Die Mainzer kassieren einen Handelfmeter, weil der Bizeps nun mal unterhalb der virtuellen "T-Shirt-Linie" liegt. Hertha BSC ist derweil nicht gut auf den Schiedsrichter zu sprechen. Der wiederum steht unmittelbar vor dem Aufstieg in die höchste Kategorie der europäischen Referees.
In der Partie 1. FSV Mainz 05 gegen Borussia Mönchengladbach (2:3) war noch etwa eine Viertelstunde zu spielen, die Gastgeber durften sich beim Stand von 2:1 Hoffnungen auf den ersten Saisonsieg machen. Doch dann sorgte ein Pfiff von Schiedsrichter Frank Willenborg für Ernüchterung.
Der Unparteiische entschied auf Elfmeter für die Gladbacher, denn er hatte ein Handspiel von Moussa Niakhaté wahrgenommen und als strafbar bewertet. Obendrein wurde der Mainzer verwarnt. Die Proteste nützten wie immer nichts, auch Video-Assistent Sascha Stegemann hatte keinen Einwand.
So mancher Beobachter fragte sich jedoch: Gab es da zuletzt nicht eine Änderung im Regelwerk, nach der es nun nicht mehr strafbar ist, wenn der Ball mit dem oberen Teil des Arms berührt oder gespielt wird? Hatten die Regelhüter in diesem Zusammenhang nicht die sogenannte T-Shirt-Linie als Grenze bestimmt?
Und hatte Niakhaté den Ball nach dem Torschuss von Marcus Thuram nicht mit genau jenem oberen Bereich des Arms abgeblockt, der in den Fussballregeln in einer Grafik grün markiert ist, im Unterschied zum Rest des Armes, der rot eingefärbt wurde, wie um eine Verbotszone zu kennzeichnen?
In der Tat geht es dem International Football Association Board (IFAB), das für die Regeln zuständig ist, darum, den Arm klarer als bisher von der Schulter abzugrenzen. Deshalb hat das Gremium vor der Saison beschlossen: Der Bereich, der sich bei angelegtem Arm oberhalb der Achselhöhle befindet, gehört nicht mehr zum Arm. Wenn es dort zu einem Kontakt mit dem Ball kommt, liegt somit auf keinen Fall ein Handspiel vor.
Schiedsrichter-Kolumne: Der Bizeps liegt unterhalb der T-Shirt-Linie
Der häufig verwendete Begriff "T-Shirt-Linie" ist allerdings nicht offiziell, sondern dient lediglich zur Orientierung, wo die besagte Grenze verläuft. Die Linie ist nur eine gedachte und keine, die etwas mit der Ärmelgrenze eines konkreten Trikots zu tun hat.
Weil ein Fussball ziemlich gross ist, kann es geschehen, dass er mit einem Teil oberhalb der Grenze zwischen Arm und Schulter auftrifft und mit dem anderen darunter. Dann muss der Schiedsrichter nach seinem Ermessen beurteilen, ob ein Handspiel vorliegt oder nicht.
Der Mainzer Moussa Niakhaté spielte den Ball aber mit dem Bizeps und jedenfalls nicht mit dem Part, der dem Regelwerk zufolge nun als Teil der Schulter zu betrachten ist. Da er zudem mit deutlich vom Körper abstehendem Arm zum Ball sprang, lag regeltechnisch eine Vergrösserung der Körperfläche vor.
Deshalb war die Elfmeterentscheidung korrekt – und die Gelbe Karte ebenfalls. Schliesslich wurde ein Torschuss blockiert, in diesem Fall ist die Verwarnung zwingend.
5. Spieltag: Hertha fühlt sich vom Schiedsrichter benachteiligt
Unterdessen zeigten sich in und nach der Begegnung zwischen RB Leipzig und Hertha BSC Berlin (2:1) die Gäste höchst unzufrieden mit Referee Tobias Stieler. Dieser habe sich zu sehr in den Vordergrund gestellt, fand Manager Michael Preetz. Man fühle sich vom Spielleiter vor allem bei "den vielen kleinen und engen Entscheidungen benachteiligt".
Trainer Bruno Labbadia wollte sich nach dem Abpfiff dagegen nicht mehr äussern, nachdem ihm Stieler während des Spiels wegen einer lautstarken Reklamation die Gelbe Karte gezeigt hatte. Torwart Alexander Schwolow wiederum sah die Dinge ähnlich wie Preetz: "Kaputt gemacht" habe der Unparteiische das Spiel, urteilte er.
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Auch wenn man berücksichtigen muss, dass diese Kritik unter Adrenalineinfluss formuliert wurde: Sie ist ungewöhnlich heftig. Wenn man es nüchtern betrachtet, gab es diverse knifflige Situationen, in denen der Schiedsrichter jeweils für die Gastgeber entschied.
Zur ersten davon kam es schon kurz nach dem Anpfiff: Willi Orban zog im eigenen Strafraum am Trikot von Dodi Lukebakio und beeinträchtigte den Torschuss des Herthaners dadurch deutlich. Doch es gab es keinen Strafstoss – wohl auch deshalb, weil der Berliner Stürmer auf den Beinen blieb und zum Abschluss kam.
In den spielentscheidenden Situationen lag Stieler richtig
Ein Elfmeter wäre gleichwohl völlig vertretbar gewesen. Häufig entwickeln sich Spiele, die mit solchen grenzwertigen, für den Referee unangenehmen Szenen beginnen, zu einer Herkulesaufgabe für den Schiedsrichter.
So war es auch in diesem Fall, wobei Tobias Stieler in den spielentscheidenden Situationen richtig lag: Die Gelb-Rote Karte gegen den Berliner Deyovaisio Zeefuik etwa, zu der es nur viereinhalb Minuten nach dessen Einwechslung zu Beginn der zweiten Hälfte kam, war fraglos korrekt.
Gleiches gilt für den Elfmeterpfiff für Leipzig in der 75. Minute nach einem recht ungeschickten Foul des zurückgeeilten Hertha-Angreifers Jhon Cordoba an Willi Orban.
Der Feldverweis gegen den Herthaner Jessic Ngankam in der Nachspielzeit hingegen liess sich nicht rechtfertigen. Denn dessen Foul an Angelino war weder übermässig hart noch brutal und auch nicht gesundheitsgefährdend.
Das sah auch Video-Assistent Robert Hartmann so, der dem Referee deshalb ein Review empfahl. Stieler blieb nur kurz am Monitor, dann wandelte er die Rote Karte richtigerweise in eine Verwarnung um.
Steigt Stieler in die europäische "Elite Group" auf?
Am kommenden Dienstag steht für Tobias Stieler übrigens eine besondere Bewährungsprobe an: Er leitet das Champions-League-Spiel zwischen Olympique Marseille und Manchester City.
Offiziell beobachtet wird er dabei von keinem Geringeren als dem Vorsitzenden der UEFA-Schiedsrichter-Kommission, Roberto Rosetti. Dabei dürfte es auch um einen möglichen Aufstieg in die "Elite Group" gehen, die höchste Kategorie für europäische Unparteiische.
In dieser Kategorie werden von den Bundesliga-Schiedsrichtern bislang Felix Brych, Deniz Aytekin und Felix Zwayer geführt. Stieler könnte bald der Vierte im Bunde sein.
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