- In Berlin verweigert der Schiedsrichter RB Leipzig einen Strafstoss, weil er den fraglichen Zweikampf auf dem Platz nachvollziehbar anders beurteilt, als es die Zeitlupe im Fernsehen nahelegt.
- Auch in anderen Begegnungen des dritten Spieltags kommt es zu erklärungsbedürftigen Entscheidungen.
Kontrovers diskutiert wurde eine heikle Szene in der zwölften Minute der Partie zwischen dem 1. FC Union Berlin und RB Leipzig (2:1) beim Stand von 0:0. Timo Werner war bei einem Konter der Sachsen mit dem Ball am Fuss in den Strafraum der Köpenicker eingedrungen, verfolgt von Christopher Trimmel.
Nach einem leichten Kontakt an der Schulter ging der Stürmer zu Boden, Schiedsrichter Deniz Aytekin liess weiterspielen. In der Realgeschwindigkeit sprach auch nicht viel für einen Elfmeter, die Entscheidung wirkte somit nachvollziehbar. Trimmels Armeinsatz war kein eindeutiges Haltevergehen,
Die Zeitlupe offenbarte jedoch, dass Trimmel in der Laufbewegung mit seinem linken Fuss auf den rechten Knöchel von Werner getreten war. Da war der Leipziger allerdings bereits aus dem Gleichgewicht geraten. Genau das führte Aytekin im Interview des Senders Sky als Begründung dafür an, dass er nicht auf Elfmeter entschieden hatte.
"Auf dem Platz war für uns der Ablauf, dass Timo ins Straucheln kam aufgrund des Kontaktes oben", erklärte er. "In normaler Geschwindigkeit sieht man, dass er ins Straucheln kommt und in der Folge weiterläuft. Auch der Verteidiger läuft weiter und tritt ihn natürlich unten. Die Ursache und Wirkung, warum er runterfällt, war für mich diese leichte Berührung oben."
Der Unparteiische räumte gleichwohl ein, dass es auch Argumente für einen Strafstoss gab. Doch so klar, dass es einen Eingriff von Video-Assistent Günter Perl hätte geben müssen, war die Angelegenheit für Aytekin nicht. "Wir müssen aufhören, alles nach Köln zu schieben. Am Ende habe ich als Schiedsrichter die Verantwortung", wandte er ein.
Auch Jochen Drees, der Projektleiter der Video-Assistenten, plädierte für eine differenzierte Bewertung. In der Sendung "Doppelpass" sagte er: "Die Szene finde ich sehr komplex, weil sie aus zwei Teilen besteht", nämlich dem Kontakt an der Schulter und dem Kontakt am Fuss.
"Der Referee hat den Oberkörpereinsatz wahrgenommen und als zu leicht bewertet. Ich möchte aber nicht sagen, dass das auf keinen Fall ein Strafstoss ist." Einiges spreche für einen Elfmeter, manches aber dagegen.
Was für und was gegen Aytekins Entscheidung spricht
Die unterschiedliche Wahrnehmung und Bewertung des Zweikampfs zwischen Trimmel und Werner ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie sehr die Einschätzung davon abhängen kann, ob man eine Spielsituation in der Realgeschwindigkeit – wie auf dem Spielfeld – oder in der verlangsamten Wiederholung betrachtet.
"In Zeitlupe erscheint die Dynamik einer Situation verändert, wodurch man annimmt, dass die Akteure mehr Zeit hätten, über ihre Handlungen nachzudenken", schreibt der Heidelberger Sportpsychologe Henning Plessner, der sich mit den Auswirkungen von VAR-Eingriffen beschäftigt, in einer Studie. Ein Körperkontakt oder ein Treffer kann also in der Verlangsamung dramatischer aussehen, als er es in der Realgeschwindigkeit war.
Deshalb ist es begreiflich, dass Deniz Aytekin weiterspielen liess – eben weil Timo Werner durch einen nicht strafbaren Kontakt am Oberkörper ins Straucheln geraten war und sich der Treffer an seinem Fuss für den Referee somit als nicht ursächlich für den Sturz darstellte.
Trotzdem bleibt die Frage, ob dieser Fusstreffer nicht ungeachtet dessen einen Strafstoss hätte nach sich ziehen müssen. Immerhin handelte es sich um einen Tritt, auch wenn die Zeitlupe ihn in seiner Dynamik gravierender erscheinen lassen mochte, als er es in der Echtzeit war.
Ein Argument für eine Strafstossentscheidung wäre dieser Tritt dennoch gewesen. Aber auch eines für eine Intervention des VAR? Wenn man Jochen Drees‘ Ausführungen zugrunde legt, dann war Aytekins Entscheidung zumindest nicht klar und offensichtlich falsch. Demnach griff Günter Perl zu Recht nicht ein.
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Was sonst noch wichtig war
Zwei berechtigte Handelfmeter gab es in der Begegnung zwischen Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC (1:0), beide für die Gastgeber, den zweiten davon nach einem korrekten Eingriff von VAR Pascal Müller. Doch während
Hat Florian Dietz im Spiel Eintracht Frankfurt – 1. FC Köln (1:1) beim Ausgleichstreffer von Jan Thielmann in der 82. Minute aus einer Abseitsposition die Sicht des Frankfurter Torwarts Kevin Trapp zum Ball versperrt und so dessen Möglichkeit beeinträchtigt, den Ball zu spielen? Nach einer mehrminütigen Überprüfung des Treffers durch den VAR und einem On-Field-Review entschied der Unparteiische Martin Petersen: Das Tor bleibt gültig. Weil auch günstige Kameraperspektiven in engen Situationen wie dieser nicht den exakten Blick des Torhüters abbilden können, ist die Bewertung des sogenannten Sichtlinienabseits oft subjektiv. Trotzdem sprach hier einiges dafür, dass es eher Trapps Teamkollege Tuta war, der ein Sichthindernis für den Eintracht-Keeper darstellte. Und weil Dietz auch nicht eindeutig aktiv wurde, etwa durch eine klare Bewegung zum Ball oder vom Ball weg, ist es vertretbar, dass Petersen bei seinem Entschluss blieb, den Treffer anzuerkennen.
Gleich zweimal vergab Simon Terodde in der Partie des VfL Wolfsburg gegen den FC Schalke 04 (0:0) in der Nachspielzeit der ersten Hälfte die Chance, einen Elfmeter zu verwandeln. Beide Male scheiterte er am Wolfsburger Torhüter Koen Casteels. Den ersten Strafstoss hatte Schiedsrichter Felix Zwayer richtigerweise wiederholen lassen, weil der Schlussmann der Hannoveraner die Torlinie schon vor dem Schuss mit beiden Füssen eindeutig nach vorne verlassen hatte. Beim zweiten Versuch wäre übrigens ein Wechsel des Elfmeterschützen möglich gewesen. Denn das Regelwerk sieht nur vor, dass der Schütze klar bestimmt sein muss, aber nicht, dass im Falle einer Wiederholung derselbe Spieler noch einmal anzutreten hat.
Das Siegtor für die Gäste im Spiel FC Augsburg – 1. FSV Mainz 05 (1:2) fiel nach einem schnell und kurz ausgeführten Eckstoss von Delano Burgzorg. Dabei ruhte der Ball noch nicht, sondern er bewegte sich minimal, was mit blossem Auge in der Realgeschwindigkeit allerdings kaum zu erkennen war. Der Video-Assistent durfte hier jedoch nicht eingreifen, denn nach den Regularien sind fehlerhaft ausgeführte Spielfortsetzungen kein Anlass für eine Intervention, weil sie nicht zu den "spielrelevanten Entscheidungen" zählen. Ausnahmen soll es nur in besonders eklatanten Fällen geben. Ein solcher Fall lag hier gewiss nicht vor.
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