen und dem aktuellen Kader hat der Verein definitiv die Qualität, um auch im nächsten Jahr wieder angreifen zu können, sollten wir den Klassenerhalt nicht schaffen.

Wenn wir zum Abschluss zu Ihnen persönlich zurückkommen: Könnte es denn sein, dass Sie irgendwann vielleicht in einer anderen Rolle beruflich in den Fussball zurückkommen?

Ich werde auf jeden Fall wieder zum Fussball finden. Ich habe schon vor ein, zwei Jahren bei der U17 viel mitgeholfen als Trainerin. Da habe ich gemerkt, dass das etwas ist, was mir sehr gut liegt und ich auch sehr gerne machen würde. Wie schnell das passieren wird, muss man sehen. Ich brauche auf jeden Fall erstmal eine Pause. Mal sehen, wie schnell ich das Ganze vermissen werde. Aber ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, wieder ein Teil davon zu werden.

Gibt es noch etwas, dass Sie Ihren Kolleginnen, anderen Fussballerinnen oder vielleicht auch einfach welchen, die es werden möchten, mit auf den Weg geben möchten?

Ja, ich habe es in meinem Video schon kurz gesagt. Ich und eigentlich alle freuen sich über jedes Mädchen, das anfängt Fussball zu spielen. Auch wenn bei uns am Spielfeldrand kleine Mädels stehen mit Trikots von uns. Das ist etwas, was jede Spielerin unfassbar berührt, weil man selbst mal so klein war und an seine Träume geglaubt hat. Und wenn man da wirklich Spass dran hat und alles gibt, dann kann man seinen Traum auch leben. Gerade bei uns sind viele Spielerinnen dabei, die sich in den letzten Jahren einen Traum erfüllt haben. Und ich bin mir sicher, dass das noch viele andere können.

Über die Gesprächspartnerin

  • Jessica May ist seit knapp elf Jahren Spielerin des 1. FC Nürnberg, sie war nur für zwei Jahre zwischenzeitlich bei einem anderen Verein: Von 2016 bis 2018 spielte sie in der Zweitvertretung des 1. FFC Frankfurt. May hat mit Nürnberg also viel erlebt und die Entwicklung der Frauenabteilung aus erster Hand mitbekommen. Aktuell kommt sie auf 129 Pflichtspiele für den Verein. Derzeit kämpfen die Aufsteigerinnen gegen den direkten Abstieg.

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