In Mönchengladbach kommt es zu einem Kuriosum: Die Torhüter beider Teams sehen jeweils eine Gelbe Karte für Fouls ausserhalb des Strafraums. Der eine, weil er damit einen guten Angriff zunichte gemacht hat, der andere, weil er ohne Erfolg versucht hat, die "Notbremse" zu ziehen. Gladbachs Keeper profitiert dabei von einem Strafrabatt im Regelwerk.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
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Es kommt eher selten vor, dass der Schiedsrichter einem Torwart die Gelbe oder Rote Karte zeigen muss. Dass gleich beide Keeper in einem Spiel eine persönliche Strafe erhalten, ist sogar eine absolute Ausnahme.

Die letzte Partie, in der das passierte, lag bis zu diesem Spieltag fast 13 Jahre zurück: Im Februar 2008 empfing der FC Bayern München den SV Werder Bremen; nach 29 Minuten wurde seinerzeit der Bremer Schussmann Tim Wiese verwarnt, vier Minuten später traf es Oliver Kahn auf der anderen Seite.

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In der Begegnung zwischen Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen (1:0) sahen nun erneut beide Schlussleute schon vor der Pause die Gelbe Karte – und in beiden Fällen sorgte das zumindest für kleine Irritationen.

Nach 22 Minuten traf es zunächst den Bremer Torhüter Jiří Pavlenka. Vorausgegangen war ein langer Ball der Hausherren in die Spitze auf Jonas Hofmann, der sich ein Laufduell mit Miloš Veljković lieferte.

Warum Pavlenkas Foul keine "Notbremse" war

Unterstützung bekam der Bremer von Pavlenka, der aus seinem Gehäuse und sogar aus dem Strafraum rannte, um zu klären. Seine Hände durfte er dazu natürlich nicht benutzen, deshalb versuchte er es unkonventionell mit dem Kopf.

Doch Pavlenka verfehlte den Ball, genauso wie Hofmann, den er bei seinem Sprung mit der Schulter traf. Beide Spieler kamen zu Fall, Schiedsrichter Martin Petersen unterbrach daraufhin die Partie mit einem Pfiff.

Nun musste er entscheiden, ob Pavlenka mit seinem Foul eine offensichtliche Torchance vereitelt, also die "Notbremse" gezogen hatte und deshalb mit einer Roten Karte zu bestrafen war. Der Unparteiische beliess es jedoch bei Gelb für den Torwart der Gäste.

Und das war richtig: Zum einen hatte Hofmann keinerlei Kontrolle über den hohen Ball, es ist noch nicht einmal gewiss, ob er ihn überhaupt erreicht hätte. Zum anderen befand sich Veljković in seiner Nähe und hatte eine realistische Eingriffschance.

Deshalb war keine offensichtliche Torchance gegeben. Regeltechnisch betrachtet wurde nur ein aussichtsreicher Angriff unterbunden. Dafür sehen die Fussballregeln lediglich die Gelbe Karte vor.

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Ginter rettet auf der Linie

Acht Minuten vor der Pause unternahm auch Pavlenkas Pendant Yann Sommer einen Ausflug aus seinem Sechzehnmeterraum, ebenfalls nach einem weit nach vorne geschlagenen Ball.

Der Keeper der Gastgeber erreichte die Kugel mit dem Kopf, von wo sie ein Stück wegsprang. Der Bremer Joshua Sargent nahm den Ball mit dem Fuss auf und legte ihn am nachsetzenden Sommer vorbei, der den Angreifer am Fuss traf und ihn so zu Fall brachte.

Sargent rappelte sich allerdings gleich wieder auf, während der Ball zu seinem freistehenden Teamkollegen Felix Agu gelangte, der von der Strafraumgrenze sofort abzog. Auf der Torlinie befand sich nur der Gladbacher Matthias Ginter.

Agus Schuss war jedoch nicht platziert genug, Ginter konnte den Ball mit dem Fuss neben das Tor lenken. Jetzt verwarnte Referee Petersen auch Yann Sommer – und das war ebenfalls korrekt.

Ohne "Taterfolg" gibt es Gelb statt Rot

Der Torhüter profitierte dabei von einer Art Strafrabatt, den das Regelwerk vorsieht, wenn der Schiedsrichter nach einem rein taktischen Foul die Vorteilsbestimmung anwendet.

Wenn durch dieses Vergehen eigentlich ein aussichtsreicher Angriff unterbunden werden sollte, dann entfällt durch den Vorteil die sonst vorgesehene Verwarnung, weil der "Taterfolg" nicht eingetreten ist.

Und wurde der erfolglose Versuch unternommen, eine offensichtliche Torchance zu vereiteln, dann gibt es statt der Roten Karte nur die Gelbe.

Das heisst, es wird abgestuft: Durch Gewährung des Vorteils wird bei einer "Notbremse" Rot zu Gelb, und bei der unfairen Unterbindung eines erfolgversprechenden Angriffs wird Gelb zu nichts.

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Hat Sommer eine klare Torchance zu vereiteln versucht?

Aber hatte Sommer durch sein Foul wirklich versucht, eine offensichtliche Torchance zunichte zu machen?

Diese Frage kann man durchaus bejahen. Denn Sargent hatte die Ballkontrolle, und ohne das Vergehen 22 Meter vor dem Tor in zentraler Position hätte er eine sehr gute Abschlusschance gehabt.

Schliesslich war kein Gegenspieler in seiner Nähe, und die beiden Abwehrspieler, die sich in diesem Moment rund acht Meter vor dem leeren Tor aufhielten, hätten ja nicht ihre Hände einsetzen dürfen, um den Ball abzuwehren.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob es sinnvoll war, auf Vorteil zu entscheiden: Hätten die Bremer nicht mehr davon gehabt, wenn der Referee einen Freistoss gegeben und Sommer des Feldes verwiesen hätte, wodurch Werder mehr als eine Halbzeit lang in Überzahl gewesen wäre?

Oder kommt einem Torerfolg, der in dieser Situation gut möglich war und beim Stand von 0:0 den Führungstreffer bedeutet hätte, ein grösseres Gewicht zu? Eine solche Abwägung in Sekundenschnelle zu treffen, ist für den Schiedsrichter sehr schwierig.

Schwierige Abwägung für den Schiedsrichter

Da die Bremer aber eindeutig gewillt waren, weiterzuspielen und die sich bietende sehr gute Torchance zu nutzen, ist es nachvollziehbar, dass Martin Petersen auf den Pfiff verzichtete und weiterspielen liess.

Dass die Norddeutschen ihre Möglichkeit letztlich nicht nutzten, ändert daran nichts. Der Vorteil war unwiderruflich in dem Moment eingetreten, als Agu ungehindert an den Ball kam und ihn aufs Tor schoss. Danach war eine nachträgliche Bestrafung des Fouls von Sommer mit einem Freistoss nicht mehr möglich.

Und weil die Regeln eben in einem solchen Fall bei der persönlichen Strafe unterscheiden, ob eine "Notbremse" nur versucht oder auch vollendet wird, konnte es nur noch eine Gelbe Karte geben.

Ein Feldverweis wäre hier nur dann fällig gewesen, wenn Sommer ein grobes, also übermässig hartes Foul begangen hätte. Doch davon konnte nun wirklich keine Rede sein.

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