Im Topspiel hat der Unparteiische alle Hände voll zu tun: Zwei Tore für den BVB werden wegen Abseits annulliert, dreimal gibt es keinen Elfmeter für Gladbach. Nur in einer Szene wäre eine andere Entscheidung besser gewesen. In Leipzig und Bremen geht es derweil kurios zu.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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Nein, zu beneiden war Sascha Stegemann am Samstag in der abendlichen Spitzenpartie zwischen Borussia Dortmund gegen Borussia Mönchengladbach (1:0) nun wirklich nicht.

Denn in seinem 75. Bundesligaspiel musste der Schiedsrichter gemeinsam mit seinen Assistenten eine Fülle von komplizierten Situationen beurteilen, darunter mehrere spielrelevante Strafraum- und Abseitsszenen.

So lief Breel Embolo in der ersten Hälfte gleich zweimal auf den Dortmunder Torwart Roman Bürki zu. Beide Male ging er beim Versuch, den Keeper zu umspielen, zu Boden, in beiden Fällen liess Stegemann weiterlaufen.

Das war richtig, denn Bürki hatte jeweils zuerst den Ball gespielt – so deutlich, dass der anschliessende, unausweichliche Kontakt mit Embolo den Körpereinsatz nicht irregulär machte. Das hatte der Unparteiische auch ohne die Hilfe des Video-Assistenten erkannt.

Realgeschwindigkeit versus Zeitlupe

Nach 72 Minuten hätten sich die Gladbacher allerdings dessen Eingriff gewünscht, als Patrick Herrmann den Ball nach einer Flanke aus kurzer Distanz am Tor vorbeischoss und dabei von Hummels attackiert wurde, ohne dass der Schiedsrichter pfiff.

Den Ball hatte der Dortmunder nicht getroffen, das linke Bein und danach, im Augenblick des Schusses durch den Gladbacher, den rechten Fuss von Herrmann hingegen schon.

Eine verlangsamte Nahaufnahme aus einem seitlichen Blickwinkel zeigt allerdings auch, dass Herrmann zu Beginn des Zweikampfs sein Bein herausgestellt und Hummels mit der Ferse am Fuss erwischt hatte.

Die Realgeschwindigkeit legte ein Foul des Dortmunder Verteidigers nahe, während die Zeitlupe aus einem anderen Blickwinkel suggerierte, dass sich auch der Gladbacher Stürmer nicht ganz fair verhalten hatte.

Reus verhindert zwei Tore für sein Team

Die Zeitlupe kann jedoch täuschen, weil sie Intensität und Dynamik einer Aktion verzerrt. Insgesamt gab es mehr Argumente für einen Strafstoss, auch wenn es möglich ist, dass Herrmann bereits abgeschlossen hatte, bevor er am Fuss getroffen wurde.

In solchen Fällen gibt es in der Praxis nur selten einen Strafstoss, obwohl die Regeln ihn eigentlich vorsehen. Eindeutig waren die Bilder jedenfalls nicht, weshalb es nachvollziehbar ist, dass der Video-Assistent sich heraushielt.

Interveniert hatte er dafür nach 33 Minuten, weil in der Angriffsphase, an deren Ende Thorgan Hazard ins Mönchengladbacher Tor traf, Marco Reus aus einer – äusserst knappen – Abseitsposition ins Spiel eingegriffen hatte.

In den Schlüsselszenen richtig gelegen

In der 84. Minute annullierte Sascha Stegemann einen weiteren Dortmunder Treffer, diesmal in Absprache mit seinem Assistenten an der Seitenlinie. Denn bei Achraf Hakimis Schuss hatte sich wiederum Reus im Abseits und gleichzeitig im Sichtfeld des Gladbacher Torwarts Yann Sommer befunden, der deshalb mit leichter Verzögerung reagierte.

Zwar ist es äusserst fraglich, ob er ohne die Nähe von Reus das Tor verhindert hätte. Doch den Regeln zufolge ist das sogenannte Sichtfeldabseits schon dann strafbar, wenn dadurch die theoretische Möglichkeit eines Spielers beeinflusst wird, den Ball zu spielen. Deshalb war auch diese Entscheidung des Unparteiischen korrekt.

Der nervenstarke Sascha Stegemann entschied am Ende in einem schwer zu leitenden Spiel in fast allen der vielen Schlüsselszenen richtig. Lediglich nach dem Zweikampf zwischen Hummels und Herrmann lag eine andere Entscheidung als die getroffene näher. Doch klar falsch war auch sie nicht.

Was sonst noch wichtig war:

  • Nach 18 Minuten im Spiel zwischen RB Leipzig und dem VfL Wolfsburg (1:1) kam es zu einer kuriosen Szene: Der Leipziger Torhüter Peter Gulasci wurde von einer hohen Rückgabe seines Mitspielers Dayot Upamecano derart überrascht, dass er den Ball in letzter Not mit den Händen am Tor vorbeilenken konnte. Ein Verstoss gegen die sogenannte Rückpassregel, den Schiedsrichter Deniz Aytkin zu Recht mit einem indirekten Freistoss ahndete. Ebenfalls korrekt war es, Gulasci weder die Gelbe noch die Rote Karte zu zeigen, auch wenn der Ball ohne Gulascis Tat vermutlich ins Tor geflogen wäre. In den Regeln heisst es: "Der Torhüter darf den Ball im eigenen Strafraum weder nach einem absichtlichen Zuspiel oder einem Einwurf eines Mitspielers noch nach der Freigabe aus den eigenen Händen in die Hand nehmen. Ein Verstoss gegen diese Regel wird mit einem indirekten Freistoss geahndet. Dieses Handspielvergehen zieht aber keine Disziplinarmassnahme nach sich, selbst wenn dadurch ein aussichtsreicher Angriff, eine offensichtliche Torchance oder ein Tor vereitelt wurde."
  • Ein weiteres Kuriosum trug sich in der Partie von Werder Bremen gegen Hertha BSC (1:1) zu: Als Vedad Ibišević in der 12. Minute bei einem Zweikampf mit dem Bremer Torhüter Jiří Pavlenka zu Fall kam, Schiedsrichter Felix Brych jedoch nicht auf Strafstoss entschied, forderte der Berliner nach eigenem Bekunden beim Unparteiischen eine Verwarnung gegen sich selbst. "Ich habe gesagt, wenn das kein Elfmeter ist, dann ist es eine Schwalbe", so Ibišević. "Es gibt keine dritte Option." Doch da täuscht sich der Angreifer, denn natürlich besteht für den Referee auch die Möglichkeit, auf weiterspielen zu entscheiden, wenn er der Ansicht ist, dass weder ein Foulspiel noch eine Simulation vorliegt. Allerdings wäre ein Strafstoss in dieser Situation die bessere Entscheidung gewesen: Pavlenka berührte mit dem langen Bein nur geringfügig den Ball und brachte Ibišević danach umso deutlicher zu Fall.
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