Pflichtspielpremiere für das neue Freiburger Stadion – und gleich kochen in der Partie gegen Leipzig die Emotionen hoch. Beide Trainer attackieren den Unparteiischen verbal und sehen die Gelbe Karte. Der Coach der Gastgeber rügt später ausserdem dessen uneinheitliche Bewertung von Strafraumszenen.
Wild und hektisch ging es zuletzt immer mal wieder zu, wenn der SC Freiburg und RB Leipzig aufeinandertrafen. Denn diese Begegnung ist auch ein Spiel der Gegensätze: Hier der grundsolide Verein aus dem Schwarzwald mit dem alternativen Image, dort der erst 2009 gegründete, von vielen Fans abgelehnte Klub von Gnaden eines grossen Konzerns.
Diese Gegensätze sind sicherlich etwas klischeebehaftet, doch das tut dem Reiz dieser Partie keinen Abbruch. Auch diesmal war das Match aufgeladen, zumal es das erste Pflichtspiel im nagelneuen Freiburger Stadion war, was die Bedeutung noch erhöhte.
Gerade dort und vor allem an diesem besonderen Tag wollten die Freiburger, als einziger Bundesligist in dieser Saison noch ungeschlagen, erst recht nicht die erste Niederlage einstecken. Schon gar nicht gegen die zuletzt schwächelnden Gäste aus Sachsen.
Nicht zufällig wurde deshalb Daniel Siebert, EM-Schiedsrichter und somit einer der Top-Unparteiischen in Deutschland, mit der Leitung dieser Partie beauftragt. Der 37-Jährige weiss, wie man erhitzte Gemüter beruhigen kann, und lässt vor allem Spiele zwischen zwei fussballerisch starken Teams gerne laufen.
Diesmal aber hatte er einen schwierigen Job, weil die Emotionen manchmal überkochten, viele enge Zweikämpfe zu bewerten waren und immer mal wieder ein Spieler auf dem Rasen lag, ohne dazu wirklich gezwungen worden zu sein.
Ihrer Vorbildfunktion werden beide Trainer nicht gerecht
Auch die beiden Trainer machten dem Referee die Aufgabe nicht gerade leichter. Sie waren sogar die Ersten, denen Daniel Siebert die Gelbe Karte zeigen musste:
Beide Übungsleiter hatten sich über Entscheidungen des Schiedsrichters – einen Elfmeter hier, einen Freistoss dort – derart aufgeregt, dass der Unparteiischen gar nicht anders konnte, als Verwarnungen auszusprechen. Streich räumte nach dem Spiel im Interview des Senders "Sky" immerhin ein, "zu wild" gewesen zu sein.
Am vergangenen Mittwoch hatte Lutz Michael Fröhlich, der sportliche Leiter der Schiedsrichter im bezahlten deutschen Fussball, bei einem Medienworkshop gesagt, mit der Rückkehr der Zuschauer nähmen nun die Emotionen auf dem Platz wieder zu – und, so sei zu befürchten, auch die Proteste und Meckereien.
Die Referees seien deshalb gefordert, unsportlichem Verhalten in angemessener Weise Einhalt zu gebieten. Fröhlich hatte Recht. Dass es in Freiburg ausgerechnet die beiden Trainer waren – Funktionsträger mit besonderer Vorbildfunktion –, die als Erste verwarnt werden mussten, wirft kein gutes Licht auf sie.
Streich: Entweder beide Male ein Elfer – oder gar keiner
Nach dem Spiel, das 1:1 endete, wurde viel über die Zweikampfbewertung des Unparteiischen gesprochen, die insbesondere den Gastgebern nicht passte. "Eine richtige Linie gab es nicht", meinte Angreifer Lucas Höler. "Manchmal hat er gepfiffen, manchmal nicht."
Christian Streich kritisierte insbesondere, dass Daniel Siebert in zwei recht ähnlichen Strafraumsituationen unterschiedlich entschieden hatte: In der 31. Minute sprach er den Leipzigern einen Strafstoss zu, vier Minuten nach der Pause dagegen verweigerte er den Freiburgern einen solchen.
"Wenn du den ersten Elfmeter pfeifst, musst du auch den zweiten pfeifen", sagte der Coach der Breisgauer. "Oder du pfeifst den ersten nicht und lässt den zweiten auch weg."
Streichs Ansicht war nachvollziehbar. Der Strafstoss für die Gäste folgte auf einen Zweikampf zwischen Philipp Lienhart und Christopher Nkunku im Freiburger Strafraum, bei dem der Leipziger über das linke Bein des Freiburger Verteidigers gestolpert und mit einiger Theatralik zu Fall gekommen war.
Ob dieser Kontakt als Beinstellen von Lienhart zu bewerten ist oder Nkunku ihn regelrecht gesucht hatte, um zu Boden zu gehen, ist auch eine Frage des Ermessens. Bei einer strengen Regelauslegung lässt sich der Elfmeterpfiff vertreten, zu einer grosszügigen passt er jedoch nicht. Klar und offensichtlich falsch war die Entscheidung keineswegs, der VAR musste daher auch nicht eingreifen.
Der VAR hat zweimal zu Recht nicht interveniert
Auch in der 49. Minute war nicht nur eine Entscheidung möglich. Im Laufduell mit Lucas Höler hielt Mohamed Simakan seinen Gegner im eigenen Strafraum leicht an der rechten Schulter, aber das war weniger von Belang als der Kontakt zwischen den jeweils rechten Waden der beiden Spieler.
Danach kam Höler zu Fall, und auch hier liess sich nicht zweifelsfrei sagen, ob Simakan – der sich in der schlechteren Position befand – diesen Sturz verursacht oder Höler womöglich ein bisschen nachgeholfen hatte.
Verglichen mit der Regelauslegung auf der anderen Seite nach 31 Minuten gab es hier allerdings nicht weniger Gründe, auf Elfmeter zu erkennen. Daher kann man Christian Streich darin zustimmen, dass es in beiden Situationen die gleiche Entscheidung hätte geben müssen: entweder jeweils einen Strafstoss oder jeweils keinen.
Trotzdem war es auch in der zweiten Szene richtig, dass sich der VAR zurückhielt. Denn eine glasklare Fehlentscheidung hatte der Referee wiederum nicht getroffen, seine Bewertung passte im Vergleich nur nicht recht zu der in der ersten Szene.
Die Aufgabe des Video-Assistenten ist es aber nicht, zur Einheitlichkeit der Regelauslegung in solchen Grenzfällen beizutragen, sondern bekanntlich nur, bei gravierenden Fehlern und übersehenen Vorfällen zu intervenieren.
Entsprechend kann es vorkommen, dass in ähnlichen Situationen unterschiedlich entschieden wird und dennoch kein Eingriff aus Köln erfolgt, weil die Entscheidungen für sich genommen vertretbar sind. Auch, wenn sich das im Vergleich etwas ungerecht anfühlen mag.
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