Seit Rückrundenbeginn sollen die Schiedsrichter gegen Unsportlichkeiten strenger vorgehen. Doch diese Anweisung gefällt nicht allen, wie die Debatten über die Gelb-Rote Karte gegen einen Gladbacher deutlich machen. Dabei sind die Klubs gut beraten, sich schnellstmöglich umzustellen.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Alex Feuerherdt dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Viele Diskussionen gab es nach der Gelb-Roten Karte für Alassane Pléa im Spitzenspiel zwischen RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach (2:2) am Samstagabend. Und das nicht nur über die Entscheidung von Schiedsrichter Tobias Stieler, den Gladbacher des Feldes zu verweisen, weil dieser den Erhalt der Gelben Karte wegen Protestierens mit einer abfälligen Geste kommentiert hatte. Sondern ganz grundsätzlich über die neue Linie der Unparteiischen bei Unsportlichkeiten.

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Diese fusst auf einer Direktive der sportlichen Leitung der DFB-Referees, die vor dem Beginn der Rückrunde erlassen wurde. Die Schiedsrichter sollen nun nicht mehr so nachsichtig sein, wenn Spieler aussenwirksam meckern und gestikulieren, wenn sie den Unparteiischen bedrängen oder umzingeln und wenn sie durch das Wegschlagen oder Wegtragen des Balles eine schnelle Spielfortsetzung verhindern.

Weil das nicht allen gefällt, sei noch einmal daran erinnert, warum es überhaupt zu dieser Verschärfung gekommen ist: Sie ist eine Folge davon, dass sich Berichte über Angriffe auf Schiedsrichter in den unteren Spielklassen zuletzt massiv häuften. In Berlin, in Köln und im Saarland traten die Referees deshalb sogar für einen Spieltag in den Streik.

Auf den Asche- und Kunstrasenplätzen wird seit jeher nachgeahmt, was in den Stadien des Profifussballs vorgemacht wird: Torjubelvarianten und Tricks genauso wie Schwalben, Rudelbildungen und Respektlosigkeiten gegenüber den Referees.

Die Amateur-Schiedsrichter stehen oft vor einem Dilemma

Die Bundesliga-Schiedsrichter vermögen es dabei, Proteste bis zu einem gewissen Grad ohne Sanktionen zu moderieren. Sie müssen nicht befürchten, deshalb ihre Akzeptanz zu verlieren. Das hat die Spielräume für die Spieler allerdings recht gross werden lassen und deren Erwartung befördert, ungestraft davonzukommen, wenn sie gegen eine Entscheidung des Referees protestieren.

Diese Erwartungshaltung hat sich längst auf den Amateurbereich übertragen, wo die Sitten oft wesentlich rauer als im Oberhaus sind. Die Schiedsrichter stehen dort häufig vor einem Dilemma: Gehen sie nicht nur mit Worten, sondern auch mit Karten gegen Unsportlichkeiten vor, wird ihnen gerne vorgeworfen, unsouverän und unangemessen kleinlich zu amtieren.

Lassen sie die Karten dagegen stecken, laufen sie bisweilen Gefahr, die Kontrolle über das Spiel zu verlieren. Im schlimmsten Fall werden sie verbal oder sogar körperlich angegangen.

Der Gedanke hinter der neuen Direktive für die Unparteiischen ist es nun, über eine strengere Ahndung von Unsportlichkeiten im Profifussball deren Eindämmung zu erreichen und gleichzeitig die Akzeptanz für dieses Vorgehen auch in den unteren Ligen zu verbessern. Die Bundesliga soll also als Vorbild wirken.

Die Anweisung selbst hat noch nicht genügend Akzeptanz

"Wir Schiedsrichter sind angehalten, zur Rückrunde diese Unsportlichkeiten konsequent zu ahnden", sagte Tobias Stieler nach der Begegnung in Leipzig. Ein Verhalten wie das von Pléa sei "inakzeptabel, das hat absolut keine Vorbildfunktion für den Fussball – und insbesondere nicht für den Amateurbereich".

Die Referees hätten sich zu dieser Anweisung "committet", fuhr Stieler fort. "Und ich werde nicht der Erste sein, der dagegen verstösst." Doch die Mönchengladbacher hielten Gelb-Rot gegen Pléa für überzogen und fanden, dass dieser Feldverweis den Spielverlauf zu stark beeinflusst hat.

Tatsächlich hatte Sportdirektor Max Eberl nicht Unrecht, als er sagte: "Alles, was danach kam, war hoch emotional. Es wurde alles hektisch und unruhig. Das ganze Spiel war bis dahin sehr sachlich, sehr gut, ein tolles Fussballspiel." Nach dem Feldverweis gegen Pléa zeigte Tobias Stieler auch Timo Werner und dem Gladbacher Trainer Marco Rose jeweils wegen unsportlichen Verhaltens die Gelbe Karte.

Wenn man die besagte Direktive zugrundelegt, dann waren allerdings auch diese persönlichen Strafen korrekt. Das Problem scheint eher darin zu bestehen, dass die Anweisung selbst noch nicht genügend Akzeptanz hat. Und dass sie deshalb manchmal das Gegenteil dessen bewirken kann, was sie bewirken soll.

Spieler, Trainer und Verantwortliche sollten ihr Verhalten hinterfragen

Dabei täten Spieler, Trainer und Verantwortliche der Bundesligisten gut daran, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen und gerade mit Blick auf das Amateurlager, also die Basis des Fussballs, ihre Vorbildfunktion endlich ernst zu nehmen.

Die viel beschworenen Emotionen können und dürfen jedenfalls dort kein Argument sein, wo sie sich als übermässiger Protest gegen den Unparteiischen äussern – auch dann nicht, wenn dieser eine Fehlentscheidung getroffen hat.

Und statt an das "Fingerspitzengefühl" des Schiedsrichters zu appellieren, sollte besser Alassane Pléa dafür kritisiert werden, dass er sich selbst nach der Verwarnung für sein erbostes Abwinken nicht unter Kontrolle bekam und weiter unsportlich gestikulierte, obwohl er wissen musste, dass das Folgen haben kann.

Ja, die Gelb-Rote Karte hat den Spielverlauf in Leipzig wesentlich beeinflusst. Aber das war nicht die Schuld des Schiedsrichters, sondern die des Spielers. Er hat seiner Mannschaft den berühmten Bärendienst erwiesen.

Fussballer müssen das Vorbild Rugby endlich zur Kenntnis nehmen

Dass es in anderen Sportarten – auch in körperbetonten wie dem Rugby – verpönt ist, die Unparteiischen anzugehen, und Zuwiderhandlungen schnell und hart geahndet werden, sollte auch im Fussball endlich zur Kenntnis genommen werden und ein Umdenken bewirken.

Die Anordnung an die Bundesliga-Referees ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Zumal sie ein Ausdruck davon ist, dass die Sorgen und Probleme des Amateurfussballs – und damit der Masse der Schiedsrichter – ernst genommen werden. Die Klubs sollten die Anweisung deshalb akzeptieren, die Spieler müssen sich umstellen.

Wichtig ist aber auch, dass die Unparteiischen die Direktive sowohl mit Konsequenz als auch mit Augenmass umsetzen. Konsequenz heisst, ähnliche Vergehen auch gleich zu ahnden. Dass etwa der Leipziger Marcel Sabitzer vor einer Woche im Spiel bei Eintracht Frankfurt ungestraft davonkam, als er nach dem Erhalt der Gelben Karte höhnisch in Richtung des Referees applaudierte, darf nicht sein.

Augenmass wiederum bedeutet, dass nicht jede kritische Reaktion gegenüber dem Schiedsrichter gleich zu einer Verwarnung führt. Aber in dieser Hinsicht kann man den Unparteiischen bislang auch nichts vorwerfen. Dennoch ist die Anweisung auch für sie eine Umstellung, die nicht sofort und fehlerfrei gelingen wird.

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