Nicht weniger als achtmal tragen die Video-Assistenten am elften Spieltag der Fussball-Bundesliga dazu bei, dass Entscheidungen des Schiedsrichters geändert werden. Achtmal tun sie es zu Recht. In Berlin hätte es eine weitere Intervention geben müssen, in Paderborn verhindern die Regularien sie. Eine kleine Bestandsaufnahme.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Alex Feuerherdt dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

FC Schalke 04 – Fortuna Düsseldorf (3:3): Weston McKennie wehrt im eigenen Strafraum einen Kopfball des Düsseldorfers Nuhu Adams nach einer Stunde mit erhobenem linken Arm ab. Dem Unparteiischen Robert Hartmann ist die Sicht verdeckt, deshalb erkennt er das Handspiel nicht.

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Sein Video-Assistent rät ihm jedoch richtigerweise zum Review. Die Düsseldorfer bekommen schliesslich einen Elfmeter zugesprochen, Rouwen Hennings nutzt ihn und verwandelt zum 1:1.

Hertha BSCRB Leipzig (2:4): Nach 35 Minuten will der Leipziger Nordi Mukiele den Ball im gegnerischen Strafraum vor das Tor bringen, doch Karim Rekik lenkt die Kugel mit abgespreiztem Arm ins Toraus.

Auch hier ist der Eingriff des Video-Assistenten korrekt, nachdem Schiedsrichter Sören Storks das Handspiel nicht wahrgenommen hat. Den fälligen Elfmeter schiesst Timo Werner zum 1:1 ins Berliner Tor.

In der 72. Minute fliegt der Ball hoch und weit in den Leipziger Strafraum. Der Leipziger Konrad Laimer und Niklas Stark springen zum Kopfball, Laimer trifft mit seinem weit ausgefahrenen rechten Arm sowohl den Ball als auch das Gesicht des Berliners.

Es gäbe also gleich zwei Gründe für einen Strafstoss, doch Storks' Pfeife bleibt stumm und es kommt auch zu keinem On-Field-Review. Das ist schwer zu verstehen, denn selbst wenn man den Treffer in Starks Gesicht für einen Unfall hält, bleibt doch das eindeutig strafwürdige Handspiel.

In Paderborn darf der VAR nicht eingreifen

SC Paderborn 07 – FC Augsburg (0:1): Der Siegtreffer für die Gäste resultiert aus einem direkt verwandelten Freistoss von Philipp Max. Allerdings haben zwei Augsburger vor der Ausführung nicht den Abstand von einem Meter zur Abwehrmauer eingehalten, der seit dieser Saison vorgeschrieben ist.

Das Tor dürfte deshalb eigentlich nicht anerkannt werden. Trotzdem interveniert der VAR nicht – denn er darf es laut den Regularien nicht: Die einzige Spielfortsetzung, bei der die Berechtigung und die Ausführung überprüft werden, ist die torgefährlichste, nämlich der Elfmeter.

Bei falschen Einwürfen, zu geringen Mauerabständen oder einem Freistoss, bei dessen Ausführung der Ball nicht ruht, muss sich der VAR dagegen auch dann heraushalten, wenn daraus ein Tor fällt. In diesen Fällen entscheidet ausschliesslich der Schiedsrichter.

So erklärt es der Unparteiische Marco Fritz dann auch im Interview nach dem Spiel, doch Paderborns Trainer Steffen Baumgart hält das für eine "Ausrede". Obwohl es exakt so im Handbuch für die Video-Assistenten steht und damit verpflichtend ist.

Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen (3:1): Zweimal empfiehlt der VAR ein On-Field-Review, zweimal folgt der Unparteiische Tobias Stieler ihm und ändert seine Entscheidung: Zunächst annulliert er in der 29. Minute ein Bremer Tor von Yuya Osako, weil dem Treffer ein Tritt von Milot Rashica in die Wade des Gladbachers Denis Zakaria vorausgegangen ist, den er nicht wahrgenommen hat.

In der 50. Minute wiederum entscheidet Stieler nachträglich auf Strafstoss, nachdem Ramy Bensebaini im eigenen Strafraum von ihm zunächst unbemerkt auf den Fuss von Osako gestiegen ist. Beide Korrekturen sind notwendig und berechtigt.

Auch Grifos Tätlichkeit bleibt nicht unentdeckt

SC Freiburg – Eintracht Frankfurt (1:0): Im Freiburger Strafraum tritt der Frankfurter Gonçalo Paciência nach 30 Minuten in den Boden und kommt daraufhin zu Fall. Für Schiedsrichter Felix Brych ist ein Foul von Jonathan Schmid der Grund dafür, deshalb entscheidet er auf Strafstoss für die Gäste.

Doch der VAR findet bei seiner Überprüfung keine Bilder, die einen strafbaren Kontakt bestätigen: Paciência hat seinen Fuss ohne gegnerische Einwirkung in den Rasen gerammt. Brych nimmt den Elfmeter deshalb nach einem On-Field-Review zurück.

In der Nachspielzeit kommt es nach einem Bodycheck von David Abraham gegen den Freiburger Trainer Christian Streich zu tumultartigen Szenen auf dem Rasen. Als sich die Lage wieder halbwegs beruhigt hat, zeigt Brych dem Kapitän der Eintracht völlig zu Recht die Rote Karte.

Es gibt aber noch einen weiteren Feldverweis, nämlich auf Intervention des VAR: Der bereits ausgewechselte Freiburger Vincenzo Grifo hat Abraham ins Gesicht und an den Hals gegriffen. Das Schiedsrichterteam hat diese Tätlichkeit in der unübersichtlichen Rudelbildung am Spielfeldrand nicht bemerkt.

Dem Video-Assistenten ist sie jedoch aufgefallen. Folgerichtig wird auch Grifo von Brych nach dem Review vorzeitig in die Kabine geschickt.

Ohne VAR hätte es laute Klagen gegeben

Auch in den Begegnungen zwischen dem 1. FC Köln und der TSG 1899 Hoffenheim (1:2) sowie zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund (4:0) kommt es nach Eingriffen der Video-Assistenten zu Korrekturen.

In Köln erhalten die Gäste in der Nachspielzeit einen berechtigten Foulelfmeter zugesprochen, den sie zum Siegtreffer nutzen. In München wird das Tor von Serge Gnabry zum 2:0, das zunächst wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung des Vorlagengebers Thomas Müller annulliert wurde, schliesslich doch noch anerkannt.

So hitzig die Diskussionen gerade in den sozialen Netzwerken am Wochenende wieder einmal waren: Es lässt sich nicht bestreiten, dass mithilfe der Video-Assistenten erneut mehrere klare Fehler verhindert oder ausgebügelt werden konnten.

In keiner Partie waren die Eingriffe der VAR unnötig, vielmehr hätte es in Berlin sogar zu einer weiteren Intervention kommen sollen, wenn nicht müssen. In Paderborn wiederum hätte eine Einmischung dem Protokoll widersprochen.

Mag es auch Kritik an den Video-Assistenten geben – an diesem Wochenende wären die Klagen wohl erheblich lauter ausgefallen, wenn es ihn nicht gegeben hätte. Denn dann hätten acht eindeutige Fehlentscheidungen zu Buche gestanden.

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