In dieser Spielzeit greifen die Video-Assistenten besonders oft nach Toren ein, vor allem im Zusammenhang mit dem Thema Abseits. Das hat viel damit zu tun, dass die Schiedsrichter-Assistenten eine Anweisung, die ihre gewohnte Praxis berührt, mittlerweile zuverlässig umsetzen.
Als der Düsseldorfer Angreifer Dodi Lukebakio in der Partie seiner Fortuna beim FC Bayern München (3:3) nach 77 Minuten ein Zuspiel aufnahm, noch einige Meter lief und den Ball schliesslich zum zweiten Mal ins Tor von
Denn an der Seitenlinie hatte der Schiedsrichter-Assistent ihn im Abseits gesehen und deshalb die Fahne gehoben. Das tat er reichlich spät, nämlich erst, als der Ball im Gehäuse der Münchner lag.
Doch anders als vor der Einführung der Video Assistentant Referees (VAR) ist diese verzögerte Zeichengebung – und der damit verbundene späte Abseitspfiff des Schiedsrichters – ausdrücklich gewollt. Denn nur so bekommt der Video-Assistent die Möglichkeit, die Szene zu überprüfen.
Schliesslich darf und soll er im Falle eines Tores die Entscheidung des Unparteiischen einem Check unterziehen, ganz gleich, ob dieser den Treffer anerkannt hat oder nicht.
Hebt der Schiedsrichter-Assistent hingegen frühzeitig seine Fahne und pfeift der Referee daraufhin, bevor der Ball ins Tor gegangen ist, dann ist keine Videoprüfung mehr zulässig.
Die Schiedsrichter-Assistenten mussten sich umstellen
Sollte sich die Abseitsentscheidung anschliessend als falsch erweisen, ist die Torchance unwiderruflich dahin. Deshalb sind die Schiedsrichter-Assistenten mittlerweile aufgerufen, bei engen Situationen in der Nähe der Tore zu warten, bis der Angriff abgeschlossen ist. Erst dann sollen sie ihr Fahnenzeichen geben, falls sie ein strafbares Abseits wahrgenommen haben.
Was nachvollziehbar und einfach klingt, ist in der Praxis jedoch nicht so leicht umzusetzen. Schliesslich waren es die Assistenten jahrelang gewohnt, sofort die Fahne zu heben, wenn sie eine ahndungswürdige Abseitsstellung erkannten.
Sich einen solchen Automatismus abzutrainieren, braucht Zeit und ist ein bisschen so, als würde man einen Autofahrer auffordern, in bestimmten Situationen künftig mit dem Bremsen zu warten.
Doch inzwischen setzen die Helfer an den Seitenlinien diese Veränderung immer zuverlässiger um, so auch im Spiel zwischen dem Deutschen Meister und dem Aufsteiger aus Nordrhein-Westfalen.
Als der VAR die Überprüfung der Abseitsentscheidung beendet hatte, musste er Schiedsrichter Sven Jablonski allerdings mitteilen, dass der Schiedsrichter-Assistent sich geirrt hatte. Zur Freude von Dodi Lukebakio natürlich, dessen Tor am Ende doch zählte.
50 Prozent der Änderungen betreffen Torerzielungen
Dass die Assistenten die geänderte Anweisung verinnerlicht haben, spiegelt sich auch in Zahlen wider.
Bislang wurden 32 Entscheidungen in dieser Saison nach einem Eingriff des VAR geändert. Zwölf davon betrafen das Thema Abseits nach einer Torerzielung: Neunmal wurde ein Treffer wegen einer Abseitsstellung aberkannt, dreimal wurde ein ursprünglich annulliertes Tor doch noch für gültig erklärt.
Der Schwerpunkt bei den Einsätzen der Video-Assistenten hat sich verschoben: In der vergangenen Saison bezogen sich geänderte Entscheidungen in mehr als der Hälfte der Fälle auf Strafstösse, die nachträglich gegeben oder revidiert wurden. In dieser Spielzeit dagegen sind bislang 50 Prozent der Änderungen nach einer Torerzielung erfolgt.
Auffällig ist zudem, dass die Korrekturen, die auf einen Eingriff des Video-Assistenten zurückgehen, fast zu gleichen Teilen faktische und subjektive Entscheidungen betreffen.
Bei faktischen Entscheidungen gibt es nur schwarz und weiss, wie es etwa bei der Frage der Fall ist, ob ein Abseits vorgelegen oder ein Vergehen innerhalb oder ausserhalb des Strafraums stattgefunden hat.
Subjektive Entscheidungen hingegen bewegen sich in einer Grauzone: Lag ein Foulspiel vor oder doch noch ein regelgerecht geführter Zweikampf? War das Handspiel strafbar oder nicht? Und ist die Antwort, die der Schiedsrichter auf eine dieser Fragen gegeben hat, klar und offensichtlich falsch oder gerade noch zu rechtfertigen?
Warum Thomas Müller keinen Elfmeter bekam
In der vergangenen Saison betrafen weit mehr als zwei Drittel der Änderungen nach einem Eingriff des VAR subjektive Entscheidungen, in dieser Spielzeit dagegen gab es 15 von 32 Korrekturen nach faktischen Entscheidungen.
Diese führen in der Regel nicht zu Debatten, weil es bei ihnen keinen Entscheidungsspielraum gibt. Manchmal sind die zur Verfügung stehenden Bilder jedoch nicht eindeutig genug, um zu beurteilen, ob der Schiedsrichter sich geirrt hat.
So wie etwa in der 85. Minute der Begegnung zwischen Bayern und Düsseldorf, als
Das Videomaterial legt zwar nahe, dass der Münchner auf der Strafraumlinie zu Fall kam, doch keine Perspektive schafft völlige Klarheit. Es lässt sich nicht zweifelsfrei sagen, welcher der beinahe gleichzeitig stattfindenden Kontakte an Fuss, Wade und Oberschenkel ursächlich dafür war, dass Müller zu Boden ging.
Darüber hinaus kann man auch nicht mit Sicherheit sagen, ob sich alle diese Körperpartien im massgeblichen Moment innerhalb des Strafraums befanden.
In Leverkusen war der Fall klarer
Da die Video-Assistenten sich nach dem Wunsch ihrer sportlichen Leitung nicht als Detektive betätigen sollen und die Entscheidung des Referees, einen Freistoss statt eines Elfmeters zu geben, somit nicht offensichtlich falsch war, gab es aus der Kölner Videozentrale auch keinen Einwand.
Denn wenn beim VAR nach dem Betrachten der Bilder noch Restzweifel bestehen, soll es bei der auf dem Platz geschehenen Entscheidung bleiben.
Anders lag der Fall in der 14. Minute der Partie zwischen Bayer 04 Leverkusen und dem VfB Stuttgart (2:0). Hier liess sich problemlos nachweisen, dass das Handspiel des Stuttgarters Emiliano Insua, das zu einem Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Robert Schröder führte, ausserhalb des Strafraums stattgefunden hatte.
Deshalb intervenierte der Video-Assistent, und der Unparteiische änderte seine Entscheidung auf Freistoss. Manchmal geht es nur um wenige Zentimeter – und darum, ob eine Kamera die betreffende Szene so eingefangen hat, dass es keine zwei Meinungen geben kann.
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