Timo Werner geht, Dayot Upamecano wohl auch, für Wunsch-Transfers fehlt das Geld – der junge Trainer Julian Nagelsmann erlebt bei RB Leipzig die bislang schwierigste Phase seiner Bundesliga-Laufbahn. Sein Ehrgeiz wird dabei zur grossen Hürde. Eine Analyse.

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Es gehe "um ein Bier", erzählte Dietrich Mateschitz. Der Red-Bull-Boss ist nicht gerade bekannt dafür, Interna auszuplaudern. Doch von dieser Wette mit Uli Hoeness, dem Ehrenpräsidenten des FC Bayern, erzählte der Milliardär den österreichischen "Bundesländerzeitungen" freimütig.

Nicht zuletzt bauen beide zusammen eine riesige Mehrzweckhalle in München, und schliesslich sind die beiden Konkurrenten in der Bundesliga. In den kommenden drei Jahren werde RB Leipzig die deutsche Meisterschaft gewinnen, so lautete die Wette zum Bierdeckel-Einsatz des 76 Jahre alten Unternehmers aus Salzburg.

RB Leipzig und FC Bayern: Meister-Wette zwischen Mateschitz und Hoeness

Besagte Wette stammt aus dem Sommer 2019. Zeitweise schien sie schon in dieser Saison aufzugehen. Zwischen dem 3. und 6. sowie zwischen dem 15. und 20. Spieltag war RB Leipzig – gefördert durch den Mutterkonzern Red Bull – Tabellenführer. Der Traum lebte, sich zum 13. Deutschen Meister der Bundesliga-Geschichte (seit der Gründung 1963) zu küren.

Doch nach der Winterpause erlebte das Team des jungen und selbstbewussten Trainers Julian Nagelsmann einen unerwarteten Einbruch. Zuerst schenkten die Sachsen die Tabellenführung her, dann verspielten sie Platz zwei an Borussia Dortmund.

Der Frust bei Nagelsmann wuchs, für jeden erkennbar, da der 32-Jährige keinen Hehl daraus machte – im Gegenteil. Der Bayer teilte ordentlich gegen das eigene Personal aus.

Nagelsmann motzte gegen das eigene Team

"Es geht um Entscheidungen, die jeder für sich treffen muss: Wollen wir das Gipfelkreuz erreichen, oder bleiben wir kurz davor stehen? Und geniessen die Aussicht von ein bisschen weiter unten? Ist auch was Schönes!", sagte er Ende Januar nach einer 0:2-Niederlage bei Eintracht Frankfurt. Kontraproduktiv?

Nach einem 2:2 gegen Hertha BSC Ende Mai bezeichnete Nagelsmann seine Mannschaft bei "DAZN" als "Schülermannschaft". Auf der Pressekonferenz polterte er, warum seine Spieler "zum wiederholten Male so körperlos" verteidigen.

Es brodelte sichtlich ihn ihm. Dabei galt er lange als die smarte Trainer-Entdeckung des deutschen Fussballs, als er bei 1899 Hoffenheim nachweislich sehr gute Arbeit leistete.

Nagelsmann wirkte zuletzt unzufrieden

Doch die Ansprüche in Leipzig sind andere, es sei an die Hoeness-Mateschitz-Wette erinnert. Dabei wird die Gemengelage für Nagelsmann und seinen Arbeitgeber durch die Coronakrise kniffliger. Konkret: Es fehlt offenbar das Budget für Wunsch-Transfers.

"Es geht ums Geld und dementsprechend um das nackte Überleben für viele Klubs", sagte Geschäftsführer Oliver Mintzlaff im April dem "Kicker". Schon Anfang des Jahres hatte der 44-jährige RB-Boss dem "Sportbuzzer" erklärt: "Das Geld wurde uns nicht geschenkt, das sind Darlehen, die getilgt werden müssen."

Mittlerweile hat die Konzernmutter reagiert – und der Bundesliga-Tochter Schulden in Höhe von 100 Millionen Euro erlassen, um das Eigenkapital zu stärken. Die Möglichkeiten auf dem Transfermarkt verbesserte dieser Schritt aber offenbar nicht ausreichend.

Bleiben Schick und Angelino? Geht Upamecano?

Das Werben um den bisher ausgeliehenen Stürmer Patrick Schick (24, AS Rom) hat sich zu einem Transfer-Poker entwickelt. Die "Sport-Bild" hatte von einer angeblichen Ausstiegsklausel über 28 Millionen Euro berichtet, die mittlerweile verstrichen sei.

"Die Summen, die in den Verträgen verankert sind, werden für uns nicht zu leisten sein", erklärte Sportdirektor Markus Krösche zu Schick und Aussenspieler Angelino (23). Der ebenfalls ausgeliehene Spanier (Manchester City) soll 22 Millionen Euro Ablöse kosten. RB wirbt weiter um ihn, genauso um Schick, beide Wunschspieler von Nagelsmann.

Die Roma soll die Ablöse für Schick laut "Corriere dello Sport" auf 25 Millionen Euro gesenkt haben, Leipzig aber "nur" 20 Millionen Euro bieten. Ausgang ungewiss.

Das gilt auch für die Verhandlungen mit Abwehrchef Dayot Upamecano (21), der den Verein Medienberichten zufolge im Sommer verlassen könnte. Und es gilt für Stand-by-Nationalspieler Benjamin Henrichs (23), mit dem sich Leipzig laut "kicker" über einen Wechsel einig sein soll. Doch auch in den Verhandlungen mit der AS Monaco hakt es wohl an der Ablöse.

Frust wegen Werner

Nagelsmanns Frust dokumentierte sich vor allem in der Personalie Timo Werner (24). "Ich glaube nicht, dass er nächstes Jahr noch hier ist", sagte er vor Bekanntwerden des Transfers zum FC Chelsea eigenwillig bei "DAZN". Krösche versuchte, die Wogen zu glätten, erklärte: "Wenn es etwas zu vermelden gibt, werden wir das machen."

Sein Trainer liess seiner Enttäuschung aber weiter freien Lauf. "In meiner Planung ist drin, dass er in der Champions League spielt. Noch ist er unser Spieler und hat noch nirgendwo anders unterschrieben", sagte er auf einer Pressekonferenz.

Und weiter: "Ich habe oft mit ihm geredet, über seine Situation, über seine Zukunft, was er vorhat, was er gerne machen würde, was seine Ziele sind", referierte der Trainer: "Es gehen manchmal Dinge über den Wunsch eines Trainers hinaus. Jeder Spieler hat seine eigene Karriereplanung und Lebensplanung." Werner sieht diese in London.

Und Nagelsmann musste sich in Leipzig der Kritik erwehren, er hätte nicht um seinen Torjäger (28 Saison-Tore in der abgelaufenen Bundesliga-Saison) gekämpft, was ihm offensichtlich missfiel. In derselben PK meinte er schroff, dass ihm die Champions League aktuell "sch… egal" sei.

Ernüchterung statt Charisma

Keine Frage: Nagelsmanns Charisma ist viel Ernüchterung gewichen. Der Erkenntnis, dass auch ein riesiger Mehrheitseigner nicht alle Wünsche ermöglichen kann. Und, dass zur Meisterschaft noch ein grosses Stück fehlt.

Immerhin: Nagelsmann hat noch zwei Jahre Zeit, für seinen Chef die Wette bei Bayern-Patron Hoeness einzulösen. Um ein Bier.

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur
  • Sportschau: Nagelsmann: "Gipfelkreuz erreichen, oder bleiben wir kurz davor stehen?"
  • kicker.de: Mintzlaff zu Geisterspielen: "Es geht ums Geld und ums nackte Überleben"
  • kicker.de: Nagelsmann spricht mit Henrichs – klappt es für RB im dritten Anlauf?
  • sportbuzzer.de: RB Leipzigs Boss Oliver Mintzlaff: "Das Geld wurde uns nicht geschenkt"
  • mdr.de: Julian Nagelsmann zu Timo Werner und einem möglichen Champions-League-Einsatz
  • corrieredellosport.it: Roma, ok al mini rinnovo di Schick col Lipsia
  • sportbild.de: Angelino wird zum Pep-Schnäppchen
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