Nach einer individuell durchwachsenen Hinrunde und anschliessender Verletzung wurden Stimmen laut, Borussia Dortmund könne auf Marco Reus verzichten. Damit verkennt man aber die Bedeutung des BVB-Kapitäns für seine Mannschaft und den Verein.

Christopher Giogios
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christopher Giogios dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als Marco Reus vor ziemlich genau einem Jahr aufgrund eines Muskelfaserrisses drei Partien in der Bundesliga sowie das Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales bei den Tottenham Hotspur verpasste, geriet der BVB in eine kleine Ergebniskrise.

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Die Verletzung, die vielleicht die Meisterschaft 2018/2019 kostete

Punktverluste in der Liga und eine deutliche 0:3 Pleite in London sorgten nicht nur für einen Rückstand in der Champions League, der vor heimischer Kulisse nicht mehr aufgeholt werden konnte. Darüber hinaus verlor man Punkte, die den BVB die Meisterschaft kosteten.

Damals wurde die Verletzung von Reus unmittelbar mit dieser Formschwäche in Verbindung gebracht. Nicht wenige Stimmen sprachen am Ende der Saison davon, dass bei einem verletzungsfreien Reus die Meisterschale wohl nach Dortmund gewandert wäre. Quasi als Trostpreis wurde der Kapitän der Schwarz-Gelben verdientermassen zum Spieler der Saison gewählt.

Wie sich der BVB aktuell ohne seinen Kapitän schlägt

In der aktuellen Saison muss der Offensivspieler seit Anfang Februar ebenfalls aufgrund einer Muskelverletzung aussetzen. Allerdings siegte der BVB in dieser Zeit nicht nur überraschend im Achtelfinale der Champions League beim Heimspiel gegen Paris Saint-Germain, sondern gewann auch in der Bundesliga drei von vier Begegnungen.

Insbesondere durch den unglaublichen Einstand des norwegischen Winterneuzugangs Erling Haaland mag der ein oder andere nun davon ausgehen, dass der BVB auch gut ohne seinen Kapitän zurechtkommt. Doch ist dem so?

Reus musste sich den Respekt beim BVB hart erarbeiten

Letztlich steht diese Momentaufnahme sinnbildlich dafür, dass Reus schon immer bei den BVB-Fans um sein Standing kämpfen musste. Als er 2012 von Borussia Mönchengladbach zu seinem Jugendverein zurückkehrte, wurde ihm schnell das Label des nächsten "Wechselkandidaten" verpasst.

Zu Unrecht, denn Reus hält dem Verein bis heute die Treue und verlängerte seinen Vertrag mehrfach – zuletzt bis 2023. Jedoch war man auch sportlich hin- und hergerissen, da er zwar - wenn gesund - überragende Leistungen zeigte, allerdings aufgrund zahlreicher Verletzungen auch viele Spiele verpasste.

In der Saison 2018/2019 wurde dem damals 29-Jährigen die Kapitänsbinde anvertraut. Inzwischen hatte er im Kader voller junger, talentierter Nachwuchsspieler die Rolle des erfahrenen Anführers übernommen. Insbesondere auch durch sein Auftreten neben dem Feld erarbeitete er sich so den Respekt der Anhängerschaft, da er selten davor zurückschreckt, schlechte Leistungen und Missstände zu benennen.

Das Formtief der aktuellen Saison - und die Hoffnung auf Besserung

Gleichwohl muss man attestieren, dass Reus in der vergangenen Hinrunde selbst seiner Form hinterherlief. In Anbetracht von zwölf Toren und sieben Torvorlagen in der laufenden Saison wirkt das zwar wie Jammern auf hohem Niveau, allerdings nahm er in vielen Begegnungen nicht wirklich am Spiel des BVB teil. Mitunter vergab er Torchancen, die er vor einem Jahr wohl mit verbundenen Augen gemacht hätte.

Es schien allerdings so, als sei die BVB-Offensive – im Sommer verstärkt durch Julian Brandt und Thorgan Hazard – generell nicht eingespielt. So wurde Reus manchmal im zentralen offensiven Mittelfeld, manchmal als eine Art hängende Spitze eingesetzt und konnte im Sturm nicht unbedingt Akzente setzen. Vor allem als Kapitän wünschte man sich mehr Präsenz von ihm.

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Mit der Verpflichtung von Haaland im Winter, einem gelernten Stürmer, agiert jedoch auch die BVB-Offensive anders. Nun hat man einen Zielspieler, der durch die Kreativabteilung um Sancho und Brandt in Szene gesetzt wird. Insofern besteht kein Grund für einen Abgesang auf Marco Reus.

Vielmehr ist zu erwarten, dass er sich gut in die zunehmend besser geölte BVB-Offensive einfügen und von der enormen Präsenz von Erling Haaland profitieren wird. Allerdings ist der Routinier dann auch gefordert, denn an offensiven Optionen mangelt es beim BVB nicht. Neben den genannten Spielern ist mit Giovanni Reyna ein neuer Youngster in den Kader aufgerückt, der durchaus für Furore sorgen kann.

Beim Rückspiel in Paris muss die Mannschaft jedenfalls wieder ohne Reus auskommen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Borussia für die nächste Runde qualifizieren kann. Dann hoffentlich wieder mit ihrem Kapitän.

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