Die Leipziger toben, weil der Schiedsrichter-Assistent ihrem Ausgleichstor in der Nachspielzeit wegen Abseits die Anerkennung verweigert. Doch der Mann hat nicht nur Recht, sondern auch gute Nerven. Ohnehin sind die Linienrichter viel besser als ihr Ruf.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Meine Meinung
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In Dortmund lief die vierte Minute der Nachspielzeit, der BVB führte mit 1:0, als die Gäste aus Leipzig einen allerletzten verzweifelten Versuch unternahmen, doch noch einen Punkt mit nach Hause nehmen zu können. Und tatsächlich gelang es Oliver Burke, den kurz zuvor eingewechselten Federico Palacios Martínez freizuspielen, der den Ball am Dortmunder Torhüter Roman Bürki vorbei ins Gehäuse der Gastgeber schob. Riesenfreude bei den Sachsen, lähmendes Entsetzen bei den Westfalen.

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Leipzig jubelte nicht lange

Doch der Jubel von RB Leipzig währte nicht lange, denn draussen an der Seitenlinie hatte der Schiedsrichter-Assistent seine Fahne gehoben und den Unparteiischen zu einem Pfiff veranlasst. Abseits, signalisierte Sascha Thielert, 36 Jahre alt und im Hauptberuf kaufmännischer Angestellter. Nichts war es also mit dem Ausgleichstreffer. Die Rasenballsportler konnten es nicht fassen.
Naby Keita bedrängte Thielert, der stoisch sein Arbeitsgerät in die Luft hielt. Yussuf Poulsen kam mit weit aufgerissenen Augen hinzu und protestierte lautstark. Stefan Ilsanker tobte wie ein Rumpelstilzchen vor dem Mann an der Linie, selbst Trainer Ralph Hasenhüttl hatte es nicht in seiner Coachingzone gehalten.

Die Sachsen fühlten sich um den Lohn ihrer Arbeit gebracht und liessen ihren Ärger nahezu ungehemmt an dem Linienrichter aus Buchholz in der Nordheide aus.

Spielentscheidendes Fahnenzeichen in emotionalem Spitzenspiel

Der aber blieb bewundernswert ruhig und liess sich nicht anmerken, wie es in ihm aussah. Dabei hatte er gerade ein spielentscheidendes Fahnenzeichen gegeben, in nahezu letzter Sekunde, vor über 80.000 Zuschauern in einem emotionalen Spitzenspiel. Und die Situation, die er zu beurteilen hatte, hätte knapper kaum sein können. Es ging lediglich um wenige Zentimeter.


Doch die Fernsehbilder bestätigten Thielert: Tatsächlich befand sich Palacio Martínez minimal im Abseits, nämlich mit einem Teil seines Oberkörpers. Arme und Hände werden zur Beurteilung nicht herangezogen, weder bei den Spielern der verteidigenden Mannschaft noch bei denen des angreifenden Teams. Denn es zählen nur diejenigen Körperteile, mit denen ein Tor regulär erzielt werden kann.

Bemerkenswerte Entscheidung

Dass Sascha Thielert in einer derart extremen Situation die richtige Entscheidung traf, ist bemerkenswert. Ohnehin gebührt den oft – und häufig zu Unrecht – gescholtenen Schiedsrichter-Assistenten ein grosses Lob. Denn ihre Trefferquote beim Abseits liegt, obwohl es fast immer eng zugeht, regelmässig bei über 90 Prozent. Dabei haben sie gewiss manchmal auch das nötige Quäntchen Glück.
Vor allem aber tragen zu diesem starken Ergebnis die regelmässigen Schulungen bei, in denen nicht nur das Auge der Assistenten trainiert wird, sondern auch deren Fähigkeit, Situationen, Spielzüge und Konstellationen vorauszuahnen. Eine gewichtige Rolle spielen zudem die richtige Positionierung und nicht zuletzt die Erfahrung. Davon hat Sascha Thielert reichlich: Seit 2006 amtiert er in der Bundesliga als Assistent, die Begegnung in Dortmund war bereits seine 164. Partie im Oberhaus.
Zweifellos wird er aufgeatmet haben, als er später erfuhr, dass sein Abseitssignal richtig war. Allerdings sollte man den Helfern an der Linie auch keinen Vorwurf machen, wenn sie bei Zentimeterentscheidungen unter riesigem Druck im professionellen Hochgeschwindigkeitsfussball mal danebenliegen. Sie haben eben keine technischen Hilfsmittel zur Verfügung – noch nicht. Wenn zur nächsten Saison der Videobeweis eingeführt wird, ändert sich das. Sascha Thielert hatte ihn am Samstag jedoch gar nicht nötig.

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