• Zwei Gladbacher fallen am 23. Spieltag der Fussball-Bundesliga durch Unsportlichkeiten auf.
  • Marcus Thuram versucht durch eine Schwalbe, einen Elfmeter zu schinden, allerdings ohne Erfolg.
  • Ramy Bensebaini wird sogar wegen hämischen Beifalls des Feldes verwiesen.
  • Das Spitzenspiel des Wochenendes hat unterdessen auch einen Spitzenschiedsrichter.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Alex Feuerherdt sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.


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Wenn es den Video-Assistenten nicht gäbe, dann wäre Marcus Thuram, Angreifer von Borussia Mönchengladbach, im Spiel seiner Mannschaft gegen den SC Freiburg (0:0) nach 65 Minuten mit seinem dreisten Versuch, einen Strafstoss zu schinden, erfolgreich geblieben.

Der französische Nationalspieler war mit dem Ball am Fuss in den Strafraum der Gäste gelaufen und hatte einen Haken um Nicolas Höfler geschlagen, bevor er ohne Not zu Boden ging. Trotzdem entschied Schiedsrichter Benjamin Brand auf Strafstoss.

Tatsächlich konnte man in der Realgeschwindigkeit den Eindruck haben, dass Höfler den Gladbacher durch einen Tritt oder ein Beinstellen zu Fall gebracht hatte.

Die Wiederholungen zeigten dann aber eindeutig, was wirklich passiert war: Es gab keinerlei Kontakt gegen Thuram. Höfler hatte sein rechtes Bein zwar zunächst in die Richtung seines Gegenspielers ausgefahren, den Fuss aber rechtzeitig abgestellt und nichts Unerlaubtes getan.

Thuram fiel freiwillig, ohne jede Berührung. Video-Assistent Benjamin Cortus empfahl Brand deshalb nach der Überprüfung der Entscheidung ein On-Field-Review, danach nahm der Referee seinen Elfmeterpfiff zurück und setzte das Spiel mit einem Schiedsrichterball fort.

Das heisst: Er entschied auf "kein Foul", nicht auf "Schwalbe", ansonsten hätte es die Gelbe Karte für Thuram und einen indirekten Freistoss für den SC Freiburg gegeben.

Sascha Stegemann, am Samstag in der Partie 1. FSV Mainz 05TSG 1899 Hoffenheim (1:0) selbst als Unparteiischer im Einsatz, fasste in der Sendung "Doppelpass" zusammen, was in diesem Moment das Wichtigste war: "Wir sind alle froh, dass es diesen Strafstoss nicht gegeben hat und das Spiel nicht durch diesen Strafstoss entschieden wurde."

Es sei eine gute Gelegenheit, "auch mal zu sagen, dass der Video-Assistent seine Daseinsberechtigung hat, dass das ein sehr positives Beispiel dafür ist, wie es auch funktionieren kann, und dass die Jungs in Köln einen sehr guten Job gemacht haben".


Referee Brand: "Eine Gelbe Karte hätte sehr gut hingepasst"

Aber warum entschloss sich Benjamin Brand nach dem Betrachten der Videobilder nicht dazu, Thuram wegen unsportlichen Verhaltens zu verwarnen?

Stegemann erklärte – von Brand dazu autorisiert –, wie es dazu gekommen war: "Er hatte keine Zweifel, dass es ein Strafstoss ist. Er sieht das Bein des Freiburgers, das rausgeht, und nimmt einen klaren Kontakt am Schienbein wahr, der ursächlich war für den Fall."

Brand sei daher überrascht gewesen, dass der VAR ihm zum Gang an den Monitor geraten habe. In der Review Area habe er sich, so Stegemann, "die Bilder noch mal angeguckt und sich dann aber mehr oder weniger ausschliesslich auf die Frage konzentriert: Ist es ein Foul, ja oder nein?"

Der Schiedsrichter habe sich die Szene dreimal angesehen, dann sei er zu dem Schluss gekommen, "dass es keinen strafbaren Kontakt gab und dementsprechend kein Foul". Brand habe später aber auch gesagt: "Wenn ich es jetzt noch mal sehe, dann hätte da eine Gelbe Karte sehr gut hingepasst."

Thuram fiel nicht zum ersten Mal mit einer Schwalbe auf: Im WM-Finale gegen Argentinien im Dezember etwa hatte er ebenfalls versucht, den Schiedsrichter zu täuschen und einen Strafstoss zu schinden. Der Unparteiische liess sich jedoch nicht ins Bockshorn jagen und verwarnte ihn.

Selbst der Gladbacher Trainer Daniel Farke sieht ein Problem: "Wir haben Anfang der Saison in der Vorbereitung drüber gesprochen, weil ich das Gefühl hatte, dass Marcus tendenziell zu leicht fällt. Ich finde, das gehört sich nicht und ist auf Bundesliganiveau nicht üblich."

Bensebaini droht mehr als ein Spiel Sperre

Thuram war nicht der Einzige, der sich in der Partie gegen die Freiburger unsportlich verhielt – und wegen Meckerns in der 84. Minute doch noch verwarnt wurde.

Sein Mitspieler Ramy Bensebaini kickte drei Minuten später nach einer Freistossentscheidung, mit der er nicht einverstanden war, den Ball weg und reagierte auf die Gelbe Karte, die ihm Benjamin Brand dafür berechtigterweise zeigte, mit hämischem Beifall.

Dafür gab es – ebenso völlig zu Recht – Gelb-Rot, doch Bensebaini mochte sein Fehlverhalten nicht einsehen: Bevor er in die Kabine ging, rief er dem Referee noch die französischen Worte "fils de pute" zu. Auf Deutsch: "Hurensohn".


Das bekam das Schiedsrichterteam nicht mit, doch die Kameras fingen es ein, weshalb nun der DFB-Kontrollausschuss ermittelt. Gut möglich, dass Bensebaini für mehr als ein Spiel gesperrt wird.

Holger Badstuber etwa musste zwei Partien aussetzen, nachdem er im Oktober 2019 als Spieler des VfB Stuttgart mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen worden war und daraufhin den Unparteiischen zugerufen hatte: "Ihr seid Muschis geworden!" Auch diese Beleidigung hatten die Referees nicht wahrgenommen, die Mikrofone am Spielfeldrand jedoch eingefangen.

Jablonski nutzt seinen Ermessensspielraum

Im Spitzenspiel dieses Wochenendes zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig (2:1) am Freitagabend bot Schiedsrichter Sven Jablonski derweil eine Spitzenleistung. Der 32-Jährige liess die schnelle und intensive Partie sehr gut laufen und nutzte seinen Ermessensspielraum sinnvoll, nicht zuletzt bei den persönlichen Strafen.

So ersparte er Christopher Nkunku nach einer Viertelstunde einen frühen Feldverweis, als der Leipziger den davoneilenden Marco Reus durch einen Tritt von hinten mit den Stollen in die Wade abrupt stoppte. Der Ball war für Nkunku dabei nicht spielbar, das war ein weiteres Argument für eine Rote Karte.

Weil der Kontakt jedoch nur kurz währte und nicht allzu intensiv war – Nkunku war nicht mit gestrecktem Bein vorgegangen und hatte auch nicht sein Gewicht auf den Fuss verlagert, um die Stollen in Reus‘ Wade zu bohren –, gab es für Jablonski nach der geltenden Regelauslegung den nötigen Spielraum, um es bei einer Gelben Karte zu belassen.

Betrachtet man die Szene isoliert, dann überwiegen die Argumente für einen Ausschluss, im Spielkontext jedoch passte die Verwarnung, die auch gute Akzeptanz fand. Nach 23 Minuten leistete sich Nkunku ein weiteres Foul, diesmal gegen Marius Wolf, doch dabei traf er nur dessen Fussspitze, weshalb der Referee nachvollziehbar auf Gelb-Rot verzichtete.


Es fehlt nur die Gelbe Karte für Leipzigs Keeper Blaswich

Von Jablonskis grosszügiger Linie, die zum Spielcharakter passte, profitierten auch Nico Schlotterbeck – der nach seinem Foulspiel gegen Benjamin Henrichs in der 35. Minute ohne Gelbe Karte davonkam – und Henrichs, dessen rüde Beinschere gegen Julian Ryerson nach 52 Minuten nur eine Verwarnung nach sich zog.

Der Unparteiische entschied sich in Grenzfällen stets gegen eine mögliche härtere Sanktion und fuhr damit bestens.

Korrekt war auch die Strafstossentscheidung für den BVB in der 20. Minute, als der Leipziger Torwart Janis Blaswich im eigenen Strafraum mit dem Oberarm den Unterschenkel von Reus traf, woraufhin der Dortmunder Kapitän in aussichtsreicher Position den Ball nicht mehr aufs Tor bringen konnte und fiel.

Einziger Schönheitsfehler: Es wäre eigentlich eine Gelbe Karte für Blaswich fällig gewesen, denn der Schlussmann hatte durch sein Foul im Kampf um den Ball eine offensichtliche Torchance der Gastgeber vereitelt.

Mit einer mutigen Spielleitung, stimmigen Entscheidungen in allen spielrelevanten Situationen, einer klaren Linie und einem entscheidungsfreudigen Auftreten sicherte sich Sven Jablonski den Respekt der Spieler und der Bänke. Er war der passende Leiter dieser Begegnung und zeigte einmal mehr, dass er auch anspruchsvollen Aufgaben absolut gewachsen ist.

Nach einem recht unruhigen Start ins Jahr können die Schiedsrichter nun auf einen weiteren Spieltag zurückblicken, der für sie insgesamt erfreulich verlief. Die Disziplinlosigkeit mancher Akteure haben sie nicht zu verantworten.

Alex Feuerherdt lebt in Köln und ist dort seit vielen Jahren verantwortlich für die Aus- und Fortbildung der Unparteiischen. Ausserdem wird der 52-Jährige als Schiedsrichter-Beobachter in Spielklassen des DFB eingesetzt und arbeitet für den Verband auch als Schiedsrichter-Coach.
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