In letzter Sekunde haben sich der VfL Bochum und Torwart Manuel Riemann geeinigt - er darf zurück ins Training. Die Lösung hätte man früher haben können.
Bevor wir konkret auf den Fall Riemann beim VfL Bochum zu sprechen kommen, ist ein bisschen Sozialneid unvermeidlich. Man muss wissen: Sogar Fussballprofis aus der 3. Liga kassieren ein Einkommen, von dem Krankenschwestern, Busfahrer und Polizeibeamte nur träumen können. Fünfstellig ist das Monatsgehalt fast immer. Vereine und Berater rechtfertigen die fürstliche Vergütung mit den Gesetzen des Marktes: Die Spieler verdienen, was das Branchensystem ihnen erwirtschaftet. Bei Stürmerstar
Fussballprofis sind schwerlich mit normalen Arbeitnehmern zu vergleichen. Es gibt keinen Tarifvertrag, keine vergleichbaren Vergütungsrichtlinien und keinen Betriebsrat, der bei einer Degradierung zum Ersatzspieler wohlwollend vermittelt. Profifussballer sind Ich-AGs und gehen volles Risiko: Eine schwere Verletzung kann die Karriere jederzeit beenden, die Abhängigkeit vom Cheftrainer ist offensichtlich, und die Öffentlichkeit bewertet deine Leistung am Arbeitsplatz jeden Tag aufs Neue. Mitleid ist nicht angebracht: Die Tätigkeit wird, siehe oben, prächtig vergütet.
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Wie geht man also mit Meinungsverschiedenheiten an der Betriebsstätte um? Bei Manuel Riemann hatte der VfL Bochum im Frühjahr, bevor es in die (am Ende erfolgreiche) Relegation gegen Fortuna Düsseldorf ging, "unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen zu teaminternen Themen" unterstellt und ihn aus der Mannschaft geworfen. Der Torhüter wollte sich aber nicht in die zweite Mannschaft abschieben lassen und zog vors Arbeitsgericht. Zum Urteil kam es nicht: Am Montag einigten sich Verein und Spieler aussergerichtlich. Riemann kehrt in den Erstliga-Kader zurück.
Zwischen Streit und Stimmungswechsel liegt fast ein halbes Jahr der Anspannung, Ungewissheit und Schuldzuweisung. Und wofür das alles? Um hinterher festzustellen, dass nichts Irreparables passiert ist, dass man Riemann im Abstiegskampf doch braucht und beide Seiten jetzt am besten zum Fall schweigen. Die Lösung hätte man schon im Sommer haben können. Aber offenbar zogen die Akteure aus dem Millionenzirkus den öffentlichen Klamauk vor, den eine spektakuläre Personalie verursacht. Professionell ist das gewiss nicht.
Machtspiele statt Lösungen: Warum die Bundesliga eine Schiedsstelle braucht
Für Vereine sind Spieler Kapitalanlagen, die bestenfalls im Wert steigen, wenn die Leistung stimmt. Folglich muss man sein Hab und Gut pfleglich behandeln. Würde man Disziplinlosigkeit in letzter Konsequenz bestrafen, wie es normale Arbeitgeber bei Vergehen täten, fiele der Marktwert sofort - und der, der bestrafen will, bestraft sich selbst. Die Spieler kennen ihre Macht. Lässt man sie ablösefrei ziehen, kassieren sie die theoretische Ablösesumme als "Signing Fee“ selbst. Gibt es kein Interesse, bleibt immer noch der Gang vors Arbeitsgericht. In wessen Sinne soll das sein?
Was hier fehlt, ist offensichtlich: eine Schiedsstelle, die ein zerrissenes Tischtuch näht, noch bevor die Streithähne ihre Sitzplätze verlassen und ihre Anwälte kontaktieren. Der Verband ist hier gefragt: In einem Milieu, wo Vereine zwar als Arbeitgeber auftreten, die Spitzenkräfte aber keinesfalls gewöhnliche Arbeitnehmer sind, muss ein Mediator Gräben zuschütten können. Die Bundesliga braucht diese Schiedsstelle. Die Millionengehälter schützen ja vor Emotionen nicht. Aber nicht jeder Streit, der in einer Trennung endet, muss vors Arbeitsgericht.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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