Es ist höchst selten, dass Spieler öffentlich fordern, ein Schiedsrichter möge ungeachtet der Altersgrenze weiterpfeifen. Manuel Gräfe wird diese Ehre momentan jedoch zuteil. Zu Recht, wie er auch bei seinem Spiel in Freiburg zeigt.
Kevin Vogts Einsatz im Spiel des SC Freiburg gegen die TSG 1899 Hoffenheim (1:1) hätte kaum unglücklicher beginnen können: Als er nach 77 Minuten eingewechselt wurde, verschuldete der Abwehrspieler der Gäste kurz darauf noch vor seinem ersten Ballkontakt einen Strafstoss.
Genauer gesagt: Er führte den Elfmeterpfiff beim Versuch herbei, den Ball erstmals in dieser Partie zu spielen. Vogt wollte die Kugel aus dem Hoffenheimer Strafraum schlagen und hatte auch schon zum Schuss ausgeholt.
Doch als sein rechtes Bein wieder nach vorne schwang, befand sich plötzlich der linke Fuss von Ermedin Demirović vor dem Ball und damit im Weg. Der Freiburger lief schräg hinter Vogt und hatte sein Bein in Richtung Spielgerät ausgestreckt.
Weil er einen Augenblick früher am Ball war, traf der Hoffenheimer aus Versehen mit der ganzen Wucht seiner Schussbewegung die Ferse von Demirović statt des Balles. Beide Spieler sanken mit Schmerzen auf den Rasen.
Für Schiedsrichter Manuel Gräfe stellte sich die Situation auf dem Feld als Stürmerfoul dar, und niemand beklagte sich über diese Entscheidung, die auch in der Realgeschwindigkeit der Fernsehübertragung richtig erschien. Es sah so aus, als wäre Demirović Vogt in die Parade gefahren, als dieser gerade schiessen wollte.
Auch ein unabsichtlicher Tritt ist ein Foul
Video-Assistent Guido Winkmann überprüfte die Szene trotzdem – und riet
Vogt dagegen hatte nicht den Ball gespielt, dafür aber seinen Gegenspieler voll erwischt – ohne Absicht zwar, aber das war ohne Belang, wie auch DFB-Lehrwart Lutz Wagner gegenüber dem "Kicker" deutlich machte.
"Vogt will zwar den Ball spielen, trifft aber nur Demirović, der sich in dieser Szene völlig korrekt verhält", sagte er. "Damit liegen die Fakten klar auf dem Tisch – auch wenn Vogt überhaupt nicht beabsichtigt hatte, den Gegenspieler zu treffen."
Dass Gräfe seine Entscheidung nach dem Betrachten der Bilder auf dem Monitor am Spielfeldrand schliesslich korrigierte und einen Strafstoss für die Freiburger gab, war deshalb auch "völlig richtig", wie Wagner unterstrich.
Man mag in regelphilosophischer Hinsicht einige Bauchschmerzen damit haben, dass Vogt hier bestraft wurde. Schliesslich konnte er die Schussbewegung nicht mehr rechtzeitig abbrechen, auch weil er Demirović in seinem Rücken augenscheinlich nicht wahrgenommen hatte.
Doch das war unerheblich, denn auch ein unabsichtlicher Tritt ist ein Foul, sofern der Gegner sich seinerseits nichts zuschulden kommen lässt und auch kein Unfall vorliegt wie beispielsweise bei einem Zusammenprall.
Drei Unparteiische haben die Altersgrenze erreicht
So kamen die Gastgeber noch zum 1:1-Ausgleichstreffer. Manuel Gräfe erklärte Kevin Vogt nach dem Schlusspfiff noch einmal, warum es den Strafstoss gab – es sind auch solche Nähe schaffenden Handlungen, die den erfahrenen Unparteiischen aus Berlin bei Spielern und Trainern seit vielen Jahren so beliebt machen.
Da er aber schon 47 Jahre alt ist, muss er nach dieser Saison genauso ausscheiden wie seine Kollegen Guido Winkmann und Markus Schmidt. So sieht es jedenfalls eine seit etlichen Jahren geltende Regelung des DFB vor.
Es ist beachtlich, wie viele angesichts dessen fordern, die sportliche Leitung der Bundesliga-Schiedsrichter möge die Altersgrenze grundsätzlich überdenken oder doch zumindest für Gräfe eine Ausnahme machen.
Medien wie der "Kicker", die "Zeit" und die FAZ plädieren für eine Fortsetzung von dessen Karriere, beim Sender "Sky" setzte Rekordnationalspieler
Im Internet hat ausserdem ein Fan eine Petition mit dem Titel "Leistung muss belohnt werden, pro Manuel Gräfe" veröffentlicht. Er sammelt Unterschriften, um den DFB umzustimmen. Auch das ist höchst ungewöhnlich.
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Bemerkenswerte Plädoyers für Manuel Gräfe
Vor allem aber sind es Spieler und Trainer, die sich öffentlich für Gräfe einsetzen. "Der Herr Gräfe ist einer der besten Schiedsrichter in Deutschland, wenn nicht sogar der beste", sagte beispielsweise der Freiburger Kapitän Christian Günter bei "Sky".
"Ich würde da mal eine Lanze brechen und sagen: Bitte lasst ihn noch ein bisschen weitermachen." Gräfe biete "eine überragende Spielleitung" und sei auch körperlich auf der Höhe. "Man sollte darüber nachdenken, ob so jemand nicht dabei bleiben sollte, solange er so fit ist", findet Günter.
Auch der Hoffenheimer Torwart Oliver Baumann ist dieser Meinung: "Er darf nicht aufhören, er muss weitermachen", forderte er nach Gräfes 287. Bundesligaspiel seit dessen Premiere im Sommer 2004.
Der 1,97 Meter grosse Referee tue dem Spiel gut, fand auch der Freiburger Trainer Christian Streich. Gräfe selbst hatte kürzlich in einem Interview bekundet, zumindest für ein weiteres Jahr in der Bundesliga pfeifen zu wollen.
Sein Kollege Guido Winkmann, Bundesliga-Schiedsrichter seit 13 Jahren und mit 159 Einsätzen ebenfalls einer der Erfahrensten, hat den Wunsch, ein halbes Jahr dranzuhängen – auch um seine Laufbahn in Spielen vor Publikum zu beenden und nicht vor einer Geisterkulisse.
In einem ersten Gespräch mit der sportlichen Leitung bekräftigte diese jedoch die bestehende Regelung, nicht zuletzt mit dem Verweis darauf, personell auch ohne die ausscheidenden Unparteiischen gut gerüstet zu sein.
Starkes Wochenende für die Schiedsrichter
Durch die Altersbegrenzung soll besonders talentierten jungen Schiedsrichtern der Weg ins Oberhaus erleichtert werden – was zweifellos nachvollziehbar ist. Auf der anderen Seite verliert der deutsche Profifussball so gegen den Willen der Aktiven erfahrene und akzeptierte Spitzenkräfte.
Und das aufgrund einer Regelung, die nicht an der Leistung orientiert ist, sondern ausschliesslich am Lebensalter – ungeachtet der guten Erfahrungen, die man etwa in der englischen Premier League ohne diese Beschränkung macht.
Der DFB könnte wirklich nur gewinnen, wenn er Gräfe und Winkmann ihre Wünsche erfüllen würde, die massvoll und im Sinne der Klubs sind. Vielleicht ist die Tür ja doch noch nicht vollständig zu. Es wäre wünschenswert.
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