Am 15. Spieltag sorgen die Referees kaum für vorweihnachtliche Stimmung. Denn der Videobeweis gibt weiterhin viele Rätsel auf. Vor allem in Mönchengladbach, Leverkusen und Frankfurt ärgert man sich über ihn.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Alex Feuerherdt dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

40 Minuten waren in der Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Schalke 04 (1:1) gespielt, als Lars Stindl von Naldo gelegt wurde und Schiedsrichter Sascha Stegemann ohne zu zögern einen Elfmeter für die Hausherren gab.

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Die Sache schien eigentlich unstrittig, dennoch gab es ein Gespräch des Referees mit dem Video-Assistenten. Mehr noch: Der Unparteiische lief sogar in die Review Area am Spielfeldrand, um sich die Szene selbst anzusehen.

Als er zurück auf den Platz kam, nahm er den Strafstoss zurück und erkannte auf Freistoss für die Schalker. Die Verwunderung war gross: Was hatten Stegemann und sein Helfer am Bildschirm bloss gesehen?

Keinen unberechtigten Elfmeterpfiff jedenfalls, Stegemann korrigierte sich aus einem anderen Grund: Bei der Balleroberung einige Sekunden vor dem Foul von Naldo hatte der Gladbacher Oscar Wendt seinen Gegenspieler Daniel Caligiuri mit einem Rempler zu Boden geschickt. Der Referee hatte jedoch weiterspielen lassen.

Ein Fehler, wie der Video-Assistent meinte – und der Schiedsrichter nach Betrachten der Bilder ebenfalls. Aber durfte der Mann an den Monitoren in Köln überhaupt eingreifen?

Gladbach: Regelkonforme Rücknahme des Elfmeters

Grundsätzlich ja – denn nicht nur nach Toren, sondern auch bei Elfmetern wird von ihm überprüft, ob sich im Laufe des Angriffszuges, der dem Treffer oder dem Strafstosspfiff vorausgegangen ist, ein ungeahndetes klares Vergehen des angreifenden Teams ereignet hat. Wenn ja, muss das Tor beziehungsweise der Elfmeter zurückgenommen werden.

Doch war es wirklich ein eindeutiges Foul von Wendt gegen Caligiuri? Hatte der Unparteiische nicht eigentlich eine gute Sicht auf den Zweikampf und sich deshalb ganz bewusst entschieden, die Partie nicht zu unterbrechen?

Sascha Stegemann selbst sagte nach der Begegnung dem "Kicker" zufolge: "Auf dem Spielfeld war es für mich ein grenzwertiger Zweikampf, bei dem es aber noch im Rahmen des Vertretbaren lag, ihn weiterlaufen zu lassen."

Doch der Video-Assistent habe Kontakt zu ihm aufgenommen und ihm mitgeteilt, dass er ein Foul an Caligiuri übersehen habe. "Ich bin daraufhin in die Review Area gegangen und habe mir die Situation angesehen", so Stegemann.

"Dort hatte ich natürlich einen anderen Blickwinkel als auf dem Spielfeld. Ich bin dann auch zur Erkenntnis gekommen, dass es, wie vom Video-Assistenten erwähnt, ein klares Foul an Caligiuri war."

Kürzlich bekräftigte der DFB noch einmal die Definition, dass ein eindeutiger Fehler immer dann vorliegt, wenn der Unparteiische seine Entscheidung nach Ansicht der Bilder ändern würde. Daran gemessen haben Stegemann und der Video-Assistent richtig gehandelt.

Uneinheitliche Praxis des Videobeweises

Dennoch sorgt der Videobeweis weiterhin für hitzige Debatten und lässt so manchen unzufrieden zurück. Denn eine Ein- und Abgrenzung des Kriteriums "klare Fehlentscheidung" fällt in der Praxis auf dem Platz oft immer noch schwer.

Nach wie vor wird es uneinheitlich gehandhabt, wann der Video-Assistent eingreift und wann er sich heraushält. Und das auch in Situationen, bei denen ein Vergleichsmassstab existiert.

So kam der Stuttgarter Santiago Ascacibar im Spiel gegen Bayer 04 Leverkusen für seinen Sprung mit den Stollen auf das Sprunggelenk von Julian Brandt mit der Gelben Karte davon, weil sich die Video-Zentrale in Köln nicht einmischte.

Eine Woche zuvor dagegen war der Leverkusener Wendell für ein ähnliches Vergehen gegen den Dortmunder Gonzalo Castro auf Intervention des Video-Assistenten des Feldes verwiesen worden.

Auch in Frankfurt griff der Video-Assistent nicht ein, als Bayerns Arturo Vidal schon nach fünf Minuten die "Notbremse" gegen Aymane Barkok zog, von Schiedsrichter Harm Osmers jedoch nur mit einer Verwarnung bedacht wurde.

Dabei war der Fall sogar klarer als vor zwei Wochen in Augsburg. Dort hatte der Wolfsburger Maximilian Arnold von Referee Tobias Stieler nach dessen Gang in die Review Area die Rote Karte wegen der Verhinderung einer klaren Torchance gezeigt bekommen. Ursprünglich hatte Stieler nur eine Verwarnung ausgesprochen.

Warum Frankfurts Wolf doch weiterspielen durfte

Gut war dagegen die Kooperation von Referee Osmers mit seinem Helfer an den Bildschirmen nach dem Platzverweis für den Frankfurter Marius Wolf in der 72. Minute.

Wolf hatte James zwar mit einer Grätsche von hinten zu Boden gebracht, doch die Intensität des Fouls war eher gering. Zudem wurde der Münchner nicht gesundheitsgefährdend getroffen.

Dass die Rote Karte vom Video-Assistenten als klarer Fehler eingestuft und vom Schiedsrichter nach dem Betrachten der Wiederholung am Spielfeldrand in eine Gelbe Karte umgewandelt wurde, war deshalb nachvollziehbar.

Es war das erste Mal in der Bundesliga, dass ein Platzverweis aufgrund des Videobeweises revidiert wurde. Diese Premiere glückte jedenfalls.

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