• Für Felix Magath bergen die Relegationsspiele gegen seinen langjährigen Klub Hamburger SV besondere Brisanz.
  • Für den Trainer von Hertha BSC könnte es im sportlichen Existenzkampf keinen emotionaleren Gegner geben.
  • Unser Experte Olaf Thon ist sich deshalb - trotz Magaths anderweitiger Aussagen - auch einer Sache ganz sicher.

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Herthas Trainer Felix Magath steht in den Relegationsduellen mit dem Hamburger SV nicht nur sportlich vor einer immensen Herausforderung. Sondern auch emotional. Magath muss seinen Verstand über das Herz siegen lassen. Die Aufgabe der 68-jährigen Bundesliga-Legende lautet, Hertha BSC in der Erstklassigkeit zu halten.

Unser Experte Olaf Thon ist überzeugt davon, dass Magath und der Hertha dies gelingt, wenn auch mit reichlich Verspätung. "Ich hatte der Hertha die Rettung eigentlich schon am 33. Spieltag (1:2 daheim gegen Mainz, Anmerk. d. Red.) zugetraut", sagte Thon im Gespräch mit unserer Redaktion. "Man sieht aber, dass es keine eingespielte Mannschaft ist. Es geht drunter und drüber. Felix Magath hat ein schweres Amt übernommen. Auch Fredi Bobic hatte sich nach seinem Weggang aus Frankfurt nicht vorgestellt, eine so schwierige Saison durchzumachen. Wenn dann auch noch der Geldgeber gegen den Präsidenten angeht und man so viele Querelen im Verein hat, dann führt das nie zum Erfolg. Ich gehe trotzdem davon aus, dass die Hertha die Relegation gegen Hamburg gewinnt."

Beim Hamburger SV ist Felix Magath eine Legende

Dort, in Hamburg, beim HSV, hat Magath die längste und erfolgreichste Zeit seiner Karriere verbracht: von 1976 bis 1986 als Spieler, anschliessend bis 1988 als Manager. Als Trainer der zweiten Mannschaft kehrte Magath 1993 an die Elbe zurück, übernahm im Herbst 1995 den Posten des Cheftrainers, um vor genau 25 Jahren, im Mai 1997, entlassen zu werden.

Damals drohte den Hamburgern bereits ihr erster Abstieg aus der Bundesliga. Der ereilte den Europapokalsieger der Landesmeister von 1983 (dank eines Tores durch Felix Magath gegen Juventus Turin) dann 2018. Seitdem ging dem Klub jedes Jahr im Aufstiegsrennen auf der Zielgeraden die Puste aus.

Der HSV hat sein Endspurt-Trauma besiegt

In der abgelaufenen Saison aber rissen Trainer Tim Walter und seine Mannschaft das Ruder herum. "Wir haben die letzten fünf Spiele gewonnen und sieben Punkte aufgeholt", merkte Walter im Rahmen einer Pressekonferenz zwei Tage vor der ersten Relegationspartie (18. Mai ab 20:30 Uhr in Berlin) an: "Das haben wir Hertha vielleicht voraus." Am letzten Spieltag verwandelte der Hamburger SV im Rahmen des Derbys in Rostock einen 0:1-Rückstand in einen 3:2-Sieg. Punktgleich mit Darmstadt 98, entschied nur die Tordifferenz das Fernduell um Platz drei der Tabelle zugunsten des HSV.

Trotz des psychologischen Vorteils einer Siegesserie warnte Walter vor "der grossen individuellen Qualität der Berliner". Thon pflichtet ihm bei. "Die Qualität des Kaders spricht für die Hertha." Dazu komme, dass "Hamburg in der Abwehr" nach Meinung Thons "zu viel" zulasse: "Der HSV ist sehr offensiv ausgerichtet." Trotzdem kassierte der Klub mit 35 Gegentoren in 34 Partien in der abgelaufenen Saison der 2. Bundesliga die mit Abstand wenigsten Gegentore.

Thon aber zieht zur Untermauerung seines Tipps auf einen Erfolg der Hertha auch die Statistik heran: "Die spricht für den Erstligisten. Ich glaube, 80, 85 Prozent der Erstligisten haben sich in den letzten 15 Jahren in der Relegation durchgesetzt." Tatsächlich gewannen die Erstligisten seit Wiedereinführung der Relegationsspiele am Ende der Saison 2008/09 von 13 Duellen zehn. Das entspricht einer Quote von 76,92 Prozent.

2012 erwischt es die Hertha mit Otto Rehhagel

Vor genau zehn Jahren gehörte die Hertha aber zu den drei Verlierern der Bundesliga. Damals scheiterte in Berlin ein ähnliches Experiment wie heute: eine Trainer-Legende zur Rettung der Bundesliga-Zugehörigkeit einzusetzen. Der seinerzeit 73-jährige Otto Rehhagel sah sich, wie heute Magath, einem Ex-Klub gegenüber. Mit Fortuna Düsseldorf hatte Rehhagel 1980 den DFB-Pokal gewonnen. Die Fortuna schickte die Hertha 2012 zum bislang letzten Mal in die Zweitklassigkeit.

Passiert dies Magath nun auch gegen den HSV? Kein Klub hat seit 2009 häufiger die Relegation durchlitten. 2014 und 2015 erhielt der Hamburger SV die Bundesliga jeweils nur mit viel Glück, erst gegen Fürth, dann gegen den KSC.

"Bei Felix Magath werden ein paar Tränen fliessen, egal, ob er gewinnt oder verliert", da ist sich Thon sicher. "Das wird so eine emotionale Geschichte wie bei den Abgängen von Michael Zorc in Dortmund und bei Rudi Völler in Leverkusen."

Felix Magath spielt sein Wiedersehen mit dem HSV herunter

Magath selbst widerspricht jedoch Thon, seinem einstigen Kollegen in der Nationalmannschaft und Schachpartner: "Der HSV, das steht doch vollkommen ausser Frage, ist der grösste Abschnitt meines Fussballer-Lebens. Aber das spielt für diese beiden Begegnungen überhaupt keine Rolle! Es geht nach wie vor nicht um mich oder meine Vergangenheit mit dem HSV. Es geht einzig und allein um Hertha BSC - um den Klassenerhalt", betonte Magath im Interview mit dem "kicker". "Ich habe oft genug Partien gehabt, wo es um die Wurst ging. Ich kann mich fokussieren auf meine Aufgabe", fügte der Vize-Weltmeister von 1982 und 1986 an anderer Stelle hinzu.

Den Fokus auf die Aufgabe Klassenerhalt richtete Magath mit seiner Mannschaft im Vorfeld an einem Ort mit besonderer Aura: in der Sportschule Kienbaum. Dort schinden sich sonst Olympia- und Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Paralympischen Spielen.

Trainingslager in Kienbaum: Magath "riecht und spürt Erfolg"

"Wir haben uns diese Sportschule ausgesucht, weil hier die Sieger herkommen. Wir möchten von dieser Aura profitieren", sagte Magath. Den Erfolg der Weltmeister und Olympiasieger "riecht und spürt man überall", fügte er hinzu: "Deswegen sind wir in bester Gesellschaft."

Magath zeigte sich am Tag vor dem Hinspiel siegesgewiss. "Ich bin sicher, wenn alles normal läuft, dass wir dann gute Aussichten haben, diese beiden Relegationsspiele als Sieger zu verlassen." Das "Momentum" sei auf Seiten der Hertha. "Wir sind gut drauf, das zeigen wir noch zweimal." Es sei "Tatsache, wenn man es objektiv sieht, seitdem ich die Verantwortung trage, haben wir eine positive Entwicklung gemacht."

Olaf Thon: "Felix Magath wird keine Engagements mehr annehmen"

Unabhängig vom Ausgang der Relegation glaubt Thon allerdings nicht an einen Verbleib Magaths in Berlin oder gar an eine neuerliche Rückkehr des "grossen Strategen" auf die Trainerbank. "Ich kann mir vorstellen, dass Magath nach Hertha keine Engagements mehr annehmen wird. Diese Wochen bei Hertha waren für ihn wie Jahre. Er hat gesehen, wie tief sich dieser Abstiegskampf eingräbt, wie anstrengend das ist, wie sehr es an der Psyche zehrt. Ich habe ihm in die Augen geschaut, als es für die Hertha das entscheidende Gegentor durch Moukoko in Dortmund gegeben hat. Das war Hardcore für Felix Magath. Aber er hat ja noch zwei Spiele, um zu beweisen, dass er ein grosser Trainer ist."

Mit Material der dpa
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