An diesem Spieltag der Fussball-Bundesliga schalten sich die Video-Assistenten häufiger ein als sonst. Das tun sie allerdings zu Recht – und sogar einmal zu wenig. Ihre Zwischenbilanz in dieser Saison ist positiv.
Die sportliche Leitung der Unparteiischen im deutschen Profifussball bot unlängst einen Online-Workshop für Journalisten an. Zwei Stunden lang ging es nicht zuletzt um die Video-Assistenten, mit denen Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich und VAR-Projektleiter Jochen Drees in dieser Saison bislang zufrieden sind.
In den ersten sieben Spieltagen habe es 28 Interventionen aus Köln gegeben, 27 davon seien korrekt gewesen, urteilte Drees. In einer Situation habe der VAR zwar zu Unrecht eingegriffen, die endgültige Entscheidung sei trotzdem nicht falsch gewesen. Zweimal habe der VAR nicht interveniert, obwohl es angebracht gewesen wäre.
Mit der Gefühlswelt mancher Fans wird diese Zwischenbilanz kaum übereinstimmen. Aber wer denkt, dass die sportliche Leitung die Wirklichkeit beschönigt, sei daran erinnert, dass deren Statistiken in der Vergangenheit auch schon mal deutlich weniger positiv ausfielen.
Die Eingriffsqualität hat sich verbessert
Der VAR ist in seiner fünften Saison, und die gewachsene Erfahrung in der Anwendung ist zu spüren. Die Berechenbarkeit von Eingriffen und Nicht-Eingriffen sowie die Eingriffsqualität haben sich eindeutig verbessert.
Jochen Drees setzt zudem oft auf Pärchenbildung, indem er gut zusammen passende Kombinationen aus Schiedsrichter und VAR beibehält. Bei internationalen Turnieren gehören Video-Assistenten aus der Bundesliga zu denjenigen mit den meisten Einsätzen.
Am 8. Spieltag gab es nur einen einzigen – definitiv berechtigten – Eingriff aus der Videozentrale, nach einem zunächst nicht geahndeten strafbaren Handspiel in der Partie zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FSV Mainz 05.
Gleich sechsmal dagegen intervenierten die Video-Assistenten am vergangenen Wochenende. Damit erhöhte sich die Zahl der Eingriffe in dieser Saison auf 35, das sind im Schnitt knapp vier pro Spieltag, einer mehr als in der Vorsaison. Ein Check zeigt, dass die Interventionen berechtigt sind.
Musiala foult, Forsberg ist nicht im Abseits
FC Bayern München – TSG 1899 Hoffenheim (4:0): Nach acht Minuten trifft
Weil Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck diese Regelwidrigkeit nicht bemerkt hat, schaltet sich VAR Robert Schröder zu Recht ein. Es kommt zum On-Field-Review, danach annulliert der Referee den Treffer.
Highlights Bundesliga 9. Spieltag: Bayern – Hoffenheim 4:0
Forsberg nicht im Abseits, beide Elfer vertretbar
RB Leipzig – SpVgg Greuther Fürth (4:1): Kurz nach dem Seitenwechsel trifft Yussuf Poulsen zum 1:1 für die Gastgeber. Schiedsrichter Christian Dingert verweigert dem Treffer jedoch zunächst die Anerkennung.
Denn Emil Forsberg soll sich bei Poulsens Torschuss im Abseits befunden und die Sicht des Gästetorwarts Marius Funk auf den Ball entscheidend beeinträchtigt haben. Video-Assistent Pascal Müller findet bei der Überprüfung jedoch schnell heraus, dass keine Abseitsstellung von Forsberg vorlag. Dingert gibt das Tor daher doch noch.
Ebenso korrekt ist es, dass Müller bei beiden Strafstössen nicht interveniert: Kurz vor der Halbzeitpause kommt der Leipziger Nordi Mukiele nur deshalb zum Kopfball, weil er Jamie Leweling anspringt und zu Boden drückt.
Und nach 52 Minuten zieht und zerrt der Fürther Marco Meyerhöfer seinen Gegenspieler Poulsen im Strafraum zu Boden. Beide Elfmeter sind vertretbar, die Überprüfungen sind zudem schnell vorüber, auch beim vermeintlichen Abseitstor.
Casteels gegen Kübler: Fahrlässigkeit oder Unfall?
VfL Wolfsburg – SC Freiburg (0:2): Als in der 27. Minute der Freiburger Philipp Lienhart ein Tor erzielt und Schiedsrichter Tobias Welz auf Geheiss seines Assistenten auf Abseits erkennt, scheinen die TV-Bilder die Richtigkeit der Entscheidung auf den ersten Blick zu belegen.
Doch VAR Sascha Stegemann findet heraus, dass die Ferse von Kevin Mbabu der Wolfsburger Torlinie im Moment der Freistossausführung näher war als Lienharts Schulter. Daher erklärt Referee Tobias Welz den Treffer schliesslich für gültig.
Drei Minuten später klärt der Wolfsburger Renato Steffen im eigenen Strafraum den Ball in einer heiklen Situation gegen Lukas Kübler. Dadurch räumt sein Torhüter Koen Casteels, der sich ebenfalls in Richtung des Balles bewegt hat und nicht mehr stoppen kann, in einer Rutschbewegung den Freiburger mit den Knien ab.
Der Unparteiische lässt weiterspielen, doch sein Video-Assistent empfiehlt ihm ein Review. Am Ende bleibt Welz aber bei seiner Entscheidung, keinen Strafstoss zu geben. Das kann man durchaus erstaunlich finden.
In der Regelpraxis ist es zwar so, dass unglückliche Aktionen wie ein Kreuzen oder ein Zusammenprall abseits des Balles als Unfall bewertet und nicht geahndet werden. Aber hier war der Ball zunächst noch in Spielnähe, als sich Casteels und Kübler auf ihn zubewegten, wobei der Wolfsburger Keeper ein grösseres Risiko einging und auch der aktivere Part war.
Sein Einsteigen als fahrlässig zu bewerten und mit einem Strafstoss zu ahnden, hätte deshalb näher gelegen. Dass der VAR intervenierte, war somit korrekt.
Eine Tätlichkeit von Rexhbecaj?
Hertha BSC – Borussia Mönchengladbach (1:0): Auch in dieser Begegnung schaltet sich der Video-Assistent zu Recht ein, und das schon nach acht Minuten.
Denn wenn es überhaupt einen Kontakt von Maximilian Mittelstädts Fuss an der Ferse oder Achillessehne des Gladbachers Joseph Scally gegeben haben sollte, ist er so geringfügig gewesen, dass er sicherlich nicht den Ausschlag dafür gegeben hat, dass Scally im Berliner Strafraum zu Fall gekommen ist.
Nach dem Review auf Empfehlung von VAR Robert Kampka nimmt Schiedsrichter Benjamin Cortus seine Strafstossentscheidung dann auch zurück.
Polters Handspiel und Rexhbecajs Glück
VfL Bochum – Eintracht Frankfurt (2:0): Nach zehn Minuten blockt der Bochumer Sebastian Polter den Ball im eigenen Strafraum mit dem rechten Arm ab, wobei er seine Trefferfläche unnatürlich vergrössert hat. Schiedsrichter Marco Fritz hat das eindeutig strafbare Handspiel nicht wahrgenommen, deshalb empfiehlt ihm Video-Assistent Markus Schmidt den Gang an den Monitor in der Review Area.
Danach gibt es einen vollkommen berechtigten Strafstoss für die Hessen, den Gonçalo Paciência allerdings verschiesst – der Bochumer Torwart Manuel Riemann kann den Ball mühelos festhalten.
Ein weiterer Eingriff des VAR wäre zumindest begreiflich: Als der Bochumer Elvis Rexhbecaj nach 39 Minuten gegen Rafael Borré erst den Ball spielt und sich dann entschliesst, mit dem linken Fuss gegen den Oberschenkel seines Gegners zu treten, spricht viel für eine Bewertung als Tätlichkeit.
Es kommt dann auch zu einer Rudelbildung, doch der Referee lässt Rexhbecaj ungeschoren davonkommen. Womöglich ist dem VAR die Intensität des Tritts zu gering, um ein Review zu empfehlen, doch an Rexhbecaj liegt das eher nicht.
Selbst wenn die Zeitlupe die Dinge oft etwas dramatischer erscheinen lässt: Es ist schwierig zu vermitteln, warum es hier keine Rote Karte gibt.
Video-Assistenten greifen sechsmal zu Recht ein
Damit haben die Video-Assistenten an diesem Wochenende sechsmal zu Recht eingegriffen und dabei geholfen, fünf klare Fehlentscheidungen zu vermeiden. Einmal entschied sich der Referee überraschend gegen die Änderung seiner Entscheidung, einmal griff der VAR nicht ein, wo es empfehlenswert gewesen wäre.
Wie bei den Schiedsrichtern ist es auch bei den Video-Assistenten so, dass sie vor allem dann ein Thema sind, wenn sie etwas Umstrittenes tun oder Fehler begehen.
Dabei wäre es so sinnvoll, den Blick einmal darauf zu richten, wie viele falsche Entscheidungen sie tatsächlich verhindern. Das mag man als normal empfinden, aber es ist dennoch eine Erwähnung wert.
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