Für 15 Sekunden hat der FC Bayern beim SC Freiburg zwölf Spieler auf dem Feld, weil das Schiedsrichterteam bei einer Auswechslung einen Fehler begeht. Ist das nur eine Randnotiz? Oder ist es ein Regelverstoss, der drastische Konsequenzen haben könnte?
Auswechslungen sind im Fussball keine besonders komplizierte Angelegenheit. Normalerweise gibt es deshalb auch keine Komplikationen, aber manchmal steckt der Teufel im Detail. Und dann kann es zu allerlei Irritationen kommen. So wie am Samstag in der Partie des SC Freiburg gegen den FC Bayern München (1:4) nach 84 Minuten.
Die Gäste wollten
Der Grund dafür lag in einem Irrtum der Teammanagerin des FC Bayern, Kathleen Krüger. Sie hatte auf der Wechseltafel die Rückennummer 29 eingestellt – das ist Comans frühere Nummer; seit dieser Saison trägt er jedoch die 11. Dadurch fühlte er sich nicht angesprochen und machte keine Anstalten, sich vom Feld zu begeben.
Trotzdem liess der Referee das Spiel fortsetzen – er hatte, wie auch der Vierte Offizielle, nicht bemerkt, dass für
Jetzt räumte auch Coman das Feld. Doch bevor die Begegnung mit einem Schiedsrichterball im Mittelfeld fortgeführt wurde, verstrichen mehr als fünfeinhalb Minuten. So lange dauerte es, bis das Team der Unparteiischen das Problem und dessen Zustandekommen geklärt hatte, auch unter Hinzuziehung von Video-Assistent Felix Zwayer.
Die Diskussionen waren damit jedoch noch lange nicht beendet, denn viele fragten sich: Hat dieser Wechselfehler vielleicht Konsequenzen über das Spiel hinaus? Könnte es ein Wiederholungsspiel geben? Oder verlieren gar die Münchner ihre drei Punkte, weil die Partie vom Sportgericht für den SC Freiburg gewertet wird?
Hier sind die Antworten auf diese und weitere Fragen.
Liegt der Fehler bei den Bayern oder bei den Unparteiischen?
Durch die falsche Nummernanzeige hat der FC Bayern zwar zum Durcheinander beigetragen. Doch falsch gehandelt haben hier vor allem Christian Dingert und Arno Blos, wobei der Schiedsrichter immer die Gesamtverantwortung trägt.
Der Vierte Offizielle hätte Süle und Sabitzer das Betreten des Feldes nur unter der Voraussetzung erlauben dürfen, dass zwei andere Spieler der Bayern zuvor den Platz verlassen. Mögliche Unklarheiten, wer ausgewechselt werden soll, hätten zunächst von ihm ausgeräumt werden müssen.
Auch das Spiel hätte nicht fortgesetzt werden dürfen, solange die Bayern zu zwölft waren. Das Schiedsrichterteam hätte sich vergewissern müssen, dass das Spiel mit der korrekten Anzahl an Spielern auf beiden Seiten weitergeht.
Hätte Coman die Gelbe Karte bekommen müssen?
Nein, sagt DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner im Interview des Online-Portals "Spox". Denn Coman habe nicht unsportlich gehandelt: "Es lag nicht an ihm, dass der Wechsel nicht richtig vollzogen wurde, weil die Tafel von Bayerns Teammanagerin falsch angezeigt wurde und der Schiedsrichter es nicht richtig kontrolliert hat."
Süle und Sabitzer ist ebenfalls kein Vorwurf zu machen, weil sie die Zustimmung des Unparteiischen zum Betreten des Platzes hatten. Sie haben also nicht unerlaubt am Spiel teilgenommen und mussten damit genauso wenig verwarnt werden wie Coman.
Haben die Bayern durch den Fehler ein Wechselfenster zu viel genutzt?
Ebenfalls nein. Sabitzer und Süle betraten im dritten und letzten Wechselslot der Münchner mit Zustimmung des Schiedsrichters den Platz, damit wurden sie zu Spielern. Denn in der Regel 3 heisst es: "Die Auswechslung ist vollzogen, wenn der Auswechselspieler das Spielfeld betritt." Das ist auch dann der Fall, wenn der auszuwechselnde Spieler den Platz noch nicht verlassen hat.
Massgeblich ist hier das Einverständnis des Unparteiischen mit dem Spieleintritt, selbst wenn es zu früh gegeben wurde. Süles oder Sabitzers Einwechslung war also nicht erst abgeschlossen, als Coman das Feld in der nächsten Unterbrechung verliess. Ein unzulässiges viertes Wechselfenster wurde somit nicht in Anspruch genommen.
War es korrekt, das Spiel mit einem Schiedsrichterball fortzusetzen?
Unterbricht der Unparteiische das Spiel, weil sich ein überzähliger Spieler auf dem Feld befindet, dann gibt es laut Regel 3 einen direkten Freistoss, wenn dieser Spieler ins Spiel eingegriffen hat, etwa durch eine Ballberührung. Hat dieser Eingriff im Strafraum stattgefunden, dann gibt es sogar einen Strafstoss.
Wenn er dagegen nicht ins Spiel eingegriffen hat, muss das Spiel im Falle einer Unterbrechung mit einem indirekten Freistoss fortgesetzt werden. Weil Coman den Ball erst nach dem Pfiff spielte, lag kein Spieleingriff vor. Es hätte also einen indirekten Freistoss geben müssen und keinen Schiedsrichterball.
Ist der Wechselfehler mit dem des VfL Wolfsburg im DFB-Pokal gleichzusetzen?
Auch hier ist die Antwort: nein. Wolfsburg wechselte im Erstrunden-Pokalspiel bei Preussen Münster in der Verlängerung ein sechstes Mal aus, obwohl nur fünf Wechsel zulässig waren. Der zusätzlich eingewechselte Spieler war also nicht einsatzberechtigt.
Nach Paragraf 17 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB musste deshalb das Spiel für Münster gewertet werden, auch wenn der Schiedsrichter – es war ebenfalls Christian Dingert – diesen Wechsel gestattet hatte.
In Freiburg lagen die Dinge anders, wie Lutz Wagner betont: "Der Wechsel als solcher war völlig korrekt und durfte durchgeführt werden, weil der eingewechselte Spieler spielberechtigt war." Aufgrund eines Missverständnisses sei dann der auszuwechselnde Spieler auf dem Feld geblieben. Das sei jedoch "nicht zu vergleichen mit Wolfsburg oder anderen Fällen, in denen ein unzulässiger Wechsel durchgeführt wurde".
Hätte ein möglicher Einspruch des SC Freiburg trotzdem Aussicht auf Erfolg?
Auf den erwähnten Paragrafen, der beim Einsatz eines nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers eine Spielwertung für den Gegner vorsieht, würde sich der Verein jedenfalls voraussichtlich nicht berufen können.
Dass das Sportgericht einen Regelverstoss des Unparteiischen feststellen würde, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Denn Christian Dingert hat nicht das Regelwerk irrtümlich falsch angewendet, sondern die Spielfortsetzung zugelassen, weil er – fälschlicherweise – davon ausging, dass die Auswechslung anweisungsgemäss durchgeführt worden war. Es lag also eine falsche Tatsachenentscheidung vor.
Einen Regelverstoss stellt lediglich die falsche Spielfortsetzung – Schiedsrichterball statt indirekter Freistoss – nach der nächsten Unterbrechung dar. Das ist jedoch zu vernachlässigen, zumal Freiburg auch so in Ballbesitz kam, also keinen wirklichen Nachteil hatte.
Und selbst wenn ein Regelverstoss bei der Auswechslung festgestellt werden würde, müsste das Sportgericht – so sehen es die Regularien vor – bewerten, ob dieser Verstoss den Ausgang des Spiels so erheblich beeinflusst hat, dass die Partie wiederholt werden muss. Denn das wäre dann die Folge.
Bei einem Spielstand von 1:3 kurz vor dem Spielende und einer Überzahl von nur wenigen Sekunden, in denen nichts Bedeutendes geschah und Coman noch nicht einmal einen Ballkontakt hatte, liegt es allerdings auf der Hand, dass der Fehler den Ausgang des Spiels nicht zuungunsten der Freiburger beeinflusst hat.
Nach menschlichem Ermessen dürfte es also im Falle eines Freiburger Einspruchs – ohne den die Sportgerichtsbarkeit des DFB in diesem Fall gar nicht tätig werden würde – weder eine Spielwertung gegen den FC Bayern geben noch ein Wiederholungsspiel. Denn weder haben die Münchner einen nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spieler eingesetzt, noch haben sie ein Wechselfenster zu viel genutzt.
Der Schiedsrichter wiederum hat seinen Fehler bemerkt und korrigiert, bevor dieser Fauxpas einen Einfluss auf den Spielausgang nehmen konnte. Es wäre deshalb eine Überraschung, wenn der4:1-Sieg der Bayern nicht bestehen bleiben sollte.
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